Titelfoto: William Krehm, geboren 1913. James M. Ireland.
Der letzte Lebende
Von den 1.600 freiwilligen Kanadiern im Spanischen Bürgerkrieg ist nur noch einer übrig. Von Michael Petrou
1. Dezember 2016
William Krehm verglich den Spanischen Bürgerkrieg einst, als es noch so aussah, als könnten die Antifaschisten gewinnen, mit einem Sonnenaufgang – ein kurzer Moment des Lichts, der letztendlich von den Wolken der Niederlage verdeckt und dem Zweiten Weltkrieg verschlungen wurde, der ganz Europa in Dunkelheit tauchte und den Einsatz jener verdüsterte, die sich dem ersten Aufkommen des Faschismus entgegengestellt hatten.
Er ist heute einer von jenen, die sich daran erinnern können, wie sich das Licht anfühlte und warum es den Kampf dafür wert war. Krehm war einst unter jenen zehntausenden internationalen Freiwilligen, die während des Bürgerkrieges 1936 – 1939 nach Spanien gingen, um einen durch Franco geführten und durch die bewaffneten Kräfte von Benito Mussolini und Adolf Hitler (mit Waffen, Soldaten und Terrorbombardements schutzloser ziviler Städte) unterstützten faschistischen Putsch zu bekämpfen.
Mehr als 1.600 Freiwillige stammten aus Kanada, eine Legion von Holzfällern, Barackenarbeitern, Bergleuten, Immigranten, Arbeitslosen sowie einiger weniger Intelektueller, wie Krehm. Ihre Leben wurden durch die Große Depression und einer durch eine wachsende Welle des Faschismus angesteckten Politik zerstört, den die westlichen Demokratien eher befrieden oder ignorieren wollten. Circa 400 Kanadier starben in Spanien, liegengelassen, wo sie gefallen waren, oder in anonymen Gräbern verscharrt. Von den Überlebenden sind seitdem alle außer Krehm verstorben.
Revolutionen werden nie wirklich niedergeschlagen, zumindest nicht für immer.
Der letzte amerikanische Freiwillige, Delmer Berg, verstarb in diesem Jahr und provozierte eine einmalige Würdigung durch den US-Senator John McCain, der Berg seine Hochachtung aussprach, “weil er sein Leben einer verlorenen Sache geopfert hatte, einem Volk, das ihm fremd war, dem gegenüber er jedoch eine Pflicht empfand und das er nicht im Stich ließ”. Stan Hilton, der letzte britische Kriegsveteran, starb im Oktober. Von den 35.000 Internationalisten, die Spaniens Kampf beitraten, wird nur eine kleine Handvoll noch am Leben sein.
Krehm, der am 23. November 103 Jahre alt geworden ist, geht Nachfragen nach seiner Langlebigkeit und seiner einmaligen Stellung aus dem Wege. Er bezeichnet die Frage als lächerlich. Doch gibt es keine Unsicherheit darüber, warum er zuallererst nach Spanien ging. Die Antwort ist ihm heute so klar, wie vor achtzig Jahren als frischgebackener Absolvent der Universität von Toronto. “Öffnete man seinen Geist nicht für die Vorgänge in Ländern wie Spanien, so war man blind für die Freiheit,“ sagt er. “Spanien hatte einen Punkt erreicht, der nach Demokratie schrie.”
Unter den Ausländern in Spanien war Krehm Teil einer kleinen Minderheit. Die meisten Freiwilligen waren in den Internationalen Brigaden eingeschrieben, die durch die Internationale der Sowjetunion organisiert wurden, selbst wenn viele der kanadischen Fußsoldaten keine Parteimitglieder oder weniger engagierte Kommunisten waren. Das letzte kanadische Mitglied der Internationalen Brigaden, Jules Paivio, verstarb im Jahr 2013. Krehms Politik war viel revolutionärer. Er trat der Arbeiterpartei der marxistischen Vereinigung (Partido Obrero de Unificación Marxista oder POUM) bei, der gleichen Einheit, in der George Orwell diente, als er an der Front von Aragón einen Halsdurchschuss erlitt. Die beiden trafen sich oft in Cafés von Barcelona zum Schwatz.
Krehm war der Überzeugung, dass die Art des Kommunismus, die durch die Sowjetunion und ihre Verbündeten in Spanien propagiert wurde, kaum besser war, als eine rot gefärbte Diktatur von Franco. Er träumte von einer radikalen Revolution. Und in Teilen Spaniens, insbesondere in Katalonien, explodierte in den frühen Tagen des Bürgerkrieges etwas Ähnliches wie dieser Traum. Arbeiter und Bauern übernahmen die Kontrolle über ihr Land und regierten sich selbst. “All die niedergeschriebenen Zeilen der Arbeiterlieder schienen Inhalt und Seele bekommen zu haben und in Spanien zu marschieren. Es war zu schön, um wahr zu sein,” sagte Krehm 1965 in einem Interview.
Für einige Zeit legten die verschiedenen Teile der spanischen antifaschistischen Koalition all ihre Differenzen beiseite, um sich auf den Sieg über Franco zu konzentrieren. Doch hielt das nicht an. Von den westlichen Demokratien verlassen, die ihre Verbündeten hätten sein müssen, wurde die spanische Regierung zunehmend von der Sowjetunion abhängig. Sie verbot im Juni 1937 die POUM. Krehm, der eher ein Propagandist der Partei, als ein Soldat war, befand sich unter den Verhafteten. Er wurde nach drei Monaten im Gefängnis befreit – eine Erfahrung, die einige seiner Genossen der POUM nicht überlebten. Krehms Erinnerungen wanderten nach Spanien und dann nach Lateinamerika, wo er nach dem Krieg acht Jahre als Auslandskorrespondent verbrachte, um dann nach Spanien zurückzukehren. “Ich denke, dass ich in Spanien sehr viel über die Entwicklung des revolutionären Gedankenguts gelernt habe, oder zumindest einen großen Teil davon in Spanien, und ich danke meinen Sternen dafür, dass ich daran teilhaben durfte”, sagt er.
