Stolperstein für Franz Vehlow – ein Kalker Jung. Von Dr. Fritz Bilz.

Titelbild: Stolperstein für Franz Vehlow, Köln Höhenberg, Weimarer Straße 16. Foto: Ulrich Eumann.

Die Redaktion dokumentiert mit freundlicher Genehmigung des Autors die während der Stolpersteinverlegung für Franz Vehlow am 11. September 2018 in Anwesenheit der Paten des Steins, Isabel Martínez und Jesús Rodríguez aus Madrid, gehaltene Rede.

Stolperstein für Franz Vehlow – ein Kalker Jung

Heute wurde hier für Franz Vehlow ein Stolperstein verlegt, initiiert hat ihn Dr. Ulrich Eumann. Gestiftet haben ihn die beiden Spanier Jesus Rodríguez und Isabel Martínez. Zwei Menschen, die Angehörige beim Spanischen Freiheitskampf verloren haben und sich seit Jahren der Erinnerungsarbeit der Opfer des Franco-Faschismus widmen. Eumann forscht seit langem im NS-Dokumentationszentrum Köln über den Widerstand im Nationalsozialismus in Köln und über die Beteiligung Kölner Widerstandskämpfer bei der Verteidigung der Spanischen Republik. Dabei ist er auf Franz Vehlow gestoßen.

Franz Vehlow war ein Kalker Junge. Geboren wurde er am 24 Oktober 1895 in der Victoriastraße 19 in der damals noch selbständigen Stadt Kalk, die 1910 nach der Eingemeindung Kalks nach Köln in Vietorstraße umbenannt wurde. Sein Vater war Platzmeister, wahrscheinlich auf dem großen Lagerplatz der damaligen Maschinenbauanstalt Humboldt. In seiner Kindheit und Jugend sind die Eltern von Franz Vehlow – der Vater hieß auch Franz, außerdem hatte er zwei Schwestern, Else und Klara – öfters umgezogen. So wohnten sie zeitweise in der Helenenstraße in Kalk, heute die Vorsterstraße, bis sie ab 1913 in der Vietorstraße 52 a einzogen. Das Haus gehörte  der Familie Vehlow. Die Schwestern eröffneten bald eine Zigarrenhandlung im Haus. Der Vater verstarb schon vor dem ersten Weltkrieg.

Franz Vehlow junior lernte Dreher, wahrscheinlich beim Humboldt, denn nach dem Ersten Weltkrieg arbeitete er bei diesem Unternehmen.

Von 1915 bis 1918 war er Soldat. Schon früh organisierte er sich in der Arbeiterbewegung vermutlich in der sozialdemokratischen Jugendorganisation SAJ.

Nach der Novemberevolution 1918 wurde Vehlow Mitglied der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD). 1920 trat er zusammen mit dem linken Flügel der USPD zur neugegründeten Kommunistischen Partei Deutschlands über. Auch bei der Maschinenbauanstalt Humboldt engagierte er sich politisch. In der zweiten Hälfte der 1920er Jahre war er der einzige kommunistische Betriebsrat beim Humboldt, die damals hauptsächlich ganze Bergwerksanlagen und Dampflokomotiven produzierte. Nach einer Unterschriftensammlung 1928 im Betrieb wurde er entlassen. Wofür er Unterschriften sammelte, ließ sich nicht ermitteln.

Er hatte bis 1924 bei seiner Mutter in der Vietorstraße 52 a gewohnt, nun zog er in die Höfestraße und 1927 in die gerade in Höhenberg neu gebaute Germania-Siedlung hier in das Haus Weimarer Straße 16, 2. Etage.

Nach seiner Entlassung beim Humboldt wurde er hauptamtlicher Funktionär der KPD, ab 1929 in der Bezirksleitung Mittelrhein. Er kandidierte für die KPD für den preußischen Landtag. 1930 wurde er durch die Partei nach Ostpreußen versetzt, wo er auch Redakteur der KPD-Zeitung „Echo des Ostens“ in Königsberg war.

Vehlow durchlief mehrere Parteischulungen in Moskau so 1931 einen nachrichtendienstlichen Lehrgang und 1932 war er Kursteilnehmer der Internationalen Leninschule in Moskau. Er behielt seine Wohnung hier in der Weimarer Straße bis er Köln 1934 verließ.

Seine nachrichtendienstliche Tätigkeit befasste sich hauptsächlich mit der Überwachung des politischen Gegners, der SPD.

Er erhielt nun den KPD-Decknamen „Louis Schuster“.

