„Tschapaiew. Das Bataillon der 21. Nationen“. Die Geschichte eines Buches von Alfred Kantorowicz, das nicht erscheinen sollte (Teil I. & II.)
Im Jahre 1938 erschien bei der Imprenta Colectiva Torrent in Madrid ein Buch in deutscher Sprache, das heute vermutlich zu den eher selteneren Druckerzeugnissen des deutschen Exils gehört. Der eindrucksvolle Schutzumschlag des Buches zeigt neben der rot-gelb-violetten Fahne der 2. Spanischen Republik den stilisierten Kampfverlauf eines Bataillons der spanischen republikanischen Armee von seiner Gründung am 11. November 1936 in Albacete über die Orte der heftigsten Kämpfe an der Málaga- und der Córdoba-Front bis hin zur Schlacht um Brunete, in der das Bataillon aufgerieben und danach aufgelöst wurde. Das Buch trägt den Titel „Tschapaiew. Das Bataillon der 21. Nationen“ und ist dem Bataillon gewidmet, das Bestandteil der XIII. Internationalen Brigade und dessen Zusammensetzung die internationalste war, die eine der vielen aus ausländischen Freiwilligen gebildeten Einheiten der Spanischen Volksarmee aufzuweisen hatte. Dieses Buch, „Dargestellt in Aufzeichnungen seiner Mitkämpfer“, wurde, so ist auf der Titelseite zu lesen, „Redigiert von Alfred Kantorowicz. Informationsoffizier des Bataillons.“ Nun ist „redigieren“ wohl ein irreführender Begriff, denn Kantorowicz hat die Berichte gesammelt, zusammengestellt und die Drucklegung des Buches allein und gegen Widerstände organisiert und durchgesetzt. Das Kuriose ist, dass von einigen der politischen Spitzenkader der Internationalen Brigaden und vor allem seitens der KPD in Spanien mit allen Mitteln versucht wurde, das Erscheinen dieses Buch zu verhindern.
Alfred Kantorowicz war im November 1936 aus Moskau nach Frankreich gereist und von dort aus im Dezember in Spanien eingetroffen. Da er einen noch gültigen deutschen Pass besaß, musste er nicht einen der üblichen Schleichwege benutzen, auf denen die Freiwilligen aus aller Welt der durch den Generals-Putsch bedrohten Republik zur Hilfe eilten. Er konnte von Toulouse nach Barcelona fliegen und war kurz darauf in Madrid bei der XI. Internationalen Brigade, die bei der Verteidigung der spanischen Hauptstadt eine entscheidende Rolle spielte. Zunächst Presse-Offizier dieser Brigade, wurde Kantorowicz dann vom Generalkriegskommissariat der Internationalen Brigaden beauftragt, mit dem „Volontaire de la Liberté“ eine in französischer und deutscher Sprache für alle internationalen Freiwillige bestimmte Frontzeitschrift zu gründen und herauszugeben. Nach drei Monaten Arbeit an dieser Zeitschrift wurde Kantorowicz an die Córdoba-Front zur XIII. Internationalen Brigade kommandiert, weil sich in dieser Einheit, die inzwischen „die vergessene Brigade“ genannt wurde, der Unmut über den ununterbrochenen Fronteinsatz, ohne Urlaub oder Hoffnung auf Ablösung, zunahm. Obwohl Prominente wie Egon Erwin Kisch, Alfred Kuttner, später auch Gerda Taro und Robert Capa die XIII. Brigade besucht hatten, war man dort der Meinung, dass die anderen internationalen Verbände, vor allem die XI. Brigade, die an der Zentralfront kämpfte, viel mehr im Blick der Öffentlichkeit stehen, besser versorgt und vor allem an entscheidenderen Frontabschnitten eingesetzt würden. Als Kantorowicz in der Sierra Mulva eintraf, hatte die Stimmung der Freiwilligen einen Tiefpunkt erreicht. Der Kommandeur der XIII. Brigade, Wilhelm Zaisser, der in Spanien den Allerwelts-Namen José Gómez trug, war der einzige Deutsche im republikanischen Spanien, der einen Generals-Rang hatte. Das machte ihn dem Kriegsministerium und dem Generalstab der Armee nicht unbedingt sympathisch, denn Zaisser hatte diesen Rang dem von der Kommunistischen Partei Spaniens gebildeten „5. Regiment“, vor allem aber den Internationalen Brigaden zu verdanken, und überdies nicht das für eine solche Beförderung notwendige Procedere der Armee durchlaufen. Das mittlerweile wegen dem franquistischen Druck auf Madrid in Valencia angesiedelte Kriegsministerium der Republik war außerdem besorgt über die wachsende Dominanz kommunistischer Kader in der Armee. Vor diesem Hintergrund muss auch die Haltung des spanischen Kriegsministeriums und des Generalstabs gegenüber der XIII. Brigade gesehen werden.