Krehm sagt, er sei stolz auf das, wofür er sich in Spanien eingesetzt hatte. Er verweist auf ein Gedicht von Charles Donnelly, einen irischen Schriftsteller, den Krehm kannte und der als Mitglied der Internationalen Brigaden vor Madrid fiel. “Und ich bin mir sicher, dass der Vater meines Freundes hier sehr stolz darauf wäre, wofür sein Sohn kämpfte”, sagt er.
Übrigens, Revolutionen werden niemals wirklich besiegt, zumindest nicht für immer. “Ich erinnere mich daran vor allem in Spanien, dass, beginnend in den Bergen und voranschreitend zum Meer, eine riesige Bewegung der menschlichen Revolution stattfand”, sagt Krehm. “Sie kann für eine Weile verschüttet werden, doch wird sie sich früher oder später Geltung verschaffen.”
Michael Petrou ist Gastdozent am Institut für Studien zum Völkermord und Menschenrechten Montreal (Montreal Institute for Genocide and Human Rights Studies).
Übersetzung: „jowi-uebersetzungen.de“
Last Man Standing – Of the 1,600 Canadians who volunteered to fight in the Spanish Civil War, only one remains. By Michael Petrou · Dec. 1, 2016.
William Krehm once compared the Spanish Civil War, when it still seemed as if the anti-fascists might win, to a sunrise—a brief moment of light that was eventually clouded by defeat, and then swallowed by the Second World War that covered all of Europe in darkness, obscuring the stand made by those who tried to stop fascism’s first rise.
He is now one of the very few who can remember how that light felt and why it was worth fighting for. Krehm was once one among tens of thousands of international volunteers who went to Spain during its civil war of 1936 to 1939 to fight a fascist uprising led by Francisco Franco and backed—with weapons, soldiers, and the terror-bombing of defenceless civilian towns—by the armed forces of Benito Mussolini and Adolf Hitler.
More than 1,600 volunteers were from Canada, a legion of lumberjacks, relief camp workers, miners, immigrants, unemployed, and a few intellectuals including Krehm. Their lives had been crushed by the Great Depression and politics inflamed by a rising tide of fascism that the Western democracies preferred to appease or ignore. Some 400 Canadians died in Spain, left where they fell or buried in unmarked graves. Of those who survived, all but Krehm have since died.
The last American volunteer, Delmer Berg, died earlier this year, eliciting an unlikely tribute from US Senator John McCain who saluted Berg, a communist, because he “ransomed his life to a lost cause, for a people who were strangers to him, but to whom he felt an obligation, and he did not quit on them.” Stan Hilton, the last British veteran of the war, died in October. Of the 35,000 internationals who joined Spain’s fight, only a small handful from other countries may still live.
Krehm, who turned 103 on November 23, deflects inquiries about his longevity and unique status. He calls the question ridiculous. But there is no uncertainty about why he went to Spain in the first place. The answer is as clear to him today as when he was a recent graduate of the University of Toronto eighty years ago. “If one did not open one’s mind to what was happening in countries like Spain, one was blind to what is liberty,” he says. “Spain had reached a point that cried for democracy.”
Among foreigners in Spain, Krehm was part of a tiny minority. Most volunteers enlisted in the International Brigades, which were organized by the Soviet Union’s Communist International—even if many of the Canadian foot soldiers in them were not party members, or were indifferent communists. The last Canadian member of the International Brigades, Jules Paivio, passed away in 2013. Krehm’s politics were far more revolutionary. He joined the Partido Obrero de Unificación Marxista, or POUM, the same unit with which George Orwell served when he was shot through the throat on the Aragón front. The two used to chat in Barcelona cafés.
Krehm believed the brand of communism propagated by the Soviet Union and its allies in Spain was little better than Franco’s dictatorship painted red. He dreamed of radical revolution. And in parts of Spain, especially in Catalonia, something like that dream erupted in the early days of the civil war. Workers and farmers took control of their land and ruled themselves. “All the lines of all the labour songs that had been written seemed to have taken on flesh and spirit and to be marching in Spain. It was too good to be true,” Krehm said in an interview in 1965.
For a time, the various elements of Spain’s anti-fascist coalition put their differences aside to focus on defeating Franco. It didn’t last. Abandoned by the Western democracies that should have been its allies, the Spanish government became increasingly dependent on the Soviet Union. It outlawed the POUM in June 1937. Krehm, who was a propagandist for the party rather than a soldier, was among those arrested. He was freed after three months in jail—an experience some of his comrades in the POUM did not survive. Krehm’s memories drift to Spain and then to Latin America, where he spent eight years as a foreign correspondent after the war, and back to Spain. “I think that I learned a great deal about the development of revolutionary thought in Spain, or at least in large portions of Spain, and I thank my stars that I was able to participate in that,” he says.
Krehm says he’s proud of what he tried to accomplish in Spain. He points to a poem written by Charles Donnelly, an Irish writer Krehm knew who died fighting outside Madrid as part of the International Brigades. “And I’m sure that the father of my friend here would be very proud of what his son is up to,” he says.
Besides, revolutions are never really defeated, at least not forever. “I remember this above all in Spain, that starting with the mountains and working towards the sea, there has been a huge process of human revolution,” Krehm says. “It can be buried for a while but it is bound to assert itself.”