Nach der Machtübertragung an die Nazis 1933 war er zunächst in Berlin illegal für die KPD tätig.

Seit 1934 lebte er unter dem Decknamen „Arno“ wieder in Köln und arbeitete im Widerstand für die KPD und die „Rote Hilfe“. Später im Jahr emigrierte er in das Saarland und war dort Leiter der „Roten Hilfe“. Diese Organisation war 1921 von der KPD zur juristischen und sozialen Unterstützung inhaftierter KPD- oder nahestehender Organisationsmitglieder gegründet worden. Sie wurde 1933 verboten, arbeitete aber illegal weiter. 1935/36 wurde sie von der Gestapo aufgelöst.

Das Saargebiet war nach dem Versailler Vertrag 1920 für 15 Jahre dem Völkerbund unterstellt. 1935 wurde es nach einer Volksabstimmung Teil des Deutschen Reichs.

Ende 1934 wurde Vehlow wegen seiner Tätigkeit für den Nachrichtendienst der Kommunistischen Internationale aus dem Saargebiet ausgewiesen und übernahm 1935 in Paris unter dem Namen „Charly“ die Emigrationsleitung der KPD. Zeitweise lebte er in der Schweiz, wo er von Zürich aus die Emigrationsleitung der KPD in der Schweiz innehatte.

Nachdem er dort die ersten Solidaritätsmaßnahmen für die Spanische Republik organisierte – inzwischen hatten in Spanien im Juli 1936 rechtsgerichtete Offiziere gegen die Spanische Republik geputscht – wurde Vehlow verhaftet und nach einigen Wochen Haft im August 1936 nach Frankreich ausgewiesen.

Von dort organisierte er im Oktober 1936 einen Eisenbahntransport von Freiwilligen für die Spanische Republik, dem er sich anschloss.

Am 21. Oktober 1936 traf er in Albacete ein, dem Zentrum der Internationalen Brigaden, die zur gleichen Zeit auf sowjetische Initiative hin aufgebaut wurden. Gemeinsam mit dem Schriftsteller Ludwig Renn als Stabschef, einem Kompanieführer des Ersten Weltkriegs, organisierte er die Ausbildung des neu formierten Thälmann-Bataillons als Teil der XI. Internationalen Brigade, die am Anfang vorwiegend aus Deutschen und Österreichern bestand.

Der zweite Einsatz begann am 17. November 1936 zur Stabilisierung der republikanischen Front am Rande des Universitätsviertels im Norden Madrids. Bis zum Jahresende gelang den Franquisten der Durchbruch zur Eroberung der spanischen Hauptstadt Madrid nicht, weshalb diese ihre Strategie umstellten, und sich auf andere Fronten konzentrierten.

Vehlows Tätigkeit im Rahmen des Bataillons war die eines Politischen Kommissars. Dies war eine Funktion, die während des russischen Bürgerkriegs eingeführt wurde und später auf ausländische Truppen unter sowjetischem  Einfluss übertragen wurde. Der Politkommissar kümmerte sich um die politische Arbeit in seinem Truppenteil und konnte sogar politisch ‚falsche‘ Befehle aufheben. Laut Gustav Szinda, Stabschef der XI. Internationalen Brigade, war Vehlow „einer der aktivsten und tapfersten Kommissare der Brigade“. Der deutsche Schriftsteller Gustav Regler, der Vehlow persönlich kannte, beschrieb ihn und seine Motivation wie folgt: „Wer ihn in diesen letzten Wochen gesehen hat, empfand, wie er selbst diesen Kampf als eine Krönung vieler schwerer Jahre ansah. In den politischen Diskussionen, die er mit Eifer pflegte, wusste er allen das Bewusstsein zu stärken, dass man vor einem Feind lag, der nicht nur Franko [sic!] hieß, sondern HitHansler.“

Am 1. Dezember 1936 besichtigte Franz Vehlow gemeinsam mit Hans Beimler die vordersten Stellungen der Thälmann-Brigade am schwer umkämpften Mustergut Palacete. Der frühere bayerische KPD-Landtagsabgeordnete Beimler war am 9. Mai 1933 aus dem Konzentrationslager Dachau geflohen. Anfang August 1936 war er nach Barcelona gekommen, um bei der Aufstellung des ersten Thälmann-Bataillons zu helfen. Beimler wurde an einer Stelle, die vom Gegner einsehbar war, durch Schüsse marokkanischer Scharfschützen tödlich verwundet. Als sein Begleiter Franz Vehlow ihm aus dem Schussfeld helfen wollte, wurde er ebenfalls getroffen und so schwer verwundet, dass er noch am gleichen Tag starb.

