Spanischer Bürgerkrieg
Werner Abel (Hg.), unter Mitarbeit von Karla Popp und Hans-Jürgen Schwebke, „Pasaremos“ – Organ der XI. Brigade. Reprint der Zeitschrift, Karl Dietz Verlag, Berlin 2017, 430 S., 39,90 Euro
Charakteristisch für die 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts war der scharfe Kampf zwischen Propaganda und Gegenpropaganda, der sich gleichermaßen als Phänomen und Motor zentraler politischer und sozialer Frontstellungen erwies. Willi Münzenberg, vor 1933 kommunistischer Abgeordneter im Deutschen Reichstag und vernetzender Leiter verschiedener linker Presseprojekte unter dem Dach des Neuen Deutschen Verlags, beherrschte die Klaviatur solidarischer (Medien)Agitation und Propaganda wie kaum ein anderer Protagonist des antifaschistisch-antikolonialistischen Lagers in Europa. Die Machtübernahme der Nazis stellte ihn sowie den gesamten organisierten antifaschistischen Kampf vor neue Herausforderungen.
In seiner Aufklärungsschrift „Propaganda als Waffe“, 1937 im Exilverlag Edition du Carrefour (Paris) erschienen, unterstreicht Münzenberg die Rolle der Propaganda für das Hitlerregime: Die Hitlerpropaganda „hat die Schlussfolgerung (…) gezogen, dass im kommenden Krieg die Rotationsmaschinen und das Radio noch wichtiger sein werden als die Kanonen und Tanks, dass der Krieg vor allem nicht erst mit dem Abfeuern des ersten Schusses beginnt, sondern bereits Jahre zuvor mit der politischen Einkreisung und propagandistischen Zersetzung des Gegners.“ (25). Umso brennender war die Aufgabe der Gegenpropaganda gestellt – nicht zuletzt angesichts der deutschen Teilnahme am Spanienkrieg. Im Exil wuchsen solche Münzenbergschen Zeitungsprojekte wie „Der Gegen-Angriff“ zu Informationsbörsen über den Alltag im faschistischen Deutschland, zu politischen Vernetzungsforen für die Exilierten sowie zu medial vermittelten Räumen zur Festigung notwendiger Solidargemeinschaften. Zahlreiche weitere propagandistische Anker der Aufklärung über die wirklichen Absichten faschistischer Mächte und Gruppierungen in Europa erschienen im selben Verlag (z.B. das „Braunbuch über Reichstagsbrand und Hitlerterror“ von 1933 oder Münzenbergs „Kann Hitler einen Krieg führen?“ aus dem Jahre 1937).
Der Putsch antirepublikanischer Militärs in Spanien am 17. Juli 1936 markierte den Beginn des Spanienkrieges, in dessen Verlauf antifaschistische Arbeit auf bis dato unbekannte Weise konkret wurde. Die Aufstellung der Internationalen Brigaden (IB) zog Kämpfende verschiedener kultureller, politischer und nationaler Herkunft an. Zentrale Bedeutung nahm dabei nicht zuletzt die XI. IB ein, in der Kämpfer der deutschen Sprachgruppe organisiert waren: In zahlreichen Schlachten an vorderster Front kämpfend, entstanden auch im Bereich der internen Kulturarbeit vorbildliche Projekte, die Zeugnis für die (zumindest angedachte) Ganzheitlichkeit des Buchbesprechungen 231 Kampfes für die Freiheit Spaniens und damit verbunden auch für die Freiheit Deutschlands vom Hitlerfaschismus ablegen. Mit dem Reprint der ab März 1937 erschienenen Brigadezeitschrift „Pasaremos. Organ der XI. Brigade“ legen der bekannte Experte für die Geschichte der IB, Werner Abel, und sein Arbeitsteam einen bemerkenswerten Quellenband vor, der zum ersten Mal eine vollständige Durchsicht der im deutschsprachigen Raum bisher nur lückenhaft überlieferten Zeitschrift erlaubt. Die Auswertung der bis Oktober 1938, dem Datum des Abzugs der IB aus dem Spanienkrieg, erschienenen Brigadezeitschrift lohnt in vielfacher Hinsicht, dringen die Bild- und Textbeiträge doch in das Herz des Kampfverbandes vor. Ein Schwerpunkt der Zeitschrift liegt ihrer Funktion entsprechend auf der knappen Darstellung aktueller globaler wie spanienspezifischer politischer und gesellschaftlicher Ereignisse. Noch gewichtiger für die heutigen LeserInnen (da die unmittelbare Lebenswirklichkeit der Interbrigadisten betreffend) dürfte die Berichterstattung über und die Analyse der diversen Schlachten, militärischen Aufgabenstellungen und alltäglichen Probleme des Kämpferlebens sein.
