HISTORISCHES GEDÄCHTNIS El Quico: „Die Jugendlichen sind sehr gut vorbereitet, aber sie wissen nicht, was ihre Großväter und Großmütter durchgemacht haben“.

Titelbild: El Quico während seines Interviews mit El Salto, Fotografie: Kánovas.

HISTORISCHES GEDÄCHTNIS

El Quico: „Die Jugendlichen sind sehr gut vorbereitet, aber sie wissen nicht, was ihre Großväter und Großmütter durchgemacht haben“.

Aus: El Salto País Valencià – Von Lis Gaibar. Veröffentlicht: 16. September 2018

El Quico war ein antifranquistischer Kämpfer, und er definiert sich heute als Guerillero gegen das Vergessen, der sein eigenes Erinnern nutzt, um das kollektive Gedächtnis auszugraben.

Im Alter von 93 Jahren bewahrt Francisco Martínez (El Bierzo, León, 1925) eine beneidenswerte Klarheit und Gesundheit. Er fühlt, die Verpflichtung, es zu tun, weil er sonst nicht in der Lage wäre, sich an das zu erinnern oder zu überliefern, was er erlebt hat. Quico – unter diesem Namen kennt jeder ihn – ist einer der letzten lebenden Anti-Franco-Guerilleros. Er gehörte von 1947 bis 1951 zur bewaffneten Guerilla von León-Galizien, schloß sich aber viel früher der Guerilla-Bewegung an. 1951 ging er nach Frankreich ins Exil, weil er vom Franco-Regime zum Tode verurteilt worden war. Er kehrte 1977 zurück und kämpft seither um die Erinnerung, denn für ihn kann eine würdige Zukunft nur aufgebaut werden,wenn man die Vergangenheit kennt und Gerechtigkeit walten lässt.

Nach vielen Jahren in Gefangenschaft, lebt er heute in El Campello (Alicante), in einer Wohnung, in der sich verschiedene Bezüge zur Republik finden lassen – von einem zerbrechlichen Tisch in der Mitte bis hin zu einem Poster über dem Schreibtisch – und Regalen voller Bände, Fotos und Auszeichnungen für seinen Kampf um das historische Erinnern. Er misst den institutionellen Anerkennungen keine Bedeutung bei, verweist aber stolz auf die, die über dem Kopfende des Bettes hängt,  eine Zeichnung, die das das berühmte Capa-Foto nachahmt: „Dieses wurde von Schulkindern für mich gemacht“, sagt er lächelnd.

Du warst zehn Jahre alt, als du begannst, mit der Guerilla-Bewegung zusammenzuarbeiten und Propaganda für die Wahlen von 1936 zu machen. Woher wusstest Du schon in so jungen Jahren, dass du dich für diese Sache engagieren musst?

Weil meine Mutter eine dieser Frauen war, die sich befreit hatte. Sie war eine Republikanerin und sehr kämpferisch. Sie vermittelte mir diese Motivation und machte, dass ich mich  für die Entschlossenheit, mit der sie für ihre Rechte kämpfte, interessierte. Wir kommen aus einem Bergbaugebiet, und während des revolutionären Streiks von 1934, der mit rund 2.000 Toten und 30.000 Gefangenen endete, war meine Mutter eine Aktivistin in der Bewegung der Solidarität mit diesen Menschen. Viele Flüchtlinge aus dieser Unterdrückung kamen in mein Elternhaus. Diese Umgebung wurde für mich zu einem Symbol für das, wonach ich strebte.

So nahm ich 1936 vor der Februarwahlen mit einigen Nachbarn und Kameraden am Kleben von Plakaten teil oder malte die Schriftzeichen UHP oder Uníos Hermanos Proletarios an Wände. Obwohl es etwas Spontanes war, glaube ich, dass der republikanische Lehrer, den wir in der Schule hatten, in uns einen gewissen Keim von Organisation gesät hatte.

Mein Engagement verstärkte sich bei der ersten großen republikanischen Demonstration in Ponferrada. Die Bergleute kamen aus den Dörfern herab und versammelten sich zum 1. Mai. Nachdem ich meine Mutter bedrängt hatte, erlaubte sie mir, zur Demonstration zu gehen. Vielleicht war ich der jüngste Teilnehmer:  nicht einmal 11 Jahre alt. Nach diesem Tag verlangte ich von meiner Mutter ein rotes Hemd, wie es diese Leute hatten. Eines Tages erhielt ich es und beschloss, es beim Dorffest zu Ehren der Heiligen Anna am 26. Juli zum ersten Mal zu tragen.

