Wir dokumentieren ein Interview von Denis Rogatyuk veröffentlicht am 8. Februar 2017 mit José Almudéver, Ehrenmitglied des KFSR 1936-1939 e.V. / Siehe auch englische Fassung.
José Almudéver, der letzte lebende Angehörige der Internationalen Brigaden
Von: Denis Rogatyuk
„Obwohl wir von verschiedenen Orten kamen, war die Kameradschaft unter uns allen fantastisch. Wir führten hitzige Gespräche über alles“, sagte Almudéver.
Foto: Denis Rogatyuk / EFE
Veröffentlicht am 8. Februar 2017
Jetzt im Jahre 1997 erinnert sich der antifaschistische Veteran an die Schlachten, in denen er während des Spanischen Bürgerkrieges kämpfte, und beobachtet den weltweiten Kampf gegen die Rechten.
Geboren in Frankreich von Eltern aus spanischen Region Valencia, war José Almudéver, ein 97-jähriger Veteran der Spanischen Republikanischen Armee und der Internationalen Brigaden, seit jeher ein entschiedener Verteidiger der historischen Erinnerung an die Spanische Republik, die von 1931 bis 1939 währte. Er blieb auch stets ein scharfer Kritiker des Nicht-Interventions-Paktes von 1936, der von allen großen westeuropäischen Mächten mit dem ausdrücklichen Ziel, militärische Unterstützung für die kriegsführenden Seiten im spanischen Bürgerkrieg (1936-39) zu verhindern, unterzeichnet worden war.
Von Anfang an wurde der Pakt von Nazi-Deutschland und dem faschistischen Italien zynisch ignoriert, deren militärischer Beistand für die von General Francisco Franco geführten nationalistischen Kräfte weitgehend zur Niederlage der Republik beitrug, die wiederum lediglich unzureichende Unterstützung durch die Sowjetunion erhielt.
ANALYSE:
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Als 17-jähriger Jugendlicher trat Almudéver einer Bürgerwehr bei, die von der Spanischen Sozialistischen Jugend (JSU) in seiner Heimatstadt Alcàsser gegründet worden war. Nach dem 18. Juli 1936, dem Tag des Putsches Francos gegen die Republik, kämpfte er bis zum Ende des gleichen Jahres in der Nachhut der Republikanischen Armee um Teruel (Süd-Aragon). (Gleichzeitig gewannen die Streitkräfte Francos im Nordwesten des Landes stetig an Boden.)
Im Mai 1938 schloß sich Almudéver wegen seiner ausländischen Herkunft und seiner Französischkenntnisse der 129. Division der Internationalen Brigaden an. Am Ende des Krieges im März 1939 wurde er gefangengenommen und in eine Reihe von Konzentrationslagern und Gefängnissen um Alicante und Madrid gebracht, wo er ständig Hungersnot und Misshandlungen durch die Franco-Truppen erleiden musste. Wie viele andere ehemalige republikanische Kämpfer wurde er ins Exil gezwungen – nach Frankreich im August 1947 – und kehrte erst 1965 nach Spanien zurück.
Jetzt lebt Almudéver in der ländlichen französischen Stadt Pamiers, südlich von Toulouse, und tritt genauso leidenschaftlich für die Sache der Internationalen Brigaden und den Kampf gegen den Faschismus ein, wie er es vor mehr als 80 Jahren getan hat. Trotz seines fortgeschrittenen Alters beteiligt er sich aktiv an Veranstaltungen, Foren und Vorträgen über die historische Erinnerung an den Spanischen Bürgerkrieg. Zuletzt war er Ehrengast bei der Gedenkfeier zum 80.Jahrestag der Internationalen Brigaden in Madrid, wo er den „Garten der Internationalen Brigaden“ einweihte – einen der ersten öffentlichen Räume in Madrid, gewidmet der offiziellen Würdigung der ausländischen Freiwilligen in Madrid.
Zusammen mit seinem 99-jährigen Bruder Vicente, einem weiteren Veteranen der Republikanischen Armee, ist Almudéver einer der letzten verbleibenden Veteranen des verheerenden Konflikts und einer der letzten drei bekannten überlebenden Mitglieder der Internationalen Brigaden.
Denis Rogatyuk setzte sich mit dem alten Brigadisten zusammen, um sprach über seine Erfahrungen im Bürgerkrieg und dessen Nachwirkungen.
Rogatyuk: Du warst nur 12, als die Republik am 14. April 1931 proklamiert wurde. Wie erinnerst du dich an die Atmosphäre jener Tage?
