Brief von Hyman Katz an seine Mutter im Jahr 1937 – Denken wir an schmerzhaften Tagen wie heute an die Tausenden von jüdischen Freiwilligen in den Internationalen Brigaden…

Denken wir an die Tausenden von jüdischen Freiwilligen in den Internationalen Brigaden. An schmerzhaften Tagen wie heute , wenn Familien beim Besuch ihrer örtlichen Synagoge in Pitsburgh (USA) erschossen werden, müssen wir den Faschismus verurteilen. Wir müssen unsere jüdischen Brüder und Schwestern, unsere Behinderten, unsere Nachbarn der ethnischen Minderheiten vor dem Wahnsinn und den Schrecken des Faschismus schützen. Diejenigen, die sich nicht an die Vergangenheit erinnern können, sind dazu verurteilt, sie zu wiederholen.

Almudena Cros (AABI), 27. September 2018, Barcelona, Spanien

Hier ein Auszug aus einem Brief von Hyman Katz an seine Mutter im Jahr 1937: 11/25/37

Liebe Mutter,

es ist ziemlich schwierig für mich, diesen Brief zu schreiben, aber es muss getan werden; Claire schreibt mir, dass Du weißt, dass ich in Spanien bin. Natürlich weißt Du, dass der Grund, warum ich Dir nicht gesagt habe, wo ich bin, darin besteht, dass ich Dich nicht verletzen wollte. Ich weiß, dass es dumm von mir war, nicht zu erkennen, dass Du es herausfinden würdest.

Ich kam nach Spanien, weil ich das Gefühl hatte, dass ich es musste. Betrachten wir doch die Weltlage. Wir machten uns keine Sorgen, als Mussolini in Italien an die Macht kam. Wir fühlten uns schlecht, als Hitler Kanzler in Deutschland wurde. Aber was konnten wir tun? Wir fühlten – obwohl wir versuchten zu helfen und mitzufühlen das – , dass es ihr Problem war und uns nicht betreffen würde. Dann schickten die faschistischen Regierungen Agenten aus und begannen, in anderen Ländern an die Macht zu kommen. Erinnern wir uns der antisemitischen Unruhen in Österreich vor etwa einem Jahr. Schauen wir uns an, was in Polen passiert; und sehen wir, wie die Faschisten ihre Macht auf dem Balkan – und in Griechenland – verstärken und wie die Italiener versuchen, mit den arabischen Führern zu spielen.

Wenn man all diese Dinge sieht – wie der Faschismus in vielen Ländern nach der Macht greift (einschließlich der USA, wo es viele Nazi-Organisationen und Nazi-Agenten und -spione gibt) – – kann man da nicht sehen, dass der Faschismus unser Problem ist – dass er zu uns kommen kann, wie er in andere Länder kam? Und weißt Du nicht, dass wir Juden die ersten sein werden, die leiden werden, wenn der Faschismus kommt?

Aber wenn wir auch die Hand von Mussolini und Hitler in all diesen Ländern nicht klar erkennen, können wir in Spanien nicht anders, als sie zu sehen. Zusammen mit ihrem Agenten Franco versuchen sie, in Spanien das gleiche anti-progressive, antisemitische Regime aufzubauen, wie in Italien und Deutschland.

Wenn wir dabei sitzen und sie durch die Einnahme von Spanien stärker werden lassen, werden sie nach Frankreich weiterziehen und dort nicht aufhören; und es wird nicht lange dauern, bis sie nach Amerika kommen. Wenn ich das erkenne, kann ich dann warten, bis die Bestien zu meiner Tür kommen – bis es zu spät ist und es niemanden gibt, den ich um Hilfe rufen kann? Und würde ich überhaupt Hilfe von anderen verdienen, wenn die Schwierigkeiten über mich kommen, wenn ich die Hilfe denen verweigern würde, die sie heute brauchen? Wenn ich einer solchen Zeit erlaube zu kommen – als Jude und Fortschrittlicher wäre ich unter den ersten, die unter der Axt der Faschisten sterben; – alles, was ich dann tun könnte, wäre, mich selbst zu verfluchen und zu sagen: „Warum bin ich nicht aufgewacht, als die Alarmglocke schrillte ?“

Aber dann wäre es zu spät – ebenso wie es für die Juden in Deutschland zu spät war, 1933 herauszufinden, dass sie falsch lagen, wenn sie glaubten, dass Hitler Deutschland nie regieren würde.

Ich weiß, dass Du dir Sorgen um mich machst; aber wie oft ist die Operation, die uns Sorgen macht, am notwendigsten, um uns zu retten? Viele Mütter hier, an Orten, die nicht in der Nähe der Kampffront liegen, ließen ihre Kinder nicht in den Kampf ziehen, bis die faschistischen Bombenflugzeuge auftauchten; und dann war es zu spät. Viele Mütter hier wurden verkrüppelt oder getötet, oder ihre Ehemänner und Kinder verstümmelt oder getötet; doch einige dieser Mütter wollten ihre Söhne und Ehemänner nicht in den Krieg schicken, bis die faschistischen Bomben sie auf so schreckliche Weise lehrten – was der gesunde Menschenverstand ihnen nicht beibringen konnte.

Ja, Mutter, dies ist ein Fall, wo Söhne gegen den Willen ihrer Mütter handeln müssen, um ihrer Mütter selbst willen. Also ergriff ich die Waffen gegen die Verfolger meines Volkes – die Juden – und meiner Klasse – die Unterdrückten. Ich kämpfe gegen diejenigen, die in Spanien eine Inquisition errichten wie die ihrer ideologischen Vorfahren vor einigen Jahrhunderten. Sind diese Eigenschaften, die Du am Propheten Jeremiah oder an Judas Maccabeus so sehr bewunderst, schlecht, wenn dein Sohn sie zeigt? Natürlich bin ich kein Jeremiah oder Judas; aber ich versuche mit meinen eigenen dürftigen Fähigkeiten, das zu tun, was sie mit ihren großartigen Fähigkeiten getan haben, im Kampf für Freiheit, Wohlstand und Frieden…….

Liebevoll,

Chaim

Übersetzung: Herbert Grießig u. Hans-Jürgen Schwebke.

Quelle: online-Archiv ALBA

Titelbild Broschüre von Gina Medem „LOS JUDIOS – LUCHDORES DE LA LIBERTAD“, Archiv Werner Abel (AWA)

Redaktion KFSR

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