Aber die Pläne wurden gestoppt.

Die faschistischen Truppen kamen sechs Tage vorher, und meine Mutter versteckte das Hemd. Später musste es herausgeholt werden: während des Krieges gab es nichts, es wurden keine Stoffe verkauft. Ich hatte kein Hemd zum Anziehen, also färbte sie es schwarz. Aber an der Sonne kehrte es zu seiner ursprünglichen Farbe zurück….. Ich erinnere mich, dass ein Nachbar im Dorf immer wenn er mich sah, auf meinen Rücken schaute und sagte: „Es gibt Dinge, die egal wie oft man sie färbt, das Rote nicht verdecken können!“ (Lachen). An diesem 20. Juli begann die Untergrundbewegung der Flüchtlinge. Und so entstand ein Netzwerk der Nachbarschaft zu ihrer Unterstützung, zu dem auch meine Eltern gehörten.

Die Gegend, in der ich lebte, ist voll von Massengräbern. Der Widerstand – der Historiker Secundino Serrano schätzt 200.000 Versteckte zu einem bestimmten Zeitpunkt – begann, sich zu organisieren und Waffen zu beschaffen. 1942 wurde die Föderation gegründet, die ein Sammlungspunkt war: es gab Menschen aus verschiedenen Parteien, aber sie alle bildeten diese Anti-Franco-Front.

Es war eine sehr große Volksorganisation, und zwischen 1944 und 1945 standen viele Häuser der Guerilla-Gruppe zur Verfügung. Deshalb habe ich nie wirklich verstanden, warum sie uns „diejenigen auf dem Berg“ nannten, ich habe nie auf dem Berg geschlafen! Es war nur die Ausrede, die die Leute aus den Häusern gaben, wenn die Polizei kam. Damals nahm ich noch nicht am bewaffneten Kampf teil; ich unterstützte die Guerilla, indem ich Aufgaben ausführte, die sie mir anvertraut hatte. Und bei einer dieser entdeckte mich die Polizei.

Ein Tipp?

Ja. Ich arbeitete in einem chemischen Labor, aber ich wurde bald 20 Jahre alt, und das bedeutete, zum Militärdienst zu gehen. Ein Gesetz erlaubte es mir, stattdessen in den Minen zu arbeiten, also ging ich zum Arbeiten in die Mine einer Stadt, in der mich niemand kannte. Dort hatte ich eine Art Adoptivfamilie, aber eines ihrer Mitglieder hat mich angeprangert, als ich versuchte, Waffen für die Guerilla zu bekommen. Die Familie steckte es mir zu und ich konnte entkommen.

War es damals, dass du zum Tode verurteilt wurdest?

Ja. In dem Moment, wenn du entdeckt wurdest, wurdest du entweder gefoltert oder liquidiert. Und ein Guerillero wurde nicht durch ein Erschießungskommando getötet, sondern mit Knüppeln brutal erledigt. 1947 verabschiedete Franco mit Unterstützung einiger Länder angesichts des internationalen Drucks wegen der Verletzung der Menschenrechte ein Gesetz, mit dem wir von bewaffneten Republikanern zu Banditen wurden.

Was hast du getan, nachdem du geflüchtet bist?

Meine Optionen waren, der Guerilla beizutreten oder zu riskieren, in die Hände der Polizei zu fallen, also verbrachte ich vier Jahre bei der bewaffneten Guerilla. Sie haben fast alle meine Genossen getötet. 1951 gingen ich und drei weitere Guerillas mit Hilfe einer Verbindungsperson ins  Exil nach Frankreich, und wir erhielten dort die Anerkennung als politische Flüchtlinge. Einige meiner Gefährten starben im Exil; ich kehrte zurück, um diese Erinnerung zu retten.

Die Guerilleros José Murillo, Francisco Martínez, Jesús de Cos und Gerardo Antón auf einem 2004 aufgenommenen Foto.

Vom Leben in Gefangenschaft zum öffentlichen Darstellen der Gründe, die dich dazu bewogen haben…..

