Aus aktuellem Anlass – des bevorstehenden 80. Todestages Hans Beimlers am 01. Dezember 2016 – veröffentlichen wir noch einmal einen Beitrag von Werner Abel in der Tageszeitung „neues deutschland“ (nd) vom 01.12.2016.
Von Werner Abel – 01.12.2011 – Literatur – Politisches Buch
Ein Unbeugsamer und Unbequemer
Hans Beimler: »Im Mörderlager Dachau« – frühe Anklage eines Menschen verachtenden Systems
Hans Beimler in Spanien, 1936 Foto aus dem Buch
Der schlichte, schon halb versunkene Grabstein im Steinbruch Fossar de la Pedrera auf dem Montjuïc bei Barcelona trägt die katalanische Aufschrift »Hans Beimler, 1895-1936, Interbrigadist, Gefallen bei der Verteidigung der Sache der Freiheit«. Der Stein lässt nicht ahnen, dass hier eines Toten gedacht wird, bei dessen Überführung von Madrid über Albacete und Valencia nach Barcelona mehr Menschen die Straßen säumten als je bei einem spanischen König. Beimler war Symbol der internationalen Solidarität für die Spanischen Republik in ihrem Abwehrkampf gegen den rechtsgerichteten Putsch der Militärs um General Francisco Franco.
Dem deutschen Kommunisten und Reichstagsabgeordneten der KPD war in der Nacht vom 8. zum 9. Mai 1933 die Aufsehen erregende Flucht aus dem Konzentrationslager Dachau gelungen, wohin er nach seiner Verhaftung am 11. April gebracht worden war. Hilmar Wäckerle, der erste Kommandant des KZ, war außer sich vor Wut. Nicht minder groß war die Verärgerung seines Nachfolgers Theodor Eicke, des späteren Inspekteurs aller Konzentrationslager, als er hören musste, dass Hans Beimler – inzwischen in die Sowjetunion gelangt – schon am 19. August 1933 den weltweit ersten Erlebnisbericht aus einem deutschen KZ in der »Verlagsgenossenschaft ausländischer Arbeiter in der UdSSR« veröffentlichte. Der Bericht erschien in der Folge auch in anderen Sprachen. Beimler schildert in einer sehr emotionalen Sprache die selbst erlebten Misshandlungen und Folterungen ebenso wie die Morde an den Mitgefangenen.
Der PapyRossa Verlag legte nun – rechtzeitig zum 75. Todestag Hans Beimlers am 1. Dezember – dessen Erlebnisbericht wieder auf, dankenswerterweise in der Fassung der ersten, heute kaum noch auffindbaren Auflage. Auch die beiden DDR-Ausgaben von 1976 bzw. 1980 sucht man heute vergeblich. Die Neuauflage besorgte der Münchner Historiker Friedbert Mühldorfer, der dem Band eine textkritische Einführung und eine biografische Skizze beifügte. Auf dem biografiengesättigten Buchmarkt gab es bisher keine objektive Lebensbeschreibung des Mannes, der einer der bekanntesten deutschen Kommunisten war.
Mühldorfer berichtet über einen kämpferischen, parteiischen, dickschädeligen, aufbrausenden, eigensinnigen, hilfsbereiten, oft mit der Partei in Differenzen geratenden Menschen, der wegen des Selbstmords seiner Frau und einer Beziehung zu einer jüngeren Genossin, die er wenig später heiratete, fast aus der Partei ausgeschlossen worden wäre. 1932 wurde Baimler Landtagsabgeordneter in Bayern und auch Abgeordneter des Reichstags. In der Emigration bekam er Probleme wegen einer Spitzel-Affäre in seinem Verantwortungsbereich. In Paris war er mit einer Frau befreundet, die Verbindungen zu Trotzkisten hatte. Diese sehr menschliche und oft nicht lupenreine Biografie macht Beimler sympathischer als der Heroenkult um ihn je erreicht hatte.
