Kampagne für ein Museum in Barcelona, das endlich die ganze Geschichte des spanischen Bürgerkrieges verkündet, 29. Mai.2016, „The Guardian“

Kampagne für ein Museum in Barcelona, das endlich die ganze Geschichte des spanischen Bürgerkrieges verkündet

Historiker behaupten, dass ein noch nie dagewesenes beispielloses nationales Zentrum künftigen Generationen helfen würde, den Konflikt zu verstehen, der das Land vor 80 Jahren zerriss.

www.theguardian.com Sonntag, den 29. Mai 2016 – Julian Coman aus Barcelona

Eine Gruppe international anerkannter Historiker und Schriftsteller hat 80 Jahre nach dem Ausbruch des das Jahrhundert kennzeichnenden Konflikts im Juli 1936 zur Schaffung des ersten großen Museums über den Spanischen Bürgerkrieg in Barcelona aufgerufen.
In einer beispiellosen Initiative, die wahrscheinlich eine lebhafte Debatte in Spanien entfachen wird, hat sich Dr. Pelai Pagès, Professor für Geschichte an der Universität Barcelona und Präsident der Vereinigung Internationaler Museen des Spanischen Bürgerkrieges (Amigce), an die linke Bürgermeisterin der Stadt Ada Colau gewendet, und darum gebeten, ein Gebäude im Zentrum von Barcelona zu errichten, das ein Museum und ein Forschungszentrum beherbergen soll. Pagès sagte dem Observer: „ Achtzig Jahre nach Beginn des Bürgerkrieges, und 40 Jahre nach dem Tod von General Franco, die Erinnerung für alle Generationen, vom Jüngsten bis zum Ältesten, darüber wiederzuerlangen, was passiert ist, heißt den Konflikt in seiner Komplexität zu verstehen. Ein altes Sprichwort besagt, dass einer Gesellschaft, die ihre Vergangenheit vergisst, beschieden ist, diese zu wiederholen. Gedenk dieser Sicht beabsichtigt das Internationale Museum des Spanischen Bürgerkrieges als ein Garant für die Zukunft zu agieren.“

Barcelona war eines der Schlüsselzentren des Widerstandes gegen die nationalisti-schen Kräfte Francos. Im Dezember 1936 kam bekannter Weise George Orwell in die Stadt, um für die Verteidigung der gewählten Regierung der Spanischen Republik zu kämpfen. Später berichtete er in der klassischen Kriegserinnerung „ Ehrerbietung an Katalonien“ über seine Erlebnisse und wurde Journalist für den Observer.
Orwells adoptierter Sohn, Richard Blair, Präsident der Orwell Gesellschaft, unterstützt das Museumsprojekt. Er sagte: „ Wir sind voll und ganz dafür und wünschen dem Projekt viel Erfolg. Viele junge Leute in Spanien sind nicht gründlich über den Bürgerkrieg informiert und haben weder ein richtiges Verständnis, was 1936 bis 1939 passiert ist, noch über die Diktatur, die folgte.
Man sollte kein schwarzes Loch zulassen. Die Zeit ist reif, die Geschichte noch einmal zu betrachten.“

Unter anderen profilierten Unterstützern in Großbritannien befinden sich der weltberühmte Historiker des Bürgerkrieges Paul Preston, der im Internationalen Vorstand von Amigce sitzt, sowie der irische Schriftsteller Colm Tóibin. „Es überrascht schon, dass keine nationale oder regionale Regierung ein Museum zum Spanischen Bürgerkrieg geschaffen hat. Die gegenwärtige Initiative ist ein wichtiger Schritt zum Verstehen der Vergangenheit, das Spanien so dringend braucht“, sagt Preston.

Viele Verwandte von Internationalen Brigadisten – Ausländer, die aus der ganzen Welt kamen, um für die spanische Republik gegen Franco zu kämpfen – sendeten ebenfalls Briefe zur Unterstützung, die an Colau weitergeleitet wurden.

Das Museum würde das erste seiner Art in Spanien sein. Das bittere Erbe des Bürgerkrieges, in welchem über 500.000 Spanier starben, führte während des Übergangs zur Demokratie nach dem Tod von Franco im Jahre 1975 zu einem sogenannten „Pakt des Vergessens“. Spanien ist ringsum mit Museen übersät, welche sich mit besonderen Schlachten und Ereignissen während des Krieges beschäftigen. Keine Institution hat jedoch bislang gewagt, eine umfassende Darstellung des Konflikts zu versuchen, in welchen die nationalistischen Kräfte, unterstützt von Hitlerdeutschland und Mussolinis Italien, die demokratisch gewählte Regierung der spanischen Republik im Februar 1936 stürzten.

Pagès sagte, dass das Museum balanciert und objektiv sein wird, indem es die „demo-kratischen Werte der Republik repräsentieren wird, ohne dabei zu vergessen, die Irrtümer der republikanischen Seite zu untersuchen“.

Vorläufige Pläne für das Museum schließen interaktive Ausstellungen, eine ständige Schau von Kunstobjekten, ein Studienzentrum für Studenten, und ein Café ein, das nach einer Kantine aus dem Bürgerkrieg gestaltet werden soll. Das Museum wird keinen Gewinn erzielen und sich selbst finanzieren und hofft, sich in Barcelonas blühende Tourismusindustrie einzureihen sowie ein Zentrum für Schülerreisen und die Forschung zu werden.

Unterstützung wurde dem Projekt auch zu Teil in Form eines bemerkenswerten Briefes vom Dokumentations-zentrum über den Nationalsozialismus in Köln, der größten regionalen Erinnerungsstätte für Opfer des Nazismus in Deutschland. Der Direktor des Zentrums Dr. Werner Jung schrieb: „ Deutschland brauchte mehr als 30 Jahre nach dem Ende des II. Weltkrieges, um öffentlich die Verbrechen der Nazis durch Denkmale und Museen anzuprangern…. In Spanien sind mehr als 30 Jahre vergangen seit dem Tod von Franco und der Phase des Übergangs.
Leider gibt es 80 Jahre nach dem Militärputsch vom 17. Juli 1936 noch immer keinen zentralen Ort, wo man umfassende und objektive Informationen über den Spanischen Bürgerkrieg erhalten kann. Vorausgesetzt, dass der Bürgerkrieg noch immer lebhafter Gegenstand der Debatte in Spanien ist, würde ein Museum einen bedeutenden Ort des Studiums und Lernens darstellen.“
Link:https://www.theguardian.com/world/2016/may/29/spain-national-museum-civil-war-barcelona
Übersetzung: Herbert Grießig, Berlin-Hoppegarten, 04.07.2016

Redaktion KFSR