Es ist meine Pflicht, mein derzeitiger Kampf gilt der demokratischen Gerechtigkeit. Mit Werten, die von der Gesellschaft zu einer Zeit erworben wurden, als sie frei war und die durch Diktatur, Tod und Unterdrückung zunichte gemacht wurden. Eine Generation braucht Bezugspunkte, denn sonst hat sie keine Geschichte, und sie muss diese kennen, um sich selbst zu positionieren. In diesem Sinne ist auch die spanische Gesellschaft immer noch durch diesen Weg aus der Diktatur beschädigt.

Wir sprachen über den Franquismus. Was war die Zweite Republik?

Sie war der Beginn eines Prozesses, eines Projekts, in dem die Menschen die Protagonisten waren. Die Frau begann, sich zu organisieren. Das Gleiche geschah mit den Arbeitern und der Gesellschaft als Ganzes. Ein Element von Kultur wurde in das Volk  gepflanzt, das es ihm ermöglichte, in der Gesellschaft ein vollwertiges Mitglied zu sein. Es war ein allgemeines und gemeinsames Gefühl.

    „Die Zweite Republik pflanzte ein Element von Kultur in die Menschen ein, das es ihnen ermöglichte, in der Gesellschaft ein vollwertiges Mitglied zu sein.“

Was bleibt davon übrig?

Es gibt Bewegung, aber nicht mit der Dimension von damals. Einige dieser Werte sind verloren gegangen, weil der Einzelne oft nicht teilnimmt und erwartet, dass die Institutionen zur Lösung des Problems handeln. Es ist eine Art und Weise, die eigene Selbstbefreiung nicht anzunehmen, und Völker, die ihre Befreiung nicht selbst in die Hand nehmen, werden immer unterworfen sein, niemand außer ihnen selbst wird sie befreien. Deshalb ist das Erinnern so wichtig, und das umso mehr in einer Zeit, in der die Notwendigkeit der Befreiung dringlich ist.

Ich glaube, dass die Zweite Republik dazu beitragen kann zu verstehen, was eine Gesellschaft in ihrem eigenen Interesse bewegen kann. Ich erlebte die Atmosphäre der Kameradschaft, die entstand und die die Keimzelle der Organisation war, die später in den Untergrund ging. Das machte mich zu einem Menschen, mit Begeisterung für die Sache, und später auch zu einem Kommunisten. Denn das ist es, was der Kommunismus für mich ist.

Glaubst du, dass andere den Kommunismus genauso sehen?

Nein. Viele Menschen sind Opfer einer Kultur und einer Propaganda….. Und vielleicht auch von den Fehlern derer, die der Geschichte vorgreifen.

Was willst du damit sagen?

Dass der Wunsch nach einer kommunistischen Struktur in einer Gesellschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt darin besteht, den Ereignissen  vorzugreifen. Die Gesellschaft ist nicht vorbereitet, sie zu übernehmen. Menschen erben eine Kultur, und wenn es kein Vorbild gibt oder die vorhandenen Modelle erfolglos waren, kann man sie sich nicht vorstellen. Aber man kann sich in die Werte hinter diesem Scheitern vertiefen und erkennen, warum es zu dem Zeitpunkt unmöglich war, Erfolg zu haben.

Wir leben noch in einer bestimmten historischen Epoche, aber der Erfolg wird kommen, wir haben keine andere Alternative. Vielleicht in zwei oder drei Jahrhunderten, ich weiß es nicht. Die Gesellschaft kann diese Bewegung beschleunigen oder gestalten. Wir müssen für die Harmonie der Gesellschaft, um die Existenz des Lebens kämpfen. Sonst ist es Selbstmord.

Ich verstehe. Du sagst, wenn wir nicht für ein anderes politisches System kämpfen, begehen wir Selbstmord.

Automatisch. Ich erlebte den Kommunismus im Untergrund. Es war natürlich unser Kommunismus, aber ich glaube, wenn er von der Gesellschaft angenommen worden wäre, würden die bestehenden Widersprüche nicht existieren, noch würden wir in einer so schrecklichen Situation leben, in der die Ressourcen vorhanden sind, aber wir können nicht über sie verfügen. Aber man kann nichts verwirklichen, wenn die  Mehrheit die Arbeit nicht auf sich nimmt.

„Ich erlebte den Kommunismus im Untergrund. Es war unser Kommunismus, aber ich glaube, wenn er von der Gesellschaft angenommen worden wäre, würden die bestehenden Widersprüche nicht existieren“

Es wird viel über das historische Gedächtnis gesprochen. Ich weiß, dass Sie das Gesetz von Zapatero kritisieren, das Sie für unzureichend halten…..