Almudéver: Da ich nur 12 Jahre alt war, kenne ich weder, noch verstand ich alle Ereignisse, die mich umgaben, wurde jedoch Augenzeuge großer Veränderungen in meiner Heimatstadt Alcàsser. Die Mehrheit der Arbeitenden waren Bauern. Das Analphabetentum war über 60% und ein einziger Grundbesitzer kontrollierte über 10% des Landes. Die Bourgeoisie glaubte, dass sie durch die Unwissenheit des Volkes ständig Wahlen gewinnen könne. Der 14. April war ein Ereignis von unglaublicher Freude für das spanische Volk. Ich erinnere mich an die erste euphorische Woche und die Explosion der Freiheit in den Straßen, als Leute aller politischen Gruppen zusammen marschierten und und Bilder der revolutionären Märtyrer und Führer mitführten. Zwei davon waren Fermín Galán und Angel García Hernandez, zwei Armeekommandeure, die im Dezember 1930 einen militärischen Aufstand versuchten, aber während der letzten Monate der Monarchie gefangen genommen und erschossen wurden.
Meine Eltern und ich fragten uns: Hatten wir jetzt wirklich eine Arbeiterrepublik, die wir hofften, in der Verfassung verankern zu können oder würde die Zweite Republik mehr den Interessen der Bourgeoisie dienen ?
Die Republik brachte einige wichtiger Fortschritte. Zum ersten Mal wurden weltliche Schulen geschaffen, um Kinder zu bilden. Die Republik war auch die erste Regierung, die Frauen die Gleichberechtigung gewährte. Frauen konnten jetzt wählen, sie konnten jetzt gewählt werden und sich bilden.
Gleichzeitig war es die Form einer kapitalistischen Republik, nicht anders als die Französische Republik nach der (französischen) Revolution. Und genau wie damals, behielt die Bourgeoisie die Macht.
Weder die Unterdrückung noch die Androhung des Militärputsches, wie die von General Sanjurjo (im August 1932), verschwanden irgendwann wirklich. Im November 1933, als die republikanischen Regierung sich erschöpft hatte, gewann die konservative Bourgeoisie die Wahlen. Die Arbeiter konnten es nicht verstehen, wie mit dem Republikaner Manuel Azaña und den Sozialisten in der Regierung die Linke so viel Unterdrückung erleiden musste.
R: Du hast die Mehrheit deiner Zeit damit verbracht, Alcàsser und Valencia vor den Faschisten zu verteidigen. Wie fühlte es sich für dich an, zusammen mit deiner Familie gegen die Truppen Francos zu kämpfen?
Almudéver: Nach Francos Putsch im Juli 1936, abgesehen von der regulären Armee, bildete jede politische Partei ihre eigene freiwillige militärische Kraft. Zuerst versuchte ich mich für die Formation „Germanias“ von Izquierda Republicana (republikanische Linke) einzuschreiben, wurde aber weggeschickt, weil ich erst 17 Jahre war. Mein Vater und ich versuchten dann zu der Kommunistischen Partei zu gehen, aber die sagten, dass sie weder Waffen noch Ausbilder hätten, um neue Freiwillige auszubilden. Schließlich schickten sie mich zu einer sozialistischen Truppe, die ihr Hauptquartier in einem Kloster in Alcàsser hatte. Ich trug mich am 15. August bei der Gruppe „Pablo Iglesias“ ein und wir gingen am 13. September an die Front.
Dort waren 200 von uns. Jeder von uns hatte ein Gewehr. Die Leute von Valencia applaudierten uns mächtig, als wir unseren Weg nach Teruel machten (damals von Franco Truppen gehalten). Ich verbrachte einige Monate in der Nachhut um Valacloche und Cubla (in der Teruel Provinz), bis wir endlich unseren Befehl erhielten, am 26. Dezember Teruel anzugreifen, um die Verteidigung von Madrid zu unterstützen.
ANALYSE:
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Unser „Pablo Iglesias Bataillon“ hatte damals über 500 Mann. Ich verbrachte neben anderen Milizen einige Wochen in den Schützengräben bis zum 4. Februar 1937, als ich nach Alcàsser zurückkehren durfte.
R: Wie wurdest Du Teil der Internationalen Brigaden ?
