Der Respekt vor dem historischen Gedächtnis ist in jeder demokratischen Gesellschaft von entscheidender Bedeutung.
Link zur Person:
https://www.mallorcazeitung.es/boulevard/stories/2022/10/30/aurora-picornell-mallorca-kommunistin-mordopfer-ikone-77779952.html
Aurora Picornell Femenias (1. Oktober 1912 – 5. Januar 1937) war eine spanische Schneiderin, Gewerkschafterin und feministische Aktivistin und Mitglied der Kommunistischen Partei Spaniens (PCE). Sie erhielt den Spitznamen „La Pasionaria mallorquina“ („ La Pasionaria von Mallorca “). 1937 wurde sie von Rebellen festgenommen und ermordet.
Leben
Aurora Picornell wurde am 1. Oktober 1912 in Palma de Mallorca im Stadtteil El Molinar geboren. Sie war Näherin und politische Aktivistin.
Sie war das sechste von sieben Geschwistern und schon in jungen Jahren politisch aktiv. Mit 14 verließ sie die Schule, um als Schneiderin zu arbeiten. Als Jugendliche war sie überzeugte Feministin und engagierte sich im Antiklerikalismus gegen die römisch-katholische Kirche und für die Trennung von Kirche und Staat.
1931 gründete sie die Gewerkschaft der Näherinnen auf den Balearen. Sie trat der Kommunistischen Partei Spaniens (PCE) bei, in der dann sie eine der wichtigsten Aktivistinnen der Balearenföderation war. Mit 16 Jahren veröffentlichte sie ihren ersten von vielen Artikeln in der kommunistischen Zeitung „Nuestra palabra“ („ Unser Wort “).
Zu ihrer Zeit in Valencia lernte sie den Komintern-Funktionär)Heriberto Quiñones [ es ] kennen, den sie schließlich auch heiratete. Mit 22 Jahren brachte sie ihre einzige Tochter, die sie wegen ihrer Verehrung der Russischen Revolution Octubrina Roja nannte, zur Welt.
1934 beteiligte sie sich auf der Insel Menorca an der Gründung der Kommunistischen Partei auf den Balearen. Wie auf dem Festland-Spanien putschte das reaktionäre Militär am 18./19.Juli 1936 auch auf Mallorca.
Am 20. Juli wurde Aurora im Casa del Pueblo („Haus des Volkes“, d. h. Parteizentrale) verhaftet und in Mallorcas Frauengefängnis gesperrt. Nach ihrer formalen „Freilassung“ wurde sie von den mallorquinischen Faschisten, den Falangisten, in das Kloster Montuiri gebracht und dort gefoltert.
Danach wurde sie am 5. Januar 1937 auf dem Friedhof von Porreres, 30 km von Palma entfernt, zusammen mit anderen Näherinnen aus El Molinar ermordet : Catalina Flaquer Pascual, Antonia Pascual Flaquer, Maria Pascual Flaquer und Belarmina Gonzalez Rodriguez. Auf Mallorca kennt man sie als Les Roges des Molinar („Die Roten von El Molinar [ es ] “).
Picornells Vater Gabriel und seine beiden Brüder Gabriel und Ignasi wurden ebenfalls ermordet. Ihr Ehemann blieb nach Beendigung des Bürgerkriegs Funktionär der illegalen kommunistischen Partei. 1941 wurde er verhaftet und 1942 nach monatelanger Folter durch ein Erschießungskommando hingerichtet. Auroras jüngerer Bruder Joan starb kurz nach seiner Befreiung aus dem Konzentrationslager Dachau, während ihre Schwester Llibertat nach Mexiko und Frankreich emigrieren musste.
Vor ihrer Ermordung soll Aurora den Falangisten zugerufen haben:
„Ihr könnt Männer und Frauen und auch mein ungeborenes Kind erschießen – aber mit welchen Kugeln wollt Ihr die Ideen erschießen?“
Bitte beteiligt Euch an der Petition, um das Gedächtnis an Aurora und allen, die ihr Schicksal teilten aufrecht zu erhalten!
(Artikel von Werner Abel)
Mit „Benvinguda a casa“ („Willkommen zu Hause“) auf dem Bild einer jungen strahlenden Frau, vermutlich aufgenommen im Frühjahr 1936, und mit dem Violett-Gelb-Rot, den Farben der Zweiten Spanischen Republik, würdigte am 20.Oktober 2022 PODEMOS Illes Balears ein Ereignis, das an diesem Tag viele Menschen auf Mallorca, die Presse, die sozialen Medien und vor allem die Regierung der Balearen bewegte. Am Morgen dieses denkwürdigen Donnerstags konnte die Nachricht veröffentlicht werden, dass eins der fünf Skelette, die aus Massengrab Nr.3 in Son Coletes, dem alten Friedhof von Manacor gefunden wurden, das von Aurora Picornell ist. Das habe eine DNA-Analyse zweifelsfrei ergeben. Außerdem wurde bei ihren sterblichen Überresten ein Füllfederhalter gefunden. Das, so eine Historikerin, passte, denn von Aurora sei bekannt gewesen, dass sie viel geschrieben habe. Das kostbare Relikt wird nun auf dem Festland untersucht. Auf dem Friedhof Son Coletes befinden sich übrigens noch sechs weitere Massengräber mit Opfern der faschistischen Repressionen.