Die „Pasaremos“ bezog ihre Lebensnähe aus der Mischung von Beiträgen journalistisch vorgebildeter IBler, den Analysen der Führungsspitze (bspw. von Heiner Rau, Richard Staimer) sowie den holprigen Textversuchen einfacher Kämpfender. In der Tradition des Arbeiterkorrespondentenwesens der Zwischenkriegszeit stehend, erschien die „Pasaremos“ als Periodikum mit kollektivistischem Anspruch („von euch, für euch“), und wollte durch unmittelbaren Nutzen bestechen.
Die Rubrik „Militärischer Briefkasten“ brachte praktische Tipps zum Soldatenleben. Längere Beiträge sollten z.B. zur Verbesserung der Schießleistung beitragen (vgl. Nr. 16 vom 29. 05. 1937) oder über die Verteidigung gegen Panzerangriffe (vgl. Nr. 35 vom 09. 12. 1937) informieren. Ein Baustein des vernetzenden und koordinierenden Wirkens der Brigadezeitschrift war die Fokussierung auf besondere Feiertage des proletarischen Festkalenders wie den 1. Mai oder spezieller den ersten Jahrestag der Aufstellung der XI. IB. Anlässlich des letztgenannten Ereignisses erschien Nr. 31 vom 15. Oktober 1937 als Erinnerungsdokument und Zeitchronik mit Rückblicken und Analysen der IB als kämpfender „Wille zur Einheit“ der Antifaschisten, mit Tagebuch- und Erinnerungsbeiträgen, Würdigungen getöteter IBler und Darstellungen der kulturellen Arbeit mitsamt Liedbeiträgen.
Die internationalistische Grundhaltung der XI. IB kam in der „Pasaremos“ in doppelter Weise zum Tragen: Auf formaler Ebene zeigt sich dies in der Mehrsprachigkeit der einzelnen Hefte – neben der deutschen Sprache war das Französische aufgrund der Anfang 1937 noch starken französischen Einheiten Zweitsprache, um recht bald vom Spanischen als Kampf- und Verkehrssprache abgelöst zu werden. Inhaltlich spiegelt sich dies in der vorbehaltlosen Parteinahme für die spanische Volksfrontregierung und deren Vertreter wider (so z.B. in einem Bericht über den Besuch der spanischen Kommunistin und Gallionsfigur des Freiheitskampfes, Dolores Ibáruri Gómez – Kampfname „La Pasionaria“ in Nr. 25 vom 07. 08. 1937 oder einem der proletarischen Arbeiter-Illustrierten Zeitung nachempfundenen Sonderheft anlässlich des 20. Jahrestags der Oktoberrevolution in Russland in Nr. 32 vom 07. 11. 1937). Der regelmäßige Blick auf den faschistischen Alltag und in die Zuchthäuser (Stichwort: Erinnerung an Ernst Thälmann) des Franco unterstützenden Deutschlands gehört zu den Facetten des umfassenden Blicks auf den Kampf in Spanien.
Die eingestreuten Beiträge zahlreicher antifaschistischer Schriftsteller und Journalisten wie Alfred Kantorowicz, Willi Bredel, Erich Weinert, Ludwig Renn oder Josef Martin Presterl (Synonym: Martin Prestes) zeugen von einer gewissen Anspruchshaltung und Professionalisierung in Form und Inhalt. Das zeigen auch die zahlreichen Fotografien, Karikaturen und Montagen, die einen visuell fundierten Zugang zur militärischen wie kulturellen Geschichte der XI. IB, ihres Kampfes und ihrer Selbstverortung ermöglichen.
Die Brigadezeitschrift „Pasaremos“ wurde geschrieben an einer zentralen Front ihrer Epoche, in Schützengraben und Baracken, von kämpfenden Journalisten und einfachen Brigadisten. Die vorliegende Neuausgabe ist ein unverzichtbarer Schlüssel zum Verständnis der deutschen Verteidiger der spanischen Republik, zudem ein besonderes Stück Medien- und Sozialgeschichte. Abel ebnet mit dem Reprint den aufschlussreichen Weg „ad fontes“ – zu den Quellen.
Valentin J. Hemberger
Quelle: Zeitschrift Z – Zeitschrift Marxistische Erneuerung | Z – Nr. 115 September 2018, Seiten 230 – 232