(unterbricht) Es ist nicht nur unzureichend, es ist ein Hindernis! Es ist ein Hindernis für den Gedanken der Befreiung und auch für die Lösung des Problems der Ungerechtigkeit, die in diesem Land fortbesteht.

Ist es nicht besser als nichts?

Nein, nein! Es ist schlimmer als nichts. Das Nichts wäre besser! Das Gesetz hat das Problem nicht gelöst. Es verurteilt nicht den Faschismus, der die Grundlage des Verbrechens ist. Es verurteilt weder das System noch die Verbrechen gegen die Menschlichkeit, also macht es sie gültig, und das faschistische System ist in einer freien Gesellschaft nicht denkbar, weil es ihre Abschaffung mit Hilfe von Ideologie bedeutet. Es ist unmöglich, das Gesetz in ein demokratisches Konzept zu integrieren. Mit diesem Gesetz ist es unmöglich voranzukommen. Viele Witwen haben ihre Toten noch immer in Straßengräben, wo ist die soziale Gerechtigkeit einer freien und demokratischen Gesellschaft? Wie ist es möglich, dass sie, wenn sie ausgegraben werden – auch noch  durch Unternehmen, nicht durch den Staat, was eine Beleidigung ist! – so tun als wären sie Verbrecher?

In vielen Reden lenkst Du  genau den Focus darauf, dass die Guerilleros nicht mehr als „Banditen“ betrachtet werden sollten.

Es ist so, dass in den Archiven der Schnellverfahren  weiterhin die Erschossenen  als Kriminelle bezeichnet werden. Ich selbst bin immer noch ein Bandit. Ich lebe noch und kann kämpfen, um dies zu ändern, aber die Toten können es nicht. Es ist eines Staates, der sich selbst demokratisch nennt, unwürdig, Tote in Gräben zu lassen und sie weiterhin als Banditen zu betrachten. Deshalb ist das Gesetz von Zapatero der Baum, der dich den Wald nicht sehen lässt, denn das Grundlegende bleibt bestehen. Und das Problem des historischen Erinnerns ist nicht eines von links oder rechts, es ist eines der ganzen Gesellschaft. Eine Gesellschaft, die ihre Vergangenheit nicht kennt, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen.

„Das Problem des historischen Erinnerns ist nicht das von links oder rechts, es ist eines der ganzen Gesellschaft; diejenigen, die ihre Vergangenheit nicht kennen, sind dazu verdammt, sie zu wiederholen.“

Einige Gesetze, wie das valencianische, sprechen von „Zusammenleben“.

Ja, von Zusammenleben und Versöhnung! Von den Toten mit den Lebenden! Nein, Versöhnung kommt nach Gerechtigkeit. Der Faschismus löschte alles aus, was ihm nicht passte. Das ist in diesem Land leider passiert. Aber wenn die Demokratie kommt, müssen wir als Erstes dieses reparieren, sonst können wir nicht sagen, dass wir alle vor dem Gesetz gleich sind. Da es seinerzeit nicht getan wurde, müssen wir den Schaden jetzt beheben. Lassen wir Gerechtigkeit walten, und danach werden wir über das Zusammenleben in der Gesellschaft sprechen können.

Es ist unmöglich, an dieser Stelle nicht das Tal der Gefallenen zu erwähnen…..

Ein Denkmal, das 80 Jahre später den Völkermord rechtfertigt – es war nämlich Völkermord – ist die Antithese der Demokratie. Man  muss das Symbol in El Valle entfernen, es kann kein Ort sein, an dem man einen Diktator nach seinem Tod verehren kann. Es geht darum, zu heilen und zu erkennen, dass der Völkermord der Gesellschaft tiefe Wunden zugeführt hat und dass er kulturelle, ideologische, gefühlsmäßige … Nachwirkungen hat. Wenn wir nicht zeigen, dass dieses Land diese Methoden zurückweist, welche Kultur überliefern wir dann? Hass?

Manchmal sprichst du in Schulen darüber. Wie nimmst du das Engagement junger Menschen für das historische Gedächtnis wahr?

