„Der Kriegszustand ist nicht ausgerufen worden“
Als in Spanien die Generäle putschten • Von Werner Abel
Am 18. Juli 1936 verkündete das spanische Innenministerium über das Radio: „17 Uhr 20. Die Feinde des Staates verbreiten immer wieder falsche Gerüchte und Nachrichten; die Regierungstreue der Truppen ist allgemein in ganz Spanien. Der Kriegszustand ist nicht ausgerufen worden.“ Um 19 Uhr 20 meldete das gleiche Ministerium: „Alle Provinzen sind weiterhin der Regierung der Republik vollkommen gehorsam.“
Diese Proklamationen waren typisch für die Situation und die hinhaltende Politik der Volksfrontregierung unter dem Ministerpräsidenten Casares Quiroga. Inzwischen hatte der General Francisco Franco mit seinem Manifest „An alle Spanier“ den Beginn des Putsches gegen die gewählte Regierung gerechtfertigt, in den nächsten Stunden schlossen sich die Garnisonen der Kanaren, der Balearen, von Burgos, Sevilla und Zaragoza den Putschisten an.
Die Regierung zögert …
Quiroga, der die Gefahr verdrängen und das Volk beruhigen wollte, musste Diego Martínez Barrio Platz machen, aber auch der konnte sich nur knappe acht Stunden halten. Barrio wollte ausgerechnet einen der Hauptverschwörer, General Emilio Mola, der nach dem Wahlsieg der Volksfront nach Pamplona versetzt und zum Militärgouverneur für Navarra ernannt worden war, als Kriegsminister in sein Kabinett holen. Mola antwortete nur: „Zu spät!“
Auf Barrio folgte José Giral Pereira, der nun endlich aussprach, worauf viele, vor allem aber die Linke, gewartet hatten. Die Absicht der Regierung sei es, die Verteidigung des republikanischen Regimes entschlossen zu führen, indem sie sich auf das Volk stützt. Das waren Worte, die man hätte eher hören müssen, denn auf den Sieg der Volksfront antwortete die Rechte mit Terror, Attentaten und Anschlägen. Der alte Staatsapparat war noch intakt: Wehrten sich Linke oder erhoben sich Landarbeiter und arme Bauern, dann reagierte die Staatsmacht mitunter wie früher. Rächten sich die Linken für einen an einem der Ihren begangenen Mord, dann „empörte“ sich nicht nur die einheimische Reaktion, sondern auch die bürgerliche Presse im Ausland.
Für die Republik rächte es sich, dass nicht konsequent gegen die potentiellen Verschwörer vorgegangen worden war. Gewiss, es war bekannt, wer der Republik feindlich gegenüberstand, aber man glaubte scheinheiligen Versprechen und dachte, mit Versetzungen in die Peripherie reaktionäre Offiziere zufriedenstellen, aber auch neutralisieren zu können. Der führende Kopf, José Sanjurjo, dessen Putschabsichten sich nicht mehr verbergen ließen, hatte sich ohnehin nach Portugal abgesetzt. Franco war Militärbefehlshaber der Kanaren, die gleiche Funktion bekam der ehemals für die Luftwaffe zuständige General Manuel Goded Llopis auf den Balearen, General Gonzalo Queipo de Llano wurde Generalinspekteur der Carabineros (Zoll) und Juan Yagüe Blanco, Mitglied der faschistischen Falange Española, kommandierte in Ceuta eine Abteilung des Tercio, der spanischen Fremdenlegion.
Alle diese hohen Offiziere gehörten der konspirativ gebildeten Junta de Defensa Nacional an, waren bestens vernetzt und damit auf den Staatsstreich vorbereitet. Das zeigte sich z. B. auch darin, dass es Queipo de Llano mit schwachen Kräften und einem Trick gelang, sich der Stadt Sevilla, eigentlich eine Hochburg der Arbeiterbewegung, zu bemächtigen und sich dort mit den Truppen Yagües zu vereinigen, der mit seiner Truppe die Straße von Gibraltar überquert hatte.
… die Organisationen der Arbeiter handeln
Nein, konsequent waren die Regierungen nicht, obwohl auch aus den Reihen ihrer Geheimdienste, in denen es inzwischen auch überzeugte Republikaner gab, War-nung über Warnung kam. Ganz zu schweigen von den Arbeiterorganisationen.
Diese zeichneten sich in Spanien durch ein Spezifikum aus: Alle, unabhängig von ihrer ideologischen Ausrichtung, hatten Militärabteilungen. Das war der besonderen Härte des Klassenkampfes in Spanien geschuldet, durch die sich die Arbeiterbewegung der permanenten Angriffe der Polizei, der von den Großgrundbesitzern und der Großbourgeoisie ausgehaltenen „Pistoleros“ und des Militärs erwehren musste. Obwohl diese Abteilungen kaum Waffen hatten, verfügten sie doch über Informationen. Und diese gingen von einer absoluten Bedrohungslage aus, wurden aber seitens der Regierung ebenso wenig zur Kenntnis genommen wie die Forderung nach der Bewaffnung des Volkes.
