86. Jahrestag des Endes der Schlacht am Ebro – 3. Treffen der Internationalen Brigadisten-Verbände vom 1. bis 3. November 2024 in La Fatarella / Terra Alta / Katalonien von Stefan Loibl
Das diesjährige Treffen sollte unter dem Eindruck und den fürchterlichen Bildern der Überschwemmungskatastrophe im Raum València beginnen, die über die Region in den Tagen der Anreise unseres Vorbereitungsteams hereinbrach. Diese Nachrichten und die Wetterumstände beschäftigten uns das ganze Wochenende über, und sie hatten leichte Auswirkungen auch auf unser Programm. Außerdem war die Teilnahme von Publikum aus La Fatarella und Umgebung geringer als letztes Jahr, was sicherlich auch mit der Wetterunsicherheit zu tun hatte. Unsere Freunde aus Frankreich konnten diesmal leider nicht dabei sein, und Luigi und Marco aus Italien mussten im letzten Moment absagen.
Bei den letzten Vorbereitungen mussten wir aufgrund des Wetters etwas improvisieren, denn am Donnerstag schien es nicht angeraten, in die Berge zu fahren. Dafür wurden wir am Freitag, als es dann möglich war, belohnt: die Zusammenarbeit über die große Entfernung von Berlin nach La Fatarella bei der Planung der Gedenktafel für Jordi und der notwendigen Halterung funktionierte auf den Millimeter: die Tafel, die wir aus Berlin mitgebracht hatten, passte exakt auf die Platte, die die Leute von Lo Riu angefertigt und aufgestellt haben: die Freude bei uns allen war entsprechend groß! Sie zeigten uns die Aufräum- und Fällarbeiten, die sie aufgrund der Trockenheit auf dem Gelände vornehmen mussten, und dann suchten wir Bäume für die neuen Plaketten aus. Nachdem wir sie in den republikanischen Farben verhüllt angebracht hatten, zauberte ein Genosse aus Madrid, AABI-Mitglied, noch ein originelles Mini-Picknick aus der Ladefläche seines geländetüchtigen Pick-Ups. Danach machten wir uns zufrieden und vorbereitet für das Wochenende auf den Rückweg nach La Fatarella, wo schon langsam alle anderen für den ersten Abend ankommen sollten.
Das Treffen begann am Freitagabend mit der Begrüßung im Lokal von Lo Riu. Da die angereisten Gäste aus Deutschland zum ersten Mal in La Fatarella waren, wurde in den Begrüßungsansprachen von Lo Riu und KFSR auch etwas mehr auf die Geschichte des Projekts „Wald der Erinnerung“ eingegangen. Nach den organisatorischen Ansagen überreichte Àlex Sambró im Namen von Lo Riu die Veranstaltungsanhänger und als Gastgeschenk eine Dose Olivenöl aus lokaler Herstellung und mit einem Aufkleber von Lo Riu versehen. Das Abendessen fand dann im Casal de la Vila statt, eine Art Veranstaltungs- und Kulturzentrum des Ortes. Dort war schon ein ganz langer Tisch für uns gedeckt – und etwas unerwartet fanden wir uns aufgrund der Örtlichkeit und des Datums mitten im Kastanienfest, der Castanyada, wieder. Das ist eines der ganz großen traditionellen Feste in Katalonien und natürlich auch in La Fatarella, wo die Familien zusammenkommen, oft auch von auswärts und mit Kind und Kegel gefeiert wird. Entsprechend war die Lautstärke, gegen die wir uns bei unseren Gesprächen behaupten mussten.
Bis zum Morgen des Samstags mussten wir bangen, ob es uns das Wetter erlauben würde, den nicht ganz einfachen Weg hoch in den Wald riskieren zu können, um zu unserem Hauptprogrammpunkt zu kommen. Aber außer Nebel und eventuell leichtem Regen war nichts Beeinträchtigendes zu vermelden, zum Glück hatte es auch an den Vortagen nicht so viel geregnet, dass wir uns ernsthafte Gedanken um die Benutzung der unbefestigten Piste machen mussten. Nach einiger Verspätung stand endlich die kleine Wagenkolonne und alle waren in Fahrzeugen untergekommen. Eine Journalistin und ein Lokal-TV-Team schlossen sich uns an und brachten auch noch Teilnehmer in ihren Autos unter. Die Fahnen der Zweiten Republik wehten aus den Fenstern und los ging es.
