Wie eine Idee Gestalt annahm
Von Ingeborg Wittstock,
Sonderausgabe der Antifa, Oktober 2001
Anfang der neunziger Jahre ließen der Umgang mit antifaschistischen Traditionen und Erinnerungen, insbesondere in den neuen Bundesländern, nicht die Überzeugung aufkommen, dass die Geschichte des antifaschistischen Widerstandes und damit auch des Spanienkampfes überall objektiv behandelt wurde.
Am 18. 7. 1991 hatte der Rat der Berliner Bürgermeister eine Neufassung der Ausführungsvorschrift zum § 5 des „Straßengesetzes“ gebilligt. Umbenennungen mit einem neuen oder dem vorherigen Straßenamen sind zulässig, um „aus der Zeit von 1945 bis 1989 stammende Straßennamen nach aktiven Gegnern der Demokratie und zugleich geistig politischen Wegbereitern und Verfechtern der stalinistischen Gewaltherrschaft, des DDR-Regimes und anderer kommunistischer Unrechtsregimes zu beseitigen“. 191 Straßen sollten einen neuen Namen bekommen. Es waren solche Namen darunter wie: Clara Zetkin, Rosa Luxemburg, John Heartfield, Anton Saefkow, Erich Kuttner, Schulze-Boysen. Auch einige Spanienkämpfer, deren Leben und Wirken verfälscht wurde. Solche Namen von Kämpfern wie Artur Becker, Hans Beimler, Albert Hößler, Fritz Lesch und Herbert Tschäpe sollten für immer aus dem Straßenbild Berlins verschwinden.
In den Stadtbezirken wurde heiß diskutiert und Stimmen sowohl bundesweit, von Vertretern der Geburtsstadt von Artur Becker – Remscheid –, als auch international, so die der Tochter von Hans Beimler, Rosi Beimler-Schober, wurden gegen diese Umbenennungen laut. Trotzdem ist es nicht gelungen, die Umbenennungen gerade dieser Straßen mit dem Namen Artur Becker (Prenzlauer Berg) und Hans Beimler (Mitte) zu verhindern.
Die geplanten Umbenennungen in Lichtenberg – Albert Hößler, Erich Kuttner, und Herbert Tschäpe – wurden nicht zuletzt durch die aktive Arbeit des „Bund der Antifaschisten Lichtenberg e.V.“ verhindert. In diesem Verein waren auch wir tätig.
Wir, Kinder und Freunde der Kämpfer für eine spanische Republik, wollten aber mehr leisten. Wir wollten zum einen die Traditionen pflegen, aber auch einen Beitrag zur Aufarbeitung der Geschichte deutscher Antifaschisten, die im spanischen Bürgerkrieg kämpften, leisten. Mitglied in der AG Spanienkämpfer des IVVdN konnten wir zum damaligen Zeitpunkt nicht werden. Es wurden damals nur aktive Kämpfer aufgenommen. Wir hatten nicht mal die Möglichkeit, als Beobachter an den Sitzungen der AG Spanienkämpfer des IVVdN teilzunehmen, da sich diese immer an einem Werktag um 10 Uhr trafen, zu einer Zeit, wo wir glücklicherweise einer Arbeit nachgingen.
Es entstand die Idee, eine „AG zur Traditionspflege und Aufarbeitung der Geschichte deutscher Antifaschisten am Spanischen Bürgerkrieg“ ins Leben zu rufen. Im Rundbrief der AG Spanienkämpfer des IVVdN vom 15. 2. 1993 und auch in der „antifa“ vom Mai 1993 riefen wir zur Mitarbeit auf. Aber aller Anfang war auch hier schwer. Zu unserer ersten Zusammenkunft, am Sonnabend, dem 5. 6. 1993, kamen leider nur 3 Personen. Wir ließen uns aber nicht entmutigen, sondern blieben in den nächsten Jahren an diesem Thema dran und arbeiteten eng mit der AG des IVVdN zusammen. Insbesondere bei der Vorbereitung und Durchführung der Zusammenkünfte im Oktober vor dem Ehrenmal anläßlich des Jahrestages der Interbrigaden und des Tages der Begegnung und Mahnung im September.
In den nächsten Jahren wurde unser Kreis „Jüngerer“, die an der Seite der Kameraden standen, langsam größer. Zur Gruppe stießen Dieter Lange, der auch unser Verbindungsmann zur AG IVVdN wurde, dort in der Leitung mitarbeitete und Regina und Wilhelm Girod, die Verbindung zum BdA herstellten.
