Rezension zu Gerben Zaagsma (Hrsg.): „Jewish Volunteers, the International Brigades and the Spanish Civil War“ von Dieter Nelles in „Arbeit – Bewegung – Geschichte Zeitschrift für historische Studien“ | 17. Jahrgang – Heft 2018/III
Gerben Zaagsma: Jewish Volunteers, the International Brigade and the Spanish Civil War, Bloomsbury Academic, London 2017, 250 S.
In einer Rezension zum biographischen Lexikon der deutschen Freiwilligen im Spanischen Bürgerkrieg warfen die Autoren den Herausgebern vor, die jüdische Herkunft der Freiwilligen nicht vermerkt zu haben. Damit hätten sie ausgebendet, dass Juden auch mit der Waffe in der Hand gegen die Nazis gekämpft hätten. An anderer Stelle sprachen sie sogar von einer Fälschung der Geschichte mit einem schlimmen und entwürdigenden Ergebnis, das indirekt die Propaganda der Nazis vom „feigen Juden“ zu bestätigen“ scheine. In ihrer Entgegnung beschränkten sich die Herausgeber auf die Bemerkung. „Alle uns bekannten jüdischen Spanienkämpfer aber betonten immer, nach Spanien seien sie als Kommunisten, als Antifaschisten gegangen, nicht als Juden.“[1]
Diese Kontroverse berührt eine zentrale Frage in der Arbeit von Gerben Zaagsma. Was bedeutet es über „jüdische Freiwillige“ zu sprechen. Deren Kampf wurde nach dem Holocaust oft als erster bewaffneter Widerstand von Juden gegen den Nationalsozialismus interpretiert und diese Argumentation habe dazu gedient, den Mythos jüdischer Passivität zu entlarven (S. 2). Zaagsma wendet sich gegen diese Interpretation. Zwar hätten sich viele jüdische Freiwillige aus Osteuropa als Juden betrachtet, weil sie in ihren Heimatländern zu einer nationalen Minderheit gehörten, aber ihr Entschluss in Spanien zu kämpfen, war in den meisten Fällen eine politische Entscheidung und hatte nichts mit einem ausgeprägten jüdischen Bewusstsein zu tun. Von „jüdischen Freiwilligen“ spricht er deshalb nur in Bezug auf ihre Herkunft. Welche Bedeutung das Jüdischsein für die Freiwilligen hatte, sei schwierig zu beantworten und sein Buch behandle die Frage, „wie aus Freiwilligen jüdischer Herkunft während des Spanischen Bürgerkriegs Jüdische Freiwillige nach dem Holocaust wurden“ (S. 6).
Im ersten Teil seiner Arbeit geht Zaagsma zunächst auf den hohen Anteil jüdischer Freiwilliger in den Internationalen Brigaden (IB) ein. Die Schätzungen liegen weit auseinander. Zaagsma geht davon aus, dass von den insgesamt 35 000 – 40000 Freiwilligen in den IB ungefähr 4000, zwischen 10 und 15 Prozent, jüdischer Herkunft waren. Für Zaagsma ist es sehr problematisch und ahistorisch die Freiwilligen aufgrund ihrer jüdischen Herkunft statistisch zu erfassen, ohne zu fragen, ob diese sich selbst als Juden identifizierten. Aufgrund des verschiedenen politischen, sozialen und geographischen Hintergrunds der Freiwilligen seien Generalisierungen über deren Motivation nur schwer möglich. Nur die Betrachtung spezifischer Gruppen jüdischer Freiwilliger ermögliche sinnvolle Antworten (S. 28).
Deshalb beschränkt er seine Untersuchung auf die Botwin Kompanie, die am 12. Dezember 1937 offiziell zu einer jüdischen Einheit innerhalb des Palafox-Bataillons der 13. Dombrowski-Brigade erklärt wurde. Namensgeber war der junge jüdische Kommunist Naftali Botwin, der 1925 in Polen hingerichtet wurde, nachdem er einen Polizeispitzel ermordet hatte. In der Kompanie kämpften bis zur ihrer Auflösung 150 – 200 jiddischsprachige polnisch-jüdische Kommunisten, von denen ein großer Teil als Migranten aus Belgien und Frankreich nach Spanien gekommen waren. Der Botwin Kompanie gehörten aber auch Freiwillige anderer Nationen an: Spanier, Deutsche, Polen und zwei arabische Palästinenser.
Für die Aufstellung der Botwin-Kompanie spielten mehrere Faktoren eine Rolle: Die Nationalitätenpolitik der Komintern, die Rekrutierung von neuen Freiwilligen aufgrund der hohen Verluste der Internationalen Brigaden, propagandistische Gründe, um Unterstützung für den Kampf in Spanien von den vielen jüdischen Migranten in Paris sowie den jüdischen Gemeinden aus Polen zu erhalten und der Antisemitismus in den Reihen der Dombrowski Brigade. Die Geschichte der Botwin-Kompanie ist in erster Linie mit dem relativ großen Anteil von Juden in der kommunistischen Bewegung Polens und den Aktivitäten der polnisch-jüdischen Kommunisten in den Migrantenmilieus in Paris im Kontext der kommunistischen Volksfrontpolitik und dem zunehmenden Antisemitismus in Frankreich der 1930er Jahre zu verstehen (S. 29-36). Die Gründung der Botwin-Kompanie war eine Möglichkeit jüdische Gleichwertigkeit zu propagieren und hatte eine hohe symbolische Bedeutung.