Beimler war einer der ersten deutschen Kommunisten, die nach Spanien kamen, um der von den Putschisten bedrängten Republik zu helfen. Hier hatte er einen großen Anteil an der Aufstellung der »Columna Thaelmann«, der ersten bewaffneten Einheit deutscher Freiwilliger. Gleichzeitig fungierte er als Beauftragter der KPD für die deutschen Kommunisten und als Verbindungsmann zum PSUC, der katalanischen kommunistischen Partei. Beimler sei, so schrieb die Zeitung »Milicia Popular« des legendären 5. Regiments am 3. Dezember 1936, der politisch Verantwortliche für die deutschen Internationalisten gewesen. Mühldorfer stellt klar, dass er weder Politischer Kommissar war noch irgendeine militärische Funktion hatte, wie das später wiederholt behauptet wurde. Er war eine Autorität, ausgesprochen beliebt nicht nur bei seinen Genossen. Seine Stimme fand oft Gehör. Er mischte sich ein, wenn er der Meinung war, dass seine Hilfe gebraucht würde. Dabei erregte er nicht selten das Missfallen der militärischen Führung. Auch politische Differenzen muss es gegeben haben, denn der Sozialist Justo Martínez Amutio, dem als Zivilgouverneur von Albacete die Base der Internationalen Brigaden juristisch unterstand, gibt in seinen Erinnerungen kritische Äußerungen von Beimler über die Politik Stalins und Cliquenwirtschaft bei den Internationalen sowie dessen Unverständnis darüber wieder, dass es nicht gelungen sei, Thälmann in Deutschland vor der Verhaftung zu bewahren.
Ende November 1936 waren die schweren Kämpfe um Madrid abgeflaut und der Angriff der Franco-Truppen zum Stehen gebracht worden. Am »Wunder von Madrid« hatten die Internationalen Brigaden einen hohen, vor allem moralischen Anteil. Vor seiner Abreise nach Barcelona wollte Hans Beimler am 1. Dezember mit seinem Begleiter Franz Vehlow (»Louis Schuster«) die Stellungen des Thälmann-Bataillons besuchen. Allen Warnungen zum Trotz benutzte er einen von franquistischen Scharfschützen, wahrscheinlich Marokkanern, einsehbaren Hohlweg unweit des zur Universität gehörenden Musterguts »El Palacete«. (Ganz in der Nähe befindet sich heute übrigens der Sitz der spanischen Regierung, der »Palacio de la Moncloa«).
Was in den nächsten Minuten wirklich geschah, wird wahrscheinlich nie mehr definitiv aufgeklärt werden können, zu unterschiedlich sind die Aussagen der Zeitzeugen. Nach offizieller Darstellung wurde Beimler von einer Kugel mitten ins Herz getroffen und war sofort tot. Vehlow, der ihm zu Hilfe eilen wollte, wurde am Kopf verletzt und verstarb ebenfalls kurz darauf. Schnell wucherten Gerüchte, Beimler, der Unbequeme, der Unangepasste, sei von den eigenen Leuten umgebracht worden. Die Mord-These wurde vor allem von Beimlers Freundin Antonia Stern vertreten, die nach Beimlers Tod sofort nach Barcelona eilte, dort vom Abwehrdienst der KPD massiv behindert wurde und danach erfolglos versuchte, ihre Ansichten zu veröffentlichen.
In den 80er Jahren lebte die Diskussion wieder auf, als Walter Janka, der als Offizier in Spanien gekämpft hatte, einen Brief von Wilhelm Zaisser (»General Gómez«) an Manfred Stern (»General Kléber«) veröffentlichte, nach dem Zaisser Stern gebeten habe, Beimler aufzufordern, sich nicht in die Belange der Interbrigaden einzumischen. Dieser Brief, den Janka an Erich Honecker mit der Bitte schickte, ihn an das Institut für Marxismus-Leninismus weiterzuleiten, ist seitdem verschollen. Den Zaisser-Brief hatte Charlotte Janka angeblich im Archiv der spanischen KP gefunden. Verwunderlich ist, dass in all den Jahren sich kein Historiker die Mühe gemacht hat, an diesem Ort das Original zu finden. Janka, der nach seiner Verhaftung 1956 vom MfS demütigend behandelt worden war, bezog Mielke in den Mordvorwurf ein. Damit aber überzog er völlig, denn Mielke war ob seiner Funktion überhaupt nicht in der Lage, sich an einer derartigen Aktion zu beteiligen. Auch über Zaisser, der zu dieser Zeit mit dem Aufbau der XIII. Internationalen Brigade beschäftigt war, liegen diesbezüglich keine Angaben vor. Außerdem ist in den sowjetischen Archiven, in denen ja die meisten Akten der Internationalen Brigaden lagern, bis heute kein Hinweis auf einen Mord an Beimler gefunden worden. Die meisten Historiker sind sich darin einig, dass es franquistische Kugeln waren, abgefeuert von einem Marokkaner, die Beimler und Vehlow todbringend trafen.