Kantorowicz, der schon den Tod einiger Freunde im Kampf gegen die Truppen Francos zu beklagen hatte, war aber nicht als Journalist an die Front in der Sierra gekommen. Er wollte kämpfen. „Der General“, wie er Zaisser in seinem „Kriegstagebuch“ in der Regel nannte, hatte Kantorowicz zunächst ohne besonderen Aufgabenbereich im Brigadestab beschäftigt, vielleicht auch, weil die intellektuellen Diskussionspartner in seiner Umgebung immer weniger wurden. Dann aber gab er dem Drängen Kantorowicz´s nach und kommandierte ihn am 20. Juni 1937 im Range eines Teniente (Leutnant) als Informations-Offizier zum „Tschapaiew“-Bataillon. Er konnte nun ohne besondere Erlaubnis die vordersten Stellungen aufsuchen, was auch seine Aufgabe war, denn der Informations-Offizier war eine Art Militärtopograph. Schon zu dieser Zeit reifte bei Kantorowicz der Gedanke, die Geschichte dieses Bataillons zu schreiben, weil ihn die Erzählungen seiner neuen Kameraden beeindruckten. Er begann damit, diese Berichte zu sammeln. Für das Niederschreiben aber war es noch zu früh.
Am 29. Juni war die XIII. Internationale Brigade und somit auch das „Tschapaiew“-Bataillon an die Zentralfront vor Madrid verlegt worden. Alle Kämpfer waren erschöpft und hatten gehofft, wenigstens einige Tage Urlaub in Madrid verbringen zu können. Stattdessen sollte die Brigade in der Schlacht um Brunete (6. bis 25. Juli 1937), die als Entsatz für Madrid gedacht war, in den Kampf geworfen werden. Der Brigadearzt Dr. Fritz Jensen hatte sich besorgt an den Kriegsrat der Internationalen Brigaden gewandt und vom medizinischen Standpunkt aus gewarnt, die Männer erneut an die Front zu schicken. Der Kommandeur der Brigade, General Gómez, hatte beim Stab der Zentrumsarmee vergeblich um eine Ruhepause nachgesucht. Er war daraufhin seiner Funktion enthoben und sogar für kurze Zeit vom Chef der Zentrumsarmee, General José Miaja, festgenommen worden. Der neue Brigadekommandeur Major „Krieger“ (d.i. Vincenzo Blanco), den Kantorowicz als „verrückt“ bezeichnete, der eigentlich aber selbst überrascht und überfordert war, befehligte nun die Brigade in einem Kampf, dem die Freiwilligen nicht mehr gewachsen waren. Auch das trug dazu bei, dass die Brigade ernste Verluste hinnehmen musste. Es kam zu Zersetzungserscheinungen und Anfang August sogar zur Meuterei des zur Brigade gehörenden spanischen Bataillons „Juan Marco“. Am 4. August wurden die Reste der Brigade entwaffnet und ihre Freiwilligen anderen internationalen Einheiten zugeteilt.