Die zwei bis drei Kilometer Fußweg zum Schluss absolvierte die Mehrheit im dichten Nebel, mit wenigen Metern Sicht, so dass leider für die Neulinge nichts von der beeindruckenden Landschaft zu sehen war. Für einige, denen wir das letzte Stück Weg nicht zumuten wollten, war gesorgt, sie wurden von geeigneten Fahrzeugen bis zum Wald gebracht.
Nun konnte unsere diesjährige Gedenkveranstaltung beginnen. Wir versammelten uns alle vor dem großen Gedenkstein und Àlex hielt die Begrüßungsrede. Die Begrüßungsansprache verteilten wir übersetzt an die ausländischen Teilnehmer, so dass sie mitlesen konnten und so die Verständigung gewährleistet war. Dann stand die Namensgebung auf dem Programm. Alle bildeten einen Halbkreis um die neue Gedenktafel, die noch verhüllt war. Die Familie Banqué, die Vertreter von Lo Riu und KFSR stellten sich dahinter auf. Ulrike Rom vom KFSR sprach die erklärenden Worte und würdigte das Engagement und den Einsatz von Jordi Banqué für das Projekt des Erinnerungswaldes. Absatzweise wurde für das heimische Publikum ins Katalanische übersetzt. Als die Rede zuende war, enthüllten wir alle zusammen die Tafel und machten damit den neuen Namen offiziell: Wald der Erinnerung „Jordi Banqué“. Der Beifall war groß. Danach sprachen Jordis Tochter und seine Schwester. Sie brachten uns das Leben von Jordi, von der Familie in Falset im Priorat, also nicht so weit von La Fatarella-, über das Exil in Frankreich bis zu seiner Zeit in der DDR unter anderen spanischen Republikanern im Exil, auf Deutsch und Spanisch nahe. Zwei ehemalige Bürgermeister richteten ebenfalls Worte der Erinnerung an Jordi an uns alle. Es waren sehr emotionale Momente und vielen von uns war es anzumerken, dass sie sehr gerührt waren.
Der zweite Hauptprogrammpunkt war die Enthüllung von elf neuen Plaketten zur Erinnerung an Menschen, die auf die eine oder andere Art und Weise im spanischen Krieg auf der republikanischen antifaschistischen Seite gekämpft haben. Wir begannen mit den zwei Plaketten der Familie Coutelle, zwei Ärzte, die sich im Krankenhaus der Brigaden in Mataró kennengelernt hatten und nach dem Krieg eine Familie gründeten, und endeten bei Betty Rosenfeld, einer jüdischen Krankenschwester, die in verschiedenen Sanitätszentren der Brigaden gearbeitet hatte. Besonders bewegend waren die vier Enthüllungen durch die anwesenden Familien, die etwas ausführlicher über ihre zu ehrenden Angehörigen berichteten. So erzählten Ann und Elaine, die beiden Töchter des Briten Herbert Hodgson, der am Ebro gekämpft hatte und verwundet wurde, dass er ihnen aufgetragen hatte, die Erde am Ebro zu berühren, weil er selbst es zu Lebzeiten nicht mehr geschafft hatte, dorthin zurückzukehren. Lo Riu und KFSR hoben gegenüber den Anwesenden und auch gegenüber den Medienvertretern hervor, dass diesmal von den elf neuen Plaketten drei an Frauen erinnern, und dass wir in Zukunft besonders dem unersetzbaren Einsatz der Frauen in den Internationalen Brigaden mehr Sichtbarkeit und Platz verschaffen wollen. Für folgende Personen wurden neue Plaketten enthüllt: Rosa und Carl Coutelle, Betty Rosenfeld (alle Deutschland), Emma Bronzo, Marino Stefano Giovanni (beide Italien), Willi Rentmeister, Hans Serelmann, Arthur Franke, Ernst Scholz (alle Deutschland), Herbert Hodgson (England), Rodolfo de Armas y Soto (Cuba). Somit wird aktuell im Wald der Erinnerung „Jordi Banqué“ an rund 100 Menschen und ihren Einsatz gegen den Faschismus gedacht. Es ist uns eine Ehre, aber auch Notwendigkeit, ganz besonders auf dem Hintergrund der Geschichte unseres eigenen Landes und seines verheerenden Anteils am spanischen Krieg, etwas zu der Erinnerung beizutragen und den selbstlosen Einsatz dieser Menschen nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Das, wofür sie gekämpft haben, ist leider immer noch nicht endgültig überwunden, und die gegenwärtigen Entwicklungen lassen eher das Gegenteil befürchten. Umso wichtiger ist es, die Erinnerung wach zu halten, damit sich die Geschichte nicht wiederholt. Nach der bewegenden Veranstaltung machten wir uns immer noch im Nebel auf den Rückweg und freuten uns auf das Mittagessen und die gemeinsamen Gespräche über das Erlebte.