In der kommunistischen Tageszeitung Naye Presse spielte die Berichterstattung über die Freiwilligen in Spanien von Beginn an eine große Rolle. Eine Anzahl von Artikeln erschien über die „Grupo Thälmann“, eine der ersten ausländischen Einheiten, die sich aus deutschen und polnischen Emigranten sowie Teilnehmern der Arbeiterolympiade in Barcelona zusammensetzte und seit Ende Juli 1936 in einer kommunistischen Miliz an der Aragonfront kämpft. In der Naye Presse wurde die Gruppe als „Jewish militia“ bezeichnet (S. 68), was dem Selbstverständnis der Gruppe vermutlich nicht entsprochen hat. Einer der Mitglieder der Gruppe, Emanuel Mink, war später Kommandant der Botwin-Kompanie.
Die Naye Presse präsentierte die jüdischen Freiwilligen in der Botwin-Kompanie als „die auserwählten Söhne des jüdischen Volkes“ und als Beispiel für die kommunistische Volksfrontstrategie. Der Kampf gegen Franco in Spanien war aus dieser Perspektive auch ein Kampf gegen den zunehmenden Antisemitismus in Frankreich und die Bedrohung durch den Faschismus. „Der Sieg des Faschismus in Europa“ heißt es hellsichtig in einem Manifest der Botwin-Kompanie in der Naye Presse bedeute eine „physische Vernichtung“ des jüdischen Volkes (S. 92). Trotz aller Propaganda, so Zaagsma, war ein klarer Subtext in der Berichterstattung über jüdische Freiwillige, „dass ihr Kampf die Vorwürfe jüdischer Feigheit negierten und somit eine emanzipatorische Qualität erlangten“ (S. 93).
Im dritten und längsten Teil seiner Arbeit geht Zaagsma kurz auf das Schicksal der jüdischen Freiwilligen nach dem Bürgerkrieg. Viele von ihnen, die nicht in ihre Heimatländer zurückkehren konnten, wurden in französischen Internierungslagern inhaftiert. Nach der deutschen Besetzung Westeuropas kämpfe einige in der Résistance, andere wurden von den deutschen Besatzern in die Vernichtungslager deportiert oder wurden von den Alliierten in den nordafrikanischen Internierungslagern befreit. Von den Überlebenden ging ein Teil nach Polen zurück, wo sie zum Teil hohe politische Funktionen einnahmen.
Dann geht Zaagsma der Frage nach, wie sich die Erinnerung an die jüdischen Freiwilligen in der Nachkriegszeit entwickelte und von den Debatten über jüdische Reaktionen auf den Nationalsozialismus und den Holocaust beeinflusst waren. In den 1960er Jahren u.a. durch die von Hannah Arendt aufkommenden Diskussionen über den jüdischen Widerstand erfuhren die jüdischen Freiwilligen erstmals ein verstärktes öffentliches Interesse. Stellvertretend für alle avancierte die Botwin-Kompanie zum Symbol für den ersten bewaffneten jüdischen Widerstand gegen den Nationalsozialismus und als Gegenbeweis gegen die Vorwürfe jüdischer Passivität und Unterwürfigkeit. In diesem Sinne wurden die Freiwilligen auch anlässlich des 50. Jahrestages der Gründung der IB 1986 in Tel Aviv vom israelische Staatspräsident Chaim Herzog gewürdigt.
Aus Freiwilligen jüdischer Herkunft waren jüdische Freiwillige geworden. Der spezifische Kontext ihres Engagements in Spanien ging immer mehr verloren. Zaagsma’s Arbeit stellt diesen Kontext wieder her. Seine Arbeit ist eine sehr gelungene Kombination von Realien- und Erinnerungsgeschichte. Und man kann nur hoffen, dass demnächst eine preiswerte Paperback Ausgabe erscheint, damit das Buch viele Leser findet.
[1] Brigitte und Gerhard Brändle: Kritische Anmerkungen zu einem Lexikon Spanienfreiwillige aus Baden, in: RotFuchs. Tribüne für Kommunisten und Sozialisten in Deutschland, Nr. 227, S. 10. Dies.: Juden aus Baden im Kampf gegen Franco und Nazi-Söldner aus Deutschland, haOlam.de – das Nachrichten- und Onlinemagazin für Politik, Kultur, Wirtschaft, Lifestyle und jüdisches Leben, 26.6.2016; Autorenkollektiv: Zur Debatte um ein Spanienkämpfer-Lexikon, Rotfuchs 230, März 2017, S. 8.
LINK:
http://www.arbeiterbewegung-jahrbuch.de/?p=783
Es ist mir eine Ehre, einer von ihnen zu sein. Von Raanan Rein. FAZ-Feuilleton, 7.8.2017.