Das Auffinden der sterblichen Überreste von Aurora Picornell ist auch für die Historiker ein großes Ereignis, weil über Jahrzehnte davon ausgegangen worden war, dass sie auf dem Friedhof von Porreres ermordet und dort verscharrt wurde. Obwohl dort die Überreste ihres Vaters und ihres Bruders gefunden wurde, blieben alle Versuche, auch sie dort zu finden, erfolglos. Der Friedhof von Porreres, auf dem auch die ersten Exhumierungen auf der Insel vorgenommen worden waren, diente nach dem Putsch der reaktionären Generäle in Spanien, zu denen auch General Manuel Godet Llopis, der Militärgouverneur der Balearen, gehörte zu den bevorzugten Orten der Ermordung Linker, Republikaner oder den Faschisten der Falange einfach Unbequemer. Gleiches geschah auf dem Friedhof Son Coletes, wo in aller Öffentlichkeit Erschießungen vorgenommen und Leichen verbrannt wurden. In den Grab Nr.3 wurden auch die teilweise unvollständigen Skelette vier weiterer Frauen gefunden, bei denen es sich Überreste von Belarmina Gonzáles Rodríguez, Catalina Flaquer Pascual und ihrer Töchter Antónia und Maria Pasqual handeln könnte, die mit Aurora als die „Las Cinco Rojas del Molinar“ (Die fünf Roten von Molinar) bekannt geworden und mit ihr nach dem Putsch ermordet wurden. Auch in diesem Fall hatten die Historiker angenommen, dass die Morde in Porreres stattgefunden hätten. Der Historiker Antoni Tugores meinte: „ Es ist nicht logisch, dass Picornell und ihre Mitstreiterinnen erst nach Porreres und dann nach Manacor gebracht wurden, aber die Mörder verfolgten auch keine normalen Gedankengänge.“ Porreres ist eine kleine Stadt, etwa 25 km von Manacor entfernt. Ermordet wurde Aurora in der den Katholiken heiligen Nacht der Drei Könige (Nit de Reis) am 5. Januar 1937.
Aber die Falangisten hatten diese „Roten Frauen“ aus dem ehemaligen Arbeiterviertel der Hauptstadt Palma gehasst. Aurora wurde mit drei Kopfschüssen getötet, einen in den Hinterkopf, einen in die Schläfe und einen ins Gesicht. Offensichtlich ging es den Mördern auch darum, die Schönheit dieser Frau auszulöschen, die zu diesem Zeitpunkt überdies vermutlich schwanger war. Geboren am 1. Oktober 1912 in einem linken und gewerkschaftlich orientierten Elternhaus in El Molinar, hatte sie zunächst als Näherin gearbeitet, sich aber auch schnell politisch gebildet und betätigt. Mit 18 Jahren begann sie zu schreiben. 1934, als ihre Tochter, aus Verehrung für die Oktoberrevolution Octubrina genannt, geboren wurde, führte sie den Internationalen Frauentag auch auf Mallorca ein. Sie gründete eine Gewerkschaft der Schneiderinnen, trat in die kleine Kommunistische Partei ein und schrieb für deren Zeitschrift „Nuestra Palabra“. Ihr rastloses Engagement führte dazu, dass sie die „mallorquinische Pasionaria“ genannt worden. Dolores Ibárruri, die unter diesen Namen in ganz Spanien bekannt geworden war, wollte Aurora gerne auf das Festland und vermutlich in die Führungsspitze der spanischen Kommunisten holen, aber diese sah ihre Aufgabe auf der Insel. Verheiratet war sie mit dem geheimnisumwitterten Herberto Quinones, der, vermutlich 1907 im damaligen Bessarabien geboren, von der Kommunistischen Internationale nach Spanien entsandt worden war und durch ein Versehen eines spanischen Beamten die spanische Staatsbürgerschaft erlangte. Quinones hatte das Glück, sich zur Zeit des Putsches auf der Nachbarinsel Menorca zu befinden, die bis 1939 in republikanischer Hand blieb. Aber 1942 wurde auch er von den Franquisten nach unmenschlichen Torturen ermordet.
Aurora Picornell wurde schon 2007 zur „Hija ilustre de Mallorca“ (etwa „Erlauchte Tochter von Mallorca“) ernannt. 2018 über gab die Malerin Sandra Jaume dem Consell de Balears, der Regierung der Balearen, ein überlebensgroßes Portrait von Aurora, das seit dem 20. Oktober 2022 über dem Eingang der Regierung thront. 2019 wurde auf dem bei den Touristen beliebten Born de Molinar (Paseo de Molinar), also in jenem Viertel von Palma, in dem Aurora gelebt hat, eine von der Bildhauerin Margalaida Fonollà geschaffene Büste aufgestellt, vor der die Linken Organisationen der Insel regelmäßig Blumen und Kränze niederlegen. Allerdings war die Büste auch schon mit blauer Farbe, der Farbe der Falange, übergossen worden, was aber zu einer allgemeinen Entrüstung über diesen Akt des Vandalismus führte.