Almudéver: Am 19. Februar bin ich mit meinen Kameraden in Utiel (Provinz Valencia) an die Front gekommen. In Utiel trafen wir uns mit der 13. Internationalen Brigade und ich hörte einige von ihnen Französisch sprechen. Einer von ihnen sagte mir, dass sie in Málaga an die Front gebracht werden. Ich fragte sie, ob ich mit ihnen kommen und mich den Brigaden anschließen könnte. Aber während ich darauf wartete, dass er zustimmte, musste die 13. Brigade abmarschieren.
Am 26. Juni kam der Befehl vom Verteidigungsminister der Republik, der 17-jährigen in Frankreich geborenen Jugendliche wie mir die Mitgliedschaft in der Republikanischen Armee verbot. Also musste ich die Truppe verlassen und nach Alcàsser zurückkehren. Am 1. September wurden alle zum Militärdienst aufgerufen, die 1919 geboren worden waren. Aber als ich mich meldete, war mein Name nicht auf der Liste, und ich musste erklären, dass ich in Frankreich geboren wurde. Da sie mir als Ausländer verboten in der Armee zu dienen, kehrte ich als Freiwilliger an die Frontlinie zurück.
Es war im Mai 1938, dass ich mich schließlich bei der italienischen Rosselli-Formation in Alcàsser vorstellte. Damals genaß ich gerade von einer Armverletzung erholte und musste wiederzugeteilt werden. Dem Kommissar der Rosselli-Formation zeigt ich meine Geburtsurkunde, woraus hervorging, dass ich in Marseille geboren worden war, und kam schließlich unter das Kommando der 129. Internationalen Brigade.
R: Was erinnert Dich an die Männer und Frauen, die aus der ganzen Welt kamen, um für die Republik zu kämpfen?
Almudéver: In der Rosselli-Formation, während wir auf unsere Artillerie-Stücke warten, lernte ich Kämpfer aus der ganzen Welt kennen. Wir hatten einen Kanadier, drei Kubaner, unser Chefmechaniker war ein Amerikaner, einer war Holländer, ein anderer war Deutscher, ein anderer Schweizer und ein anderer wiederum Chinese. Meistens haben wir uns nicht namentlich kennengelernt, sondern nach der Nationalität. Mit meinem kanadischen Kameraden David, ging ich überall zusammen hin. Ich französisch-spanisch und er kanadisch, verstanden wir uns kaum gegenseitig, aber wir wurden gute Freunde. Obwohl wir von verschiedenen Orten kamen, war die Kameradschaft unter uns allen fantastisch. Wir führten hitzige Gespräche über alles, vor allem über den Krieg und die Republik, hatten aber niemals Konflikte. Ich blieb in der Rosselli-Formation bis November 1938, als es dann in verschiedensprachige Gruppen aufgeteilt und an die Front geschickt wurde, während ich in Alcàsser blieb. Im Dezember 1938 kam der Nicht-Interventions-Ausschuss, der von Großbritannien und Frankreich geleitet wurde, nach Spanien, und im Januar 1939 wurden die Internationalen Brigaden auf deren Druck hin ausgewiesen.
R: Glaubst du, dass die Nichteinmischung von Großbritannien und Frankreich der Grund war, das die Republik am Ende zerstörte?
MEINUNG:
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Almudéver: Natürlich. Die republikanische Regierung von Azaña beschloß, die Internationalen Brigaden in der Hoffnung auszuweisen, dass Franco eine ähnliche Haltung einnehmen und das gleiche mit den ihm unterstützenden ausländischen Armeen tun würde. Er tat es nicht.
Die Brigadisten waren zahlenmäßig unterlegen und die ausländischen Truppen auf der anderen Seite umfaßten mehr als 80.000 und mit weit besseren Waffen. Dazu mussten wir noch die antisowjetische und antikommunistische Propaganda der demokratischen kapitalistischen Länder ertragen.
Die Republik wurde auf bittere Art und Weise in die Hände des Nationalsozialismus gegeben, weil die britischen und französischen Führer glaubten, dass Hitler nur beabsichtigte, den Kommunismus ausrotten. Großbritannien und Frankreich weigerten sich, der Republik Waffen zu verkaufen oder ihr irgendwelche Hilfe zu gewähren, während die Vereinigten Staaten weiter mit Franco Handel betrieben.
Als General Franco von den Kanarischen Inseln nach Tetuan in einem deutschen Flugzeug (am 17. Juli 1936) geflogen wurde, trafen gleichzeitig mit ihm die Unterstützung und die ausländischen Armeen all jener ein, die den faschistischen Putsch und dessen Seite im Krieg unterstützten. Über 3.000 Deutsche, 12.000 Portugiesen, 15.000 Mauren, 30.000 Mitglieder der „Fremdenlegion“ und 70.000 Italiener trafen ein, um die Bildung der Franco-Armee zu unterstützen.