Am 3. Dezember 1936 fand im Kino »Royalty« in Madrid eine Gedenkfeier für Hans Beimler statt, auf der Vertreter der KPD, der Internationalen Brigaden und der spanischen Kommunisten, Sozialisten und Anarchisten sowie Pietro Nenni als Vertreter der II. Internationale sprachen. Beimler wurde als Repräsentant des besseren Deutschland und als entschiedener Kämpfer gegen den Faschismus gewürdigt.
Mühldorfer geht auch dem Schicksal der Kinder Beimlers nach. Bitternis erregt, dass sein Sohn Hans, Jg. 1917, als Angehöriger einer erfundenen »Hitlerjugend« in Leningrad 1938 vom NKWD festgenommen worden war und wohl nur durch Glück mit dem Leben davonkam, die UdSSR verlassen konnte. Vielleicht war es das Andenken an seinen Vater, das ihn vor der Exekution rettete?
Hans Beimler verstand seine Schrift über das »Mörderlager Dachau« als Warnung an diejenigen, die sich über die Nazis noch Illusionen machten. So hat neben dem historischen Interesse diese Neuauflage, in der ein Menschen verachtendes System angeklagt wird, angesichts der Neonazi-Morde in Deutschland heute auch eine erschreckend aktuelle Dimension.
Hans Beimler: Im Mörderlager Dachau. Hg. und um eine biografische Skizze ergänzt von Friedbert Mühldorfer. PapyRossa, Köln 2011. 195 ., br., 12,90 €.
Kommentar: max-stirner / 01. Dez 2011 10:07
Ich habe dieses Buch innerhalb von zwei Tagen gelesen und kann es nur weiterempfehlen. Nicht nur der Beimler-Bericht ist erschütternd, auch die angehängte Biographie ist sehr gut . Der Herausgeber ist ehrlich bemüht, die bisherige Darstellung von Beimlers Leben in Ost und West gerade zu rücken.
Während im Westen Deutschlands Beimler totgeschwiegen wurde und nur dann das Licht der westdeutschen Öffentlichkeit erblickte, wenn er gegen die DDR und die UdSSR instrumentalisiert werden konnte, so ist der Umgang mit seiner Person in der DDR schon etwas kultartiges. Wer denkt dabei nicht an den Mehrteiler des DDR-Fernsehens „Hans Beimler, Kamerad“ (1969), in dem man ihn heroisierte, ja nicht einmal davor zurückgeschreckt wurde, einige Fakten zu fälschen, wobei das Ältermachen seiner zweiten Frau Centa nur die kleinere Manipulation war.
Erwin Geschonneck schrieb in seiner Autobiographie, wie er und andere ehemalige KZ-Insassen erzürnt war(en), weil sie nicht, wie verabredet, vor der Abnahme des Films noch einmal hinzugezogen wurden.
Besonders regte sich Geschonneck darüber auf, wonach Beimler vor den KZ-Insassen in Dachau die „Internationale“ gesungen haben soll. Geschonneck, der selbst in Dachau war, aber lange nach Beimler, hat nie von einem solchen Auftreten gehört.
Geschonneck erwähnt in seinem Buch, daß er sich gerade auch gegen solche künstlerischen Darstellungen wendete; und er erhielt Zuspruch z.B. von Franz Dahlem: „Ich war angenehm überrascht, daß Du den Mut gefunden hast, einige der unmöglichen Stellen in dem Hans-Beimler-Film‘ offen zu kritisieren.“ Dahlem schrieb weiter, daß „nicht nur die KZler, sondern auch die Spanienkämpfer ein Interesse daran haben, bei solchen Themen ihre sachverständige Meinung zu äußern.“
Jetzt, wo aller ideologische und politische Druck entfällt, kann die Geschichte also so dargestellt werden, wie sie tatsächlich abgelaufen ist. Das vorliegende Buch leistet dazu einen kleinen und wichtigen Beitrag.