Eine der ersten, die auf den Fund von Son Coletes regierten, war die Regierungspräsidentin Francina Armengol (PSOE). Sie schrieb: „Aurora Picornell kommt nach Hause. Wir haben sie in Son Coletes gefunden. Ich habe Gänsehaut, denn für Dinge wie diese, für Momente wie diese, bin ich in die Politik gegangen. Unendlichen Dank an alle. Heute sind die Balearen eine Demokratie und eine bessere Gesellschaft.“ Und der Vizepräsident Juan Pedro Yllanes schrieb: „Das ist eine Nachricht, die die Geschichte der Balearen-Inseln verändern wird…Es handelt sich bei Aurora um eine Ikone des demokratischen Gedächtnisses auf den Balearen; es ist ein Erfolg für die Gedenkvereine, die Unternehmen, die an den Ausgrabungen beteiligt waren, die Historiker…Das ist ein Triumph der demokratischen Gesellschaft…Heute können wir sagen, dass Aurora nach Hause kommt. Als die Mörder sie auf den Friedhof von Manacor brachten und töteten, wollte sie sie verschwinden lassen, was ihnen glücklicherweise nicht gelang. Aurora ist 80 Jahre später zurückgekehrt. Sie wurde ermordet, weil sie ihren Ideen treu geblieben war, weil sie Gewerkschafterin und Feministin war, weil sie eine Frau war, eine kommunistische Frau.“
2014 wurde auf Mallorca das erste Grab mit Opfern des Franquismus geöffnet, damals auf Initiative der Angehörigen, aber Dank eines von der Koalition der linken Parteien beschlossenen Gesetzes wurden im Herbst 2016 erstmals Grabungen mit öffentlichen Geldern finanziert. Besondere Verdienste gebühren der Organisation Memória Democrática, auf deren Aktivitäten hin Archäologen und Forensiker zahlreiche Opfer exhumieren und die Überreste deren Familien übergeben konnten. Die Regierung hat auch dazu aufgerufen, dass die Nachkommen potentieller Opfer kostenlos Gen-Analysen durchführen lassen sollen. Gerechnet wird mit ca. 2200 Opfern, Männer und Frauen, dokumentiert sind 48 Standorte möglicher Gräber. Bis heute konnten 241 Mordopfer identifiziert werden. Den Satz von Aurora aufgreifend, dass Kugeln niemals Ideen töten können, sagte Catalina Cladera, Präsidentin des Insel-Rats und PSOE-Mitglied, dass Erinnerung, Wiedergutmachung, Gerechtigkeit und Wahrheit unerlässlich sind, um in der Demokratie weiter voranzukommen.
Die Bürgermeister von Palma und von Manacor verliehen Aurora die Ehrenbürgerschaft. Die von Mallorca hat sie seit längerem.
Am 24.10.2022 erhoben sich die Abgeordneten des Balearen-Parlaments, um Aurora Picornell zu ehren, selbst die Mitglieder der Fraktion des konservativen Partido Popular (PP), unter dessen Regierung die Aufarbeitung ins Stocken geraten war, erhoben sich. Nur die Angehörigen der rechtsextremen VOX verweigerten Aurora Picornell diese Ehre.
Wäre es in der Bundesrepublik Deutschland denkbar, dass einer jungen, von den Nazis umgebrachten Kommunistin alle diese Ehrungen widerführen? Dass ihr Bild den Haupteingang einer Landesregierung zierte?
Beitrag von Werner Abel
Kurzform des Satzes, den Aurora ihren Mördern zurief: „Ihr könnt Männer, Frauen, auch mein ungeborenes Kind töten, aber mit welchen Kugeln wollt Ihr die Ideen töten?“ Auf dem Poster, dass der Mann hochhält, ist ein Füllfederhalter zu sehen, das ist just der, den man bei den sterblichen Überresten von Aurora, die viel geschrieben hat, gefunden und aufwändig restauriert hatte.
Die Konservativen des Partido Popular (entspricht unserer CDU), aber vor allem die extreme Rechte um VOX, wollen Aufarbeitung der faschistischen Vergangenheit, verkörpert durch Memoria de Mallorca, beenden. Bei dieser Debatte hielten die Abgeordneten der PSOE, MES und Podemos Bilder von Aurora Picornell hoch. La Senne attackierte dabei eine PSOE-Abgeordnete und zerriß das Bild von Aurora. Das löste einen Sturm aus bis hin zu dem PSEO-Ministerpräsidenten Pedro Sánchez und die Forderung nach Rücktritt von La Senne.
Eine der vielen Würdigungen, jedes Jahr im Januar, am Denkmal für Aurora in El Molinar