Als dieser dann in den ersten Tagen des Putsches zugestimmt wurde, war es für einige Regionen zu spät, in anderen hatte das putschende Militär auf die anfangs noch unbewaffneten Demonstranten geschossen, was unzählige Opfer forderte. Als die ersten Waffen in Barcelona verteilt wurden, fehlten den Gewehren die Schlösser.
Die fand die aufgebrachte Menge, als ihr die der Republik treu gebliebene Sturmgarde mit leichter Artillerie zu Hilfe kam, bei der Erstürmung der Kasernen. Ähnliches geschah in anderen großen Städten und so blieben Madrid, Valencia, Barcelona und Málaga in den Händen der Republik, in anderen aber schlossen sich die Garnisonen den Putschisten an oder diese Städte fielen durch Verrat in deren Hände.
Am 20. Juli 1936 stürzte in der Nähe von Burgos das Flugzeug ab, mit dem der designierte Staatspräsident Sanjurjo aus Portugal zu den Putschisten stoßen wollte. Er verbrannte in der abgestürzten Maschine und dadurch wurde der Weg frei für Francisco Franco, der in den nächsten drei Jahren mit der Hilfe Nazi-Deutschlands und des faschistischen Italiens einen erbarmungslosen Kampf gegen die Republik führen sollte. Aber auch er hatte mit dieser Effizienz des Widerstands nicht gerechnet. Allerorts nahmen rasch gebildete Milizen den Kampf auf, unkoordiniert zunächst, aber energisch. So lange sich der Staat noch nicht aus seiner temporären Agonie befreit hatte, so lange koordinierte das Zentralkomitee der Antifaschistischen Milizen nicht nur den Kampf gegen die Putschisten, sondern auch die Produktion und die Distribution.
Am 4. September 1936 übernahm der Sozialist und Gewerkschaftsfunktionär Largo Caballero die Ämter des Premier- und des Kriegsministers. Sein Anliegen war es, die linken Kräfte zu einen, die Autorität des Staates wiederherzustellen und die Armee zu
reformieren.
Die Republik hatte damit eine ernste Krise überwunden.
Eine Volksarmee entsteht
Eine der Keimzellen der neuen Spanischen Volksarmee, die allerdings alle die früheren Offiziere und Generäle behielt, wenn sie sich der Republik gegenüber als loyal erklärt hatten, war das legendäre 5. Regiment. Dieses Regiment war aus den Milicias Populares der KP Spaniens entstanden und spielte mit seinem Namen auf die vier Regimenter an, die normalerweise zur Madrider Garnison gehörten. Sich Regiment zu nennen, bedeutete aber auch, sich mehr an die militärische als an die Tradition der Milizen anzulehnen. Aus dem Regiment gingen die begabtesten kommunistischen Kommandeure wie z. B. Enrique Lister und Juan Modesto hervor. Die KP Spaniens erwartete, dass es bei den Angriffen der Franquisten auf Madrid auch zu Kämpfen in der Stadt kommen könne. Einen Spezialisten für Straßen- und Häuserkampf hatte aber auch das 5. Regiment nicht. Über einen solchen Spezialisten verfügte die Kommunistische Internationale, denn an ihrer Militärpolitischen Schule bei Moskau lehrte ein deutscher Genosse namens „Werner Reissner“ die Taktik des Straßen- und Häuserkampfes. Es war ein erfahrener Genosse, Offizier im 1. Weltkrieg, Kommandeur der Roten Ruhrarmee, Militärberater in Palästina, Syrien, China und der CSR.
Am 1. Oktober 1936 übernahm er die Leitung der Operativen Abteilung des 5. Regiments. Als er am 9. November die Leitung der Ausbildung in der mit Hilfe des 5. Regiments neu geschaffenen Basis der Internationalen Brigaden in Albacete übernahm, war er zum General befördert worden und trug nun den Namen „José Gómez“. Einige seiner früheren Kampfgefährten, die nun auch in Spanien waren, schmunzelten, denn sie wussten, dass er weder „Reissner“ noch „Gómez“ hieß, sondern Wilhelm Zaisser. Er war der einzige Deutsche im Generalsrang in der Spanischen Volksarmee und der ranghöchste deutsche Offizier bei den Internationalen Brigaden. Gerade in diesem Jahr sollte die Gelegenheit genutzt werden, eines aufrechten Kommunisten und Antifaschisten zu gedenken, den eine falsche Politik lange zur Unperson gemacht hatte.
Quelle: http://www.unsere-zeit.de/de/4829/theorie_geschichte/;
Unsere Zeit, Ausgabe vom 22. Juli 2016 / THEORIE UND GESCHICHTE