Beim Mittagessen wandte sich Pepe Luis Gamero, der ehemalige Bürgermeister von Corbera, ausdrücklich an die jüngeren Teilnehmer der Veranstaltung, mit der Bitte, in die Fußstapfen ihrer Vorfahren zu treten, die Geschichte nicht zu vergessen, sondern in Erinnerung daran sich selber für die Werte einzusetzen, die damals wie heute in Gefahr sind und verteidigt werden müssen. Denn das Erstarken der rechten und besonders der rechtsextremen Kräfte in ganz Europa bereitet uns allen große Besorgnis. Auch sprachen wir angesichts der Tatsache, dass es im Wald nicht mehr so viele freie Bäume gibt und die Trockenheit und die Klimaveränderungen ihnen zu schaffen machen, über die Möglichkeit, eine Neupflanzungsaktion anzustoßen und diese über eine Art Workshop oder Arbeitseinsatz durch eine internationale Jugendgruppe innerhalb der Gedenkveranstaltung im November 2025 zu realisieren.
Am Sonntagmorgen kamen wir noch einmal zusammen, um an den historischen Orten uns die damaligen Ereignisse veranschaulichen zu lassen. Mit historischen Uniformen und Ausrüstung führte uns Lo Riu einige Aspekte der Tage in den Schützengräben und Befestigungsanlagen an der Ebrofront vor Augen und erklärte den Verlauf der verlustreichen Schlacht und des beschwerlichen und demütigenden Rückzugs über den Ebro Richtung Barcelona. An den Gedenksteinen für die 15. Brigade und den Kommandanten Manuel Tagüeña legten wir Blumen nieder.
Sehr gefreut haben wir uns über das Medienecho. In zahlreichen Lokalmedien wurde über unsere Veranstaltung berichtet und es wurden dabei Teile aus Interviews mit den beteiligten Familien und den Vertretern von Lo Riu und KFSR verwendet.
¡NO PASARÁN!
Es berichteten: TV Canal Terres de l’Ebre, Diari de Tarragona, Veu Catalana, Públic, Setmanari l’Ebre, La República, ebredigital, ApropEbre. Die einzelenen Artikel sind auf unserer Webseite www.spanienkaempfer.de verlinkt.
Wer sich für die Teilnahme an der Gedenkveranstaltung im November 2025 interessiert, ist herzlich eingeladen, sich per Post oder Mail an info@spanienkaempfer.de zu melden.
La Fatarella Programm 2024:
Freitag – 1. November
Begrüßung im Lokal-Museum von Lo Riu/La Fatarella
gemeinsames Abendessen im Casal de la Vila
Samstag – 2. November
Wald der Erinnerung
Gedenkfeier für die Internationalen Brigaden, mit der Anbringung neuer Gedenktafeln durch Angehörige und Verbände der Brigaden, Ansprachen und Blumenniederlegung am Denkmal für die Internationalen Brigaden.
Offizielle Namensgebung: Wald der Erinnerung “Jordi Banqué” mit Enthüllung der Gedenktafel an ihn
Gemeinsames Mittagessen aller Teilnehmer in Can Rius
Besuch und Führung im Museum von Lo Riu und Verkostung lokaler Produkte im Laden Llopis
Sonntag – 3. November
Historischer Ort der Schlacht am Ebro auf der Anhöhe 562 von La Fatarella
Führung durch die ehemalige Befestigungslinie von La Fatarella und den Kommandoposten des XV. Armeekorps.
Blumenniederlegung am Gedenkstein in Erinnerung an Manuel Tagüeña und die Verteidiger der Freiheit.
Mittagessen und Verabschiedung im Restaurant Siscoteca