Es ist beunruhigend, denn es gibt Menschen, die sehr gut vorbereitet sind, aber nicht wissen, was ihre Großeltern erlebt haben. Sie wissen, was die Römer oder die Griechen taten, aber nicht, was in der jüngeren Geschichte geschah, deren Produkt sie sind. Dies ist so, weil die Geschichte der Angst übermittelt wurde. Und ich spreche nicht von der Angst vor Faschismus oder Kommunismus, nein; ich spreche von der Angst, sich auf die eigenen Probleme einzulassen. Die Macht zieht es vor, dass die neuen Generationen keine Fragen stellen und den Glauben aufrechterhalten, dass „es nicht wichtig ist, weil es bereits vergangen ist“. Auch politische Kräfte und Institutionen sind in Apathie verfallen, und es ist ein politischer Fehler, wenn junge Menschen der Vergangenheit den Rücken kehren.

Wie sollte das Ihrer Meinung nach repariert werden?

Es gibt Dinge, die in die Zuständigkeit des Staates fallen: die Regelung von Schnellverfahren oder die Änderung von Unterrichtstexten. In den meisten Lehrbüchern wird die Zweite Republik mit großer Zweideutigkeit oder in einer abwertenden Weise behandelt, obwohl einige Übertreibungen des Franco-Regimes modifiziert wurden. Wenn ein Teil der Geschichte im Dunkeln bleibt, können junge Menschen keine Vergleiche anstellen oder ihr Denken entwickeln.

Quico sichtet die Presseausschnitte und Fotos aus dem Buch „Spanien, französische Leidenschaft. Kriege, Exil, Solidarität 1936-1945′ El Salto País Valencià

Assoziationen an die  Kellys (stammen aus Talavera de la Reina, Spanien), demonstrierende Rentner, die feministische Bewegung…. Sind diese Teil dieser „Selbstbefreiung“?

Es ist der Keim des kollektiven Bewusstseins. Auch wenn es sich nur um eine begrenzte Äußerung handelt, aber auf einer kollektiven Ebene stattfindet, findet ein Lernprozess statt. Nicht jeder, der demonstriert, ist sich der Bewegung vollständig bewusst, aber er hat das Wesentliche verstanden und ist Teil von ihr. Es ist der Beginn, stärker als die Macht zu sein. Und Frauen sind definitiv der wichtigste Faktor unserer Zeit.

„Ein Keim von kollektivem Bewusstsein existiert bereits, und Frauen sind der wichtigste Faktor unserer Zeit.“

Warum ist das so?

Wegen des kollektiven Bewußtseins des vorherrschenden Machismus. Bei den meisten Kongressen, an denen ich teilnehme, ignorieren die Historiker die Guerillera-Frauen. Meine Mutter, meine Schwestern, meine Dorfnachbarinnen, zählen sie nicht? Tausende und Abertausende von Frauen waren an der Guerillabewegung beteiligt. Viele wurden ermordet oder sie mussten fliehen, aber die Geschichte wird von Männern geschrieben.

Jetzt haben sie mit dem Mythos gebrochen, dass Frauen sich unterwerfen müssen, mit dem Patriarchat, das so sehr verwurzelt ist in einer reaktionären Konzeption. Das ist revolutionär, in der Tat ist dies der revolutionärste Faktor, den wir in Spanien haben. Wir alle haben den Machismus durch die Kultur verinnerlicht, weil wir von der Umgebung, in der wir leben und in der wir gelebt haben, bestimmt werden. Es ist ein Prozess, aber es ist ein notwendiger Prozess.

„Ich habe es immer abgelehnt, die Vergangenheit mit Nostalgie zu betrachten.“ Es ist ein Zitat aus Deinem Buch „Guerrillero contra Franco, Guerrillero contra el olvido“  (Guerrillero gegen Franco, Guerillero gegen das Vergessen): Mit welcher Haltung sollte man in die Vergangenheit schauen?

Auf der Suche nach der Wahrheit. Nicht mehr und nicht weniger. Das Negative und das Positive. In der Lage sein, Erfahrungen aus deinem Leben zu sammeln, sowohl aus dem persönlichen als auch aus dem kollektiven. Zu wissen, was wir nicht in der Lage waren zu schaffen und wie wir es jetzt tun können. In einer Welt, die in Bewegung ist, muss jeder Mensch wissen, wie und wo er sich positionieren muss, um seine  Rolle als  Veränderer als Teil der Geschichte zu erfüllen. Und um deine Verantwortung in der Gegenwart zu übernehmen, musst du die Vergangenheit kennen. Denn wenn du diese aktive Rolle im Leben nicht übernimmst, warum bist du dann ein Teil davon?

Übersetzung: Angelika Becker 30.10.2018

 

Redaktion KFSR

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