Titelbild: »Sie werden nicht durchkommen! Madrid wird das Grab des Faschismus.« – im November 1936 verhinderten die Republikaner die Einnahme der Hauptstadt durch die Truppen Francos. Foto: wikimedia.org/Commons/public domain.
Madrid hielt stand
Vor 80 Jahren trat die Schlacht um Spaniens Hauptstadt in ihre entscheidende Phase
Von Peter Rau
»Sie werden nicht durchkommen! Madrid wird das Grab des Faschismus.« – im November 1936 verhinderten die Republikaner die Einnahme der Hauptstadt durch die Truppen Francos
Foto: wikimedia.org/Commons/public domain
In seiner Autobiographie »Nuestra Guerra« berichtet das Mitglied der Führung der KP Spaniens und Chef-Kommandeur des von ihr aufgestellten »Fünften Regiments« 1966 über die Novembertage des Jahres 1936 in Madrid:
Am Nachmittag des 7. November erreichten unsere Einheiten Entrevias und begannen mit Anbruch der Dunkelheit, Villaverde (Vororte im Süden der spanischen Hauptstadt, P. R.) Haus für Haus zurückzuerobern. Der Zusammenprall zwischen den durch ihre Siege von Sevilla bis Madrid trunkenen Söldnern und den Verteidigern der Republik, die entschlossen waren, eher zu sterben als zu weichen, war brutal. Die I. Brigade war nicht nur entschlossen, keinen Schritt zurückzugehen, sondern führte, nachdem der Gegner zum Stehen gebracht worden war, Gegenangriffe. Sie kämpfte gegen die Söldner erbarmungslos, wobei Handgranaten und Bajonette die Hauptwaffen bildeten. So wurde in jeder Straße, in jedem Haus, in jeder Wohnung gekämpft, wobei man oft nicht mehr wusste, ob man Freund oder Feind vor sich hatte. Ein Ringen um jeden Fußbreit Boden entbrannte. Danach stabilisierten sich die Linien. Mit diesen Kämpfen gewannen wir zwar kein Gelände, sie hoben jedoch die Kampfmoral der Truppen, der Gegner wurde aufgehalten und geschwächt.
Am 7. November ging der Gegner zu örtlichen Angriffen über, während er gleichzeitig den großen Sturmangriff für den kommenden Tag vorbereitete. Am Morgen des 8. November, pünktlich nach Plan, begannen die feindlichen Kolonnen vorzugehen, stießen jedoch auf organisierten Widerstand. Diese vier Tage, vor allem der 7., 8. und 9. November, waren die entscheidenden, nicht weil diese Kämpfe blutiger waren als die folgenden, sondern weil das den Faschisten gebotene große Halt einen nachhaltigen Eindruck bei den Madridern hinterließ. In den Kämpfen wurde die Überzeugung neu geboren, dass es möglich war, den Gegner zu schlagen; und unter der Zivilbevölkerung entstand wieder das Vertrauen zu den Kämpfern der ersten Linie. Nach drei Monaten voller Rückschläge, nach falschen oder frisierten Kriegsberichten stand das Volk von Madrid Auge in Auge der traurigen Wirklichkeit gegenüber und begegnete ihr mit Mut. Die Franco-Leute hatten sich verkalkuliert. (…) Unter den Kämpfern und dem Volk gab es keine Verzagtheit, sondern das Gegenteil trat ein: Die Verteidiger der Hauptstadt bewiesen eine eiserne Disziplin und einen Kampfeswillen, der alles bisher Dagewesene übertraf.
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Im Herbst 1936, gut ein Vierteljahr nach dem Putsch aufrührerischer Militärs gegen die rechtmäßig gewählte Volksfrontregierung der Spanischen Republik, begann mit den Kämpfen um Madrid die erste große Schlacht des Krieges. Sie sollte wie dieser in die Geschichte eingehen. Von Norden, Süden und Westen her stießen die Truppen der Aufständischen auf die Hauptstadt vor. Bereits Mitte Oktober hatten sie insbesondere die südlichen Vororte der Metropole ins Visier genommen. Die mit Hilfe deutscher und italienischer Flieger von Nordafrika aus im Süden der Iberischen Halbinsel gelandeten Truppen des spanischen Afrika-Heeres, solche der Fremdenlegion und maurische Söldner hatten sich längst mit den Aufständischen aus den Garnisonen im Norden vereinigt.
General Emilio Mola, dem auf seiten der Putschisten der Oberbefehl für die gesamte Operation übertragen worden war, hatte bereits großspurig die Einnahme der Hauptstadt für den 12. Oktober 1936 angekündigt. An diesem Tag, dem zur Erinnerung an die Entdeckung Amerikas ausgerufenen spanischen Nationalfeiertag, woll(t)e er auf der Gran Vía, der Prachtstraße im Zentrum Madrids, eine Tasse Kaffee trinken. Die Rechnung war allerdings ohne den Wirt, sprich: ohne die Madrilenen gemacht. Denn der Einmarsch musste nicht nur wiederholt verschoben werden. Er fiel gänzlich ins Wasser – wenigstens für die beiden kommenden Jahre, solange die von der Kommunistin Dolores Ibarruri geprägte Parole »No Pasarán!« (»Sie werden nicht durchkommen!«) mit Leben erfüllt wurde.