Die Veranstaltungen zum 60. Jahrestag der Gründung der Internationalen Brigaden wurden zu einem Erlebnis in Berlin. Ein weiteres, viel größeres und unvergessliches Erlebnis waren die Feierlichkeiten zu diesem 60. Jahrestag in Spanien. Viele Kinder und Enkel der Kameraden, aber auch mitgereiste Freunde konnten die Begeisterung der spanischen Freunde und deren Wertschätzung für die ausländischen Kämpfer erleben. Es waren unvergessliche Tage. Kinder und Enkel der Spanienkämpfer bekräftigten dort in Spanien, eine AG in Deutschland ins Leben zu rufen, um die Ideen ihrer Väter/Mütter weiterleben zu lassen, auch wenn sie mal nicht mehr leben.
Am 12. 1. 1997 war es dann endlich soweit. Die AG „Freunde und Angehörige der Kämpfer für die Spanische Republik 1936 – 1939“ beim Bund der Antifaschisten wurde offiziell gegründet. Anwesend waren 14 Personen aus Berlin und Umgebung und aus Lüneburg. Nun gab es zwei verschiedene AG mit ähnlichen Zielen. Die AG Spanienkämpfer des IVVdN und die AG „Freunde und Angehörige der Kämpfer …“
Seit dieser Zeit gab es viele Aktivitäten der AG. Gemeinsam mit den Kämpfern Kurt Höfer, Helmut Huber, Martin Jäger und Karl Kleinjung fanden regelmäßig einmal im Monat Leitungssitzungen statt. Wir koordinierten unsere Aktivitäten und unterstützten, wo wir nun konnten, die AG der Kämpfer.
Ende 1998 gab es dann den nächsten großen Schritt. Die Leitung der AG Spanienkämpfer übergab uns offiziell ihre Geschäfte und zu unserer aller Freude die Fahne der 11. Brigade als Staffelstab. Seitdem gibt es nur noch eine AG, die dann auch umbenannt wurde in AG der „Kämpfer und Freunde…“
Besondere Höhepunkte waren die jährlich stattfindenden Sommertreffen. Das wichtigste war 1999, wo wir insgesamt über 100 Teilnehmer, davon 25 aus 12 Ländern waren. Das Treffen 2000 diente uns insbesondere zum Selbstfinden. Die Fragen „wer sind wir“, „was wollen wir“ und „was können wir“ mussten neu gestellt und beantwortet werden.
In einzelnen Bundesländern wurden wir auch aktiv. In Berlin bei den jährlichen Kranzniederlegungen am Denkmal und zum Tag der Mahnung und Begegnung. Seit 1999 treffen sich alle Interessenten alle zwei Monate zum Spanientreff. Hier werden neben historischen Themen auch aktuelle Fragen beraten.
In Lüneburg wurden zahlreiche Veranstaltungen mit unseren Kämpfern organisiert. In Chemnitz gab es einen erfolgreichen Kampf gegen die Umbenennung der Artur-Becker-Bibliothek. Die Chemnitzer Kameraden beteiligten sich auch aktiv an Solidaritätsaktionen.
Die Reihe der Kämpfer wurde und wird immer kleiner, ihre Kräfte, ihr Wille, noch etwas zu bewegen, sinken aber nicht. Es gibt viele Veranstaltungen, bei denen gerade Rosa Coutelle, Kurt Goldstein, Fritz Teppich, Fred Müller und andere sich zu Wort melden und ihre Erfahrungen und deren Bedeutung für die heutige Zeit weiter geben. Es war unser Traum, die Arbeit unserer Kämpfer mit ihnen weiterzuführen. Die Verantwortung ist für uns gestiegen. In der Gewissheit, nicht mehr lange aktiv mitgestalten zu können, sind die Kämpfer oftmals ungeduldiger als wir Jüngeren. Es gibt viele Probleme, die es zu lösen gilt. Viele Ideen warten auf Realisierung. Immer wieder müssen wir prüfen, was ist real machbar, was übersteigt unsere Kräfte, eingedenk dessen, dass wir diese Arbeit nebenberuflich leisten.
Allein der Blick auf das schon Geleistete und auch auf die Zusammenarbeit mit unseren Freunden in anderen europäischen Ländern zeigt uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Aus der vagen Idee erwuchsen Taten und Erlebnisse, die nicht mehr wegzudenken sind.