Gemeinsam mit drei getöteten Mitgliedern der Internationalen Brigaden wurde er im Volkshaus des nördlichen Madrider Stadtteils Fuencarral drei Tage lang aufgebahrt und dann am 5. Dezember 1936 auf dem Ehrenfeld der Interbrigadisten auf dem Friedhof von Fuencarral beigesetzt. Die Gedenktafel für die internationalen Brigadisten hatte er als eine seiner letzten Amtshandlungen noch bestellt. Diese trägt die Inschrift „Freiwillige der Internationalen Brigaden. Grab der Helden. Für die Freiheit des spanischen Volkes, das Wohl und den Fortschritt der Menschheit“.

In dem von Gustav Regler verfassten Nachruf auf Vehlow in der Zeitschrift „Front-Information“ des Thälmann-Bataillons hieß es: „Louis Schuster starb, wie er gelebt hatte. In vorderster Linie des Kampfes. Ein Kopfschuss warf ihn nieder auf die Erde, für deren Freiheit er seine Intelligenz, seine weite Erfahrung, seine ungebrochene Kraft geben wollte.“ „Le peuple en armes“ („Das Volk in Waffen“), das Organ der XI. Internationalen Brigade, schrieb in seinem Nachruf: „Louis war allen Angehörigen des Bataillons mehr als nur Kamerad; er war ihnen Helfer, Berater und Organisator. Mit einer fast zwei Jahrzehnte langen Erfahrung in der Arbeiterbewegung war er der politische Kopf des Bataillons. Seine Fähigkeiten, sein Fleiß, seine Sachlichkeit war allen Kameraden Vorbild.“

Mit Franz Vehlow erhält der erste aktiv kämpfende Interbrigadist aus Köln seinen Stolperstein. Zwar liegt  bereits seit dem 1. September 2014 ein Stolperstein für den Interbrigadisten Dr. med. Walter Blank in der Lohrbergstraße 27 in Köln-Klettenberg. Blanks Tätigkeit in Spanien aber beschränkte sich auf den Aufbau eines Sanitätsdienstes der Internationalen Brigaden und die Leitung verschiedener Lazarette.

Dr. Fritz Bilz und Dr. Ulrich Eumann

 Weitere Informationen:

Kölner Wochenspiegel vom 19.09,2018:

Der Künstler Gunter Demnig verlegte in Höhenberg auf der Weimarer Straße in Höhe der Hausnummer 16 einen Stolperstein, der an Franz Vehlow erinnert. Foto: König.

Höhenberg –

(kg). „Wir stehen hier am Stolperstein zur Erinnerung an Franz Vehlow“, erklärte Dr. Fritz Bilz von der Geschichtswerkstatt Kalk. Zuvor hatten Arbeiter der Stadt eine Betonplatte des Bürgersteigs an der Weimarer Straße in Höhe der Hausnummer 16 in Höhenberg entfernt und durch Teilstücke, passend für einen Stolperstein, ersetzt. Der Künstler Gunter Demnig verlegte dann einen Stolperstein. Weiter.

Medienspiegel | Gedenken: Stolperstein für einen Kämpfer. Aus: Kölner Stadt-Anzeiger Köln vom 04. 09. 2018

Ein Stolperstein für Franz Vehlow (alias Louis Schuster) in Köln.

 

Dienstag, 11.09.2018, zwischen 11.00 und 12.00 Uhr:
Anlässlich einer Stolperstein-Verlegung vor dem Haus Weimarer Str. 16 in Köln-Höhenberg plant die Geschichtswerkstatt Kalk eine Veranstaltung, um an Franz Vehlow zu erinnern.
Franz Vehlow wurde am 24.10.1894 in Kalk geboren. Er lebte bis 1934 in Köln-Höhenberg, Weimarer Str. 16 und organisierte den Widerstand gegen die Nazis in und um Höhenberg und Kalk. Dann floh er vor den Nazis nach dem Saarland, wo er aus gewiesen wurde. Über Frankreich ging er nach Spanien, wo er sich im Oktober 1936 den Internationalen Brigaden anschloss. Er nahm an den Kämpfen um Madrid teil und wurde am 01. Dezember 1936 tödlich verwundet. Der Stolperstein soll an diesen aufrechten Menschen erinnern.

 

Redaktion KFSR