Wie kann man das einen Bürgerkrieg nennen ?!
Ich erinnere mich, diese Nachricht von den Spaniern zu hören, die nach Frankreich flüchteten als Franco seine Invasion in Katalonien begann. Nur 5 km südlich von hier (Pamiers) wurden Konzentrationslager für sie errichtet. In einem von ihnen – Bernedarieja – starben viele an Unterernährung. Nur um die französisch Sprechenden und die Ausländer, die in Frankreich wohnten, wurde sich gekümmert.
R: Wenn wir heute über die Weltlage sprechen, sehen wir ein ähnliches Bild – einen Bürgerkrieg in Syrien, das Anwachsen von rechtsextremen Kräften in Europa und den USA und eine hohe soziale und wirtschaftliche Ungleichheit. Was kannst du über all das sagen?
Almudéver: Alles Üble in dieser Welt kommt vom Kapitalismus. Das Geld muss verschwinden, damit die Welt wieder menschlich werden kann. Schau, was in Syrien geschieht. Wer hat die Dschihadisten geschickt? Wie haben sie ihre Waffen erworben? Wer hat das Öl von den Ölquellen gekauft, die sie besetzt haben ? Und was machen sie mit dem Geld, das sie bekommen haben ?
MEINUNG:
The Battle Against Trumpism and Specter of 21st Century Fascism
(Die Schlacht gegen Trumpismus und das Gespenst des Faschismus des 21. Jahrhunderts)
Der Faschismus folgt direkt aus dem Niedergang des Kapitalismus. Hier in Frankreich mit Madame Le Pen. Ich wäre nicht überrascht, wenn sie der nächste Präsident wird und die französische herrschende Klasse sie danach unterstützt. Für unsere nächsten Wahlen gibt es fünf linke Kandidaten für die Präsidentschaft der Republik. Fünf! Was für Sozialisten sind sie? Einer von ihnen, der Premierminister Manuel Valls hat das „El Khomri“ Arbeitsgesetz durchgedrückt (benannt nach der Arbeitsministerin Myriam El Khomri, d. Ü.) !
Der einzige, der das alles in Frankreich beheben könnte, ist Jean Luc-Mélenchon, während alle anderen gerne der Regierung von Le Pen dienen würden. Leider ist das Spiel gegen Mélenchon schon abgesprochen. Warum wollen die Linken nicht ihre Kräfte zusammenlegen, anstatt sich gegenseitig zu bekämpfen?
Doch die neuen (spanischen) Linkskräfte geben mir viel Hoffnung. Ich verstehe die sozialistische Partei (PSOE) nicht mehr, die nichts mit denen zu tun hat, die sich Sozialisten nennen. Ein Sozialist sucht immer das Beste für die Arbeiterklasse, aber vor allem will er mit ihnen sein. Man kann erwarten, dass die Dinge mit Podemos besser laufen, als das, was wir mit dem Bürgermeister von Madrid (Manuela Carmena) erleben.
(Volkspartei-Premierminister Mariano) Rajoy fliegt raus, aber das wird nicht dank der PSOE geschehen.
Denis Rogatyuk ist ein russisch-australischer politischer und gewerkschaftlicher Aktivist mit Sitz in Melbourne. Er war aktiv in der Solidaritätsarbeit für Lateinamerika tätig und nahm an den Solidaritätsbrigaden für Kuba und Venezuela 2012 und 2013 teil. Er berichtete auch für die „Grüne Linke Wochenzeitung“ aus Ecuador und Bolivien.
Anmerkung der redaktion KFSR: Ein wundervolles Interview und eine wohlverdiente Würdigung. Der Titel ist jedoch irreführend, da es der Artikel selbst deutlich macht, dass Jose’s 99-jähriger Bruder, Vicente Almudever, auch ein überlebender Veteran ist.
Siehe www.albavolunteer.org/…/80th-anniversary-celebrations-in-p…/ für Len und Nancy Tsou’s Bericht und Diashow der Internationalen Brigade Gedenken im vergangenen Oktober, mit Vicente in Paris und Jose in Benicassim.
Siehe https://m.youtube.com/watch?v=2tlwVJc0BLs für Vicente, der seinen 98. Geburtstag im Dezember 2015 in der Gesellschaft von Jose feierte.
Übersetzung aus dem Englischen von Herbert Grießig