Miliz-Verteidigung
Zunächst aber intensivierten Franco und Co. ihre Angriffe Richtung Madrid. Nachdem bereits Ende August faschistische Flieger aus Deutschland und Italien damit begonnen hatten, die Hauptstadt des Landes mit ihrem Bombenterror zu verwüsten, um den Widerstandswillen der Bevölkerung zu brechen, war es den Putschisten Anfang November gelungen, die Verteidiger Madrids durch den königlichen Park Casa de Campo im Westen der Stadt bis an und hinter den Fluss Manzanares zurückzudrängen. Dazu konnten die Aufrührer rund 40.000 Mann aufbieten. Auf der anderen Seite standen ihnen etwa ebenso viele Kämpfer gegenüber, an ihrer Spitze Tausende Antifaschisten aus dem sogenannten Fünften Regiment. Das war eine von der spanischen Kommunistischen Partei gebildete Miliz, deren erste Brigaden, einem Beschluss der Regierung folgend, im Begriff waren, sich zu regulären Einheiten der gerade entstehenden Volksarmee zu formieren. Hinzu kamen Milizen der Gewerkschaften und anderer Parteien sowie weitere, von örtlichen Komitees organisierte, freiwillige Verteidiger, die halfen, Schützengräben auszuheben, Barrikaden und sonstige Befestigungsanlagen zu errichten. Zwischen dem 8. und 11. November reihten sich übrigens auch die ersten beiden von der Kommunistischen Internationalen aufgestellten Brigaden ausländischer Freiwilliger mit jeweils rund 1.500 Kämpfern in die Front der Verteidiger der Hauptstadt ein. Mitte November traf zudem eine 3.000 Mann zählende, von Buenaventura Durruti geführte Kolonne anarchistischer Kämpfer aus Katalonien in Madrid ein.
Nach der Verlegung des Sitzes der Regierung, die unmittelbar zuvor noch um vier anarchistische Minister erweitert worden war, Anfang November in die Hafenstadt Valencia am Mittelmeer oblagen einer von General José Miaja und seinem Stabschef, Oberst Vicente Rojo, geführten Junta alle Angelegenheiten zur Verteidigung der Stadt. Dazu zählten gleichermaßen die Abstimmung zwischen Abwehrkämpfen und Angriffsoperationen, aber auch Maßnahmen zur Brandbekämpfung nach Flächenbombardements wie die Sicherstellung von Kunstwerken aus den von der Zerstörung bedrohten Museen oder die Evakuierung von Frauen und Kindern.
Kampf Haus um Haus
Im Verlaufe des Monats wogten die Kämpfe hin und her. Mitte November fassten die Faschisten vorübergehend Fuß auf dem östlichen Ufer des Manzanares und drangen in das Universitätsviertel vor. Fakultät um Fakultät, Haus um Haus, Stockwerk um Stockwerk wurde erbittert gekämpft. Am Ende behielten die Verteidiger die Oberhand. Am 21./22. November 1936 unternahmen sie einen erfolgreichen Gegenangriff und drängten die Truppen der Putschisten hinter den Fluss zurück. Ende November stellten diese aufgrund ihrer verlustreichen Attacken das weitere Vordringen in die Universitätsstadt ein.
Versuche im Folgemonat, weiter nördlich, bei Pozuela an der Straße nach La Coruna, wieder in die Offensive zu gelangen, blieben ebenso erfolglos wie Angriffe auf Boadilla del Monte, Majadahonda, Humera und weitere Orte nordwestlich der Hauptstadt. Madrid war weder mit Frontalangriffen noch hintenherum beizukommen. »Gegenüber dem Kampfgeist, der Initiative und Beweglichkeit der bewaffneten Arbeiter verpuffte im Straßenkampf die materielle und strategische Überlegenheit der nationalistischen Truppen«, resümierten die französischen Historiker Pierre Broué und Émile Témime 1961 in ihrem voluminösen Werk »Revolution und Krieg in Spanien«. Dabei waren mit den »nationalistischen Truppen« die von General Franco kommandierten Einheiten der Putschisten gemeint. Deren »taktische Planung richtete sich darauf, den Kampf in ein günstigeres Gelände zu verlegen, auf offenes Land, wo die reguläre Armee (die Wortwahl belegt, auf wessen Seiten die Sympathien der Autoren lagen, P. R.) ihre Überlegenheit beweisen könnte, um die Front so auszudehnen, dass es Sinn gehabt hätte, Panzertruppen einzusetzen und einen Bewegungskrieg zu führen«. Das geschah zwar in den ersten Monaten des Jahres 1937 – im Februar am Jarama in der ersten offenen Feldschlacht des Krieges und im März bei Guadalajara, im Südosten bzw. nordöstlich der Hauptstadt. Doch beide Versuche blieben letztlich erfolglos: Madrid war gewissermaßen vor den Augen der ganzen Welt zum Symbol des Widerstandes der Republik geworden.
Quelle: Madrid hielt stand – Vor 80 Jahren trat die Schlacht um Spaniens Hauptstadt in ihre entscheidende Phase. Von Peter Rau, junge Welt, Sa. / So., 5. / 6. November 2016, Nr. 259, Aus: Ausgabe vom 05.11.2016, Seite 15 / Geschichte.
Siehe auch: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek, 8.11.2016. Internationales.