Alfred Kantorowicz hat das nicht mehr miterleben müssen. Am 21. Juli hatte er am Ufer des Guadarrama in einer Höhle zwischen den Wurzeln eines Baumes Schutz gesucht, als über ihm im Baum eine Sprengbombe explodierte und ihn halb verschüttete. Der Schock, den Kantorowicz davontrug, war so groß, dass er längere Zeit im Hospital zubringen musste. Als Rekonvaleszent war er wieder wie ganz zu Beginn der XI. Internationalen Brigade unterstellt, von deren Führung er nun auch den offiziellen Auftrag erhielt, die Geschichte des „Tschapaiew“-Bataillons zu schreiben. Dazu durfte er auch das Archiv dieser Brigade nutzen, das sich im Haus der Internationalen Brigaden in der Calle Velasquez in Madrid befand. Wohnen und Schreiben konnte er im Schloss Moraleja, in dem die XI. Brigade ein Heim für spanische Kriegswaisen betreute. Neben dem Schreiben hatte Kantorowicz zudem den Auftrag, bestimmte Aufgaben bei der Betreuung der Kinder zu übernehmen. Als im Oktober seine Frau Friedel nach Spanien kam, zog er nach Madrid in die Nähe der Calle Velasquez, um sich, während sie allabendlich in der deutschen Sendung von Radio Madrid sprach, ganz dem Buch widmen zu können. Die Arbeit ging schnell voran, und zum Schluss hatte er die Beiträge von 78 Freiwilligen aus 13 Nationen gesammelt. Kantorowicz war stolz darauf: „Es schrieben die Schützen, die Melder, die Fouriere, die Gewehrführer, die Sanitäter, Zugführer, Frontoffiziere, Frontärzte – Industriearbeiter, Grubenarbeiter, Landarbeiter, Mechaniker, Kraftfahrer, Fischer, Seeleute, Angestellte, Beamte, Handwerker, Kaufleute, Juristen, Maler, Schriftsteller; es schrieben Deutsche, Spanier, Polen, Franzosen, Schweizer, Israelis, Holländer, Schweden, Engländer, Ungarn, Tschechen, Österreicher, Jugoslawen – bis aus vielen Stimmen der Einklang einer internationalen Gemeinschaft wurde.“ [1]
Anfang November 1937 war das Buch druckfertig. Nun war es im belagerten und unterversorgten Madrid, noch dazu im beginnenden Winter, nicht einfach, ein so aufwändig gemachtes, reich illustriertes Buch drucken zu lassen. Aber Kantorowicz kannte zwei kollektivierte Druckereien aus der Zeit, in der er für die Zeitschrift der Brigaden verantwortlich war. Und er bekam tatsächlich die erwartete Hilfe von beiden, was zu dem wohl einmaligen Ergebnis führte, dass das Buch aus zwei Teilen mit jeweils unterschiedlichen Schrifttypen besteht. Alle technischen Probleme konnten gemeistert werden, auch das, dass das geschmolzene Blei für den Satz in der winterlichen Kälte zu schnell erstarrte und die spanischen Setzer kein Wort Deutsch verstanden.
Die Schwierigkeiten kamen von anderer Seite. Die politische Leitung der Interbrigaden und die Vertretung der KPD in Spanien versuchten, wie schon erwähnt, mit allen Mitteln, das Erscheinen des Buches zu verhindern. Obwohl er das Manuskript gar nicht kannte, hatte Franz Dahlem, der in der Nachfolge des am 1. Dezember 1936 bei Madrid umgekommenen Hans Beimler der verantwortliche Vertreter der KPD in Spanien war, am 10. November 1937 vor seiner Abreise Kantorowicz eine Nachricht mit folgendem Inhalt hinterlassen: „Das Buch muss: 1. ein Teilbild sein des spanischen Freiheitskrieges; 2. muss widerspiegeln ein Stück des Lebens der XIII. Brigade, deren Bestandteil das Bataillon war; 3. muss widerspiegeln die engste Solidarität der Spanier mit den Internationalen; 4. muss widerspiegeln die internationale Volksfront besonders mit dem französischen Bataillon. Das muss garantiert werden. Und deshalb ist eine kollektive Besprechung mit Gómez, Schindler, Ewald Fischer nötig, das heißt, eine Umarbeitung des Buches. Auf mehrere Wochen kommt es bei solchem Buch nicht an.“ [2] Schindler (d.i. Albert Schreiner) war Stabschef und Ewald Fischer (d.i. Ewald Munschke) war Politkommissar der XIII. Brigade gewesen.
Kantorowicz begriff sofort, dass Dahlem Zeit gewinnen wollte. Zudem hatte er mit etwa zwanzig Personen des Bataillons und der früheren Brigadeführung gesprochen, die ihm alle ihre Zustimmung versicherten. Ebenso war er sicher, dass die Führung der XI. Brigade, der er 1. unterstand und die ihn 2. mit der Abfassung dieses Buches beauftragt hatte, solidarisch zu ihm stand. Um sich das bestätigen zu lassen und auch seine Person aufzuwerten, schrieb er am 13. Januar 1938 an Heiner (Heinrich) Rau, zu dieser Zeit Kommandeur der XI. Internationalen Brigade, und bat ihn, ihm bei der Erlangung der spanischen Staatsbürgerschaft behilflich zu sein. Außerdem meinte er, dass eine Rangerhöhung zum Capitán (er war zu diesem Zeitpunkt Teniente, also Leutnant) der Herausgabe seines Buches dienlich und für Lesungen im Ausland förderlich sei. An englischen Universitäten und in den USA würde seine Person, wäre er Captán der Spanischen Volksarmee, viel ernster genommen. Er verkniff sich nicht die Anspielung, dass gerade die deutschen Freiwilligen einen großen Anteil der Offiziersdienstgrade bei den Internationalen stellte und warnte vor der hypothetischen an ihn gerichteten Fragestellung, weshalb er nach über einem Jahr als Offizier bei den Brigaden und als verantwortlicher Redakteur der deutschen und französischen Ausgabe des „Volontario de las Libertad“ noch immer nur Leutnant wäre. [3] Aber ohne eine Entscheidung hinsichtlich des erwähnten Briefes abzuwarten, hinterlegte er einen Durchschlag des Manuskripts im Generalkommissariat in Barcelona und beschloss, das Buch auch ohne Druckgenehmigung herauszubringen. Aber die politisch Verantwortlichen hatten den hinterlegten Durchschlag sehr wohl gelesen, waren inzwischen aber auch darüber informiert worden, dass Kantorowicz die Drucklegung ohne Genehmigung betrieb. Am 1. Februar 1938 erhielt er ein Schreiben von Fritz Arndt (d.i. Karl Mewis, einige Zeit Leiter der Militärabteilung des Ausländerdienstes des Partido Socialista Unificado de Cataluña, PSUC, also der katalanischen Kommunisten, und in dieser Zeit Vertreter von Franz Dahlem) folgenden Inhalts: „Da für das Tschapaiew-Buch noch einige Änderungen vorgenommen werden müssen, ist es notwendig, dass Du sofort den begonnenen Druck aufhältst und weitere Anweisungen von uns erwartest. gez. Fritz Arndt.“ [4]
Da aber der größte Teil des Buches schon gesetzt war, hatte Kantorowicz nicht die Absicht, den Druck aufzuhalten, im Gegenteil. Um das Tempo zu steigern, beauftragte er, wie erwähnt, eine zweite Druckerei. Da erreichte ihn und seine Frau Friedel der Befehl, sofort nach Barcelona zu kommen und sich Gallo (d.i. der italienische Kommunist Luigi Longo), dem Generalinspekteur und Generalkommissar der Internationalen Brigaden, zur Verfügung zu stellen.
Der Brief, dessen Durchschlag erhalten blieb [5], hatte folgenden Wortlaut:
9.III.38 14. Feb. 1938
Gen. Kantorowitch
Commissariat des Brigades Internationales
Velasquez
Madrid
Lieber Genosse.
Ich bestätige den Befehl, der Dir gegeben worden war, dass Du sobald als möglich hierher nach Barcelona kommen sollst. Beiliegend übersende ich Dir eine Kopie des Berichtes über das Manuskript Deines Buches „Bataillon Chapaieff“, mit dem ich vollkommen einverstanden bin. (Mit dem Bericht).
Ich bitte Dich, Dich an die Schlussfolgerungen aus diesem Bericht halten.
Mit antifaschistischen Grüssen
L´Commissaire Deluege de Guerre
Inspektor des Brigades Internationales
Luigi Gallo
Handschriftlich: Hat sich absolut geweigert zu kommen. A. Marty
Während seine Frau nach Barcelona reiste, blieb Kantorowicz in Madrid. Er rechnete damit, wegen Befehlsverweigerung verhaftet zu werden. Und tatsächlich wurde es ernst: Hätte ihn der Verwalter des Hauses der Interbrigaden in der Calle Velázquez nicht gewarnt, dass André Marty, der Vorsitzende des Obersten Kriegsrates der Brigaden, der gerade im Hause die XIV. Brigade inspizierte, bei dieser Gelegenheit mit einer Gruppe Bewaffneter auch nach einem „Serben“ fahnde, Kantorowicz wäre vermutlich vor dem Erscheinen des Buches verhaftet und vor ein Kriegsgericht gestellt worden. Erst später begriff er, dass er mit seiner Weigerung fast zum Deserteur geworden war.
Am 14. März 1938 war das Buch ausgeliefert worden. Wie Kantorowicz schrieb, fuhr er mit dem Buch sofort nach Barcelona:
„Am 16. März vormittags in Barcelona. Ich ließ mich dienstlich bei Generalkriegskommissar Gallo melden und wurde sofort vorgelassen. Gallo saß in Uniform an einem großen, leeren Schreibtisch. Hinter ihm stand ein Mann von mittleren Jahren in Zivil. Ich hatte einen Band des Tschapaiew-Buches in der linken Hand, salutierte, trat zum Schreibtisch, legte das Buch vor Gallo, trat zurück und sagte: < Camarade Gallo, voilà le livre de mon Bataillon. Maintenant vous me arrêter.> Gallo sah mich an. Dann öffnete er schweigend den Band. Der Mann hinter ihm sah interessiert über seine Schulter. Ich blieb in Habachtstellung drei Schritte vom Schreibtisch entfernt stehen. Es werden etwa zwanzig Minuten vergangen sein, während Gallo und der Fremde immer interessierter in dem Buch blätterte.
Der Fremde besonders wies auf einzelne Fotos und Überschriften der Beiträge von Kameraden der verschiedenen Nationalitäten hin. Dann sah er mich an und sagte:<Enfin.> Endlich war auch ein deutsches Buch über die Kämpfe der Interbrigaden erschienen, und es machte einen guten Eindruck. Er kam hinter dem Schreibtisch hervor, schüttelte mir die Hand, und nun lächelte auch Gallo. Der Fremde war Togliatti. Damit hatte ich meinen Privatkrieg gewonnen.“ [6]
Palmiro Togliatti, einige Zeit stellvertretender Generalsekretär des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale (EKKI), war unter dem Decknamen „Alfredo“ oder auch „Ercoli“ der ranghöchste Vertreter dieser Organisation in Spanien. Er stand damit weit über dem misstrauischen und cholerischen André Marty, der als Sekretär des Präsidium des EKKI mit der politischen Leitung der Internationalen Brigaden betraut war. Marty war vermutlich in dieser Funktion überfordert, deshalb vermutete er überall Feinde, Renegaten und Abweichler. Für die ihm angedichteten Verbrechen gibt es allerdings keine Beweise. Wenn ihn aber die KPD-Führung in Spanien davon unterrichtet hatte, und anders lässt sich seine Suche nach dem „Serben“ nicht erklären, dass Kantorowicz unkontrolliert ein Buch veröffentlicht, in dem eventuell nicht die Linie der Partei vertreten wurde, dann ist es durchaus möglich, dass Marty gegen ihn aktiv wurde. Verschwiegen soll aber auch nicht werden, dass André Marty die Deutschen und auch die deutschen Kommunisten nicht mochte.
Den Grund, weshalb die KPD-Führung in Spanien das Buch verhindern wollte, lag, wie Kantorowicz viel später meinte,in der Gefahr, dass bei der Niederschrift nicht die neuesten Sprachreglungen der Partei, eventuelle Änderungen in der Funktionärshierarchie (immerhin entstand das Buch zur Zeit der großen Prozesse in der Sowjetunion!) berücksichtigt wurden oder sich herausstellte, dass der eine oder andere Genannte ein „Parteifeind“, „Trotzkist“, „Spitzel“ oder sonstiger Feind war. Auf die Idee aber, dass er selbst das Problem war, ist Kantorowicz auch in den späteren Jahren nicht gekommen.
Natürlich konnte er die geheimen Akten nicht kennen, die erst nach der Öffnung der sich in der Sowjetunion befindlichen Archive ans Tageslicht kamen. Gegen Ende des Spanischen Krieges war es gelungen, das nahezu komplette Archiv der Internationalen Brigaden nach Moskau zu evakuieren. In diesem Archiv befinden sich auch die Akten der Abteilung Abwehr und Gegnerarbeit der KPD, die in Spanien relativ unabhängig von den spanischen Nachrichtendiensten und äußerst konspirativ gearbeitet hatte. Diese Abteilung war einerseits an die Deutsche Kaderabteilung in Albacete und andererseits an die sogenannten „Delegationen der Internationalen Brigaden“ in Madrid, Valencia, Barcelona und Figueras angebunden. Eine weitere Basis war der genannte Servicio extranjero del PSUC, in dem deutsche Kommunisten überproportional vertreten waren. Der KPD-Abwehr, auch als „KPD-Nachrichtendienst“ bezeichnet, war schon zeitig die Ankunft Kantorowicz´s in Spanien avisiert worden. Gleichzeitig hatte man Informationen über seine Kontakte gesammelt. Es stellte sich schnell heraus, dass es sich dabei durchweg um Personen handelte, die der KPD verdächtig waren. In einer mit „Valencia 24. März 1937“ gezeichneten „Materialzusammenstellung Betr. Trotzkisten/ POUM“ heißt es: „Rudolf Selke, Valencia. In Moskau erfuhr Kantorowitsch (so im Original, W.A.), dass sich Rudolf Selke in Spanien aufhaelt in einem Gespräch mit Willi Bredel. W.B. uebertrug muendliche Gruesse an S. durch Kantorowitsch. Vermutlich datiert die Bekanntschaft zwischen Selke und W. Bredel aus der Hamburger Zeit. Muendliche Gruesse an Selke wurden Kantorowitsch auch aufgetragen durch die Genossin Annenkowa, Chefredakteurin der D.Z.Z. – Am 12.11.36 reiste Kantor. von M. ab – In Paris erhielt Kantor. von Maria Osten eine Einfuehrung an Selke. Selke vermittelte in Valencia die Reise nach Madrid. In Madrid wurde Selke dem Kantor. vom Genossen Kolzow empfohlen. Auf dessen Empfehlung hat K. mit Selke gearbeitet. Sachlich hatte K. mit Selke bis vor 6 Wochen Verbindung. 18.3.37“. [7]
Alfred Kantorowicz ahnt ebenso wenig die Gefährdung seiner Person wie George Orwell, der als „Erich Blair“ in Spanien vom KPD-Nachrichtendienst gesucht wurde.[8]Julia Annenkowa, die Chefredakteurin der in Moskau erscheinenden Deutschen Zentral-.Zeitung, wurde kurze Zeit später, am 31.Mai1937, verhaftet. Sie verstarb am 25. Mai 1939 im Gulag. Rudolf Selke, geb. 1902, und seine Schwester Angela, geb. 1903, beide waren vor dem 1. Weltkrieg aus Odessa nach Deutschland übersiedelt, galten als gefährliche Trotzkisten, vor denen immer wieder gewarnt wurde. Selke, der von 1921 bis 1928 Mitglied der KPD gewesen war, hatte die Tochter August Thalheimers, des Theoretikers der KPD/O, geheiratet. Er hatte bei Friedrich Pollock am Frankfurter Institut für Sozialforschung gearbeitet und für den Malik-Verlag Sergej Tretjakow, Ilija Ehrenburg und Matwej Liebermann aus dem Russischen übersetzt. Er emigrierte 1934 mit seiner Schwester nach Spanien und lebte auf Ibiza. Angela arbeitete wissenschaftlich über eine uralte jüdische Gemeinschaft auf den Balearen, ein von ihr verfasstes Buch über dieses Thema wird auch heute noch aufgelegt. Die Geschwister betrieben auf Ibiza eine Bar, in der Linke und Antifaschisten aller Couleur verkehrten. In den Augen des KPD-Nachrichtendienstes war diese Bar allerdings ein Hort von Agenten und Gestapo-Spitzeln. Im Bürgerkrieg stellten sich beide sofort der Republik zur Verfügung, Rudolf Selke kämpfte in einer der besten Miliz-Einheiten an der Front und arbeitete dann unter dem Minister Alvarez del Vayo in der Informationsabteilung des Außenministeriums. Angela Selke, Mitglied der Juventud Comunista Ibérica, des Jugendverbandes des POUM, war im Propaganda-Ministerium tätig. Sie heiratete Antonio Sánchez Barbudo, einem der Gründer der Avantgarde-Zeitschrift „Hora de España“. Mit ihm übersetzte sie später im mexikanischen Exil Anna Seghers´“Transit“ ins Spanische. Aber auch Ludwig Renns Buch „Warfare. The relation of war to society“, bisher nur in Englisch in London (1939) und New York (ebenfalls 1939) erschienen, war von Angela Selke und ihrem Mann 1940 für die mexikanische Veröffentlichung ins Spanische übersetzt worden.
Rudolf Selke schrieb für Exilzeitschriften, so auch für die Neue Weltbühne in Prag, und übersetzte dann, ebenfalls in Mexiko im Exil, Rudolf Rockers´ Max-Nettlau-Biographie.
Der KPD-Abwehr war es in Spanien zweimal gelungen, Selke aus seiner Funktion zu drängen. Dass er nicht verhaftet wurde, lag wohl daran, dass sich Michail Kolzow, der sich oft für längere Zeit in Spanien aufhielt, schützend vor ihn stellte. Das wird auch für Kantorowicz zugetroffen haben, der nicht erst seit Spanien mit Kolzow bekannt war. Der Einfluss, den Kolzow in Spanien hatte, ist nicht zu unterschätzen. Sicher ist, dass er zu den ganz wenigen gehörte, die Stalin direkt über Spanien berichten und von ihm Anweisungen empfangen konnten. Das idealisierte Bild, das z.B. Ernest Hemingway in „Wem die Stunde schlägt“ mit der Figur des sowjetischen Journalisten Karkow von Kolzow zeichnete und zu dem wahrscheinlich auch Kantorowicz bei seinen Begegnungen mit Hemingway beigetragen hatte, bedarf wohl an einigen Stellen einer Revision.
Zunächst bleibt aber: Michail Kolzow wurde ebenso ein Opfer der Stalinschen Repressionen wie Maria Osten. Damals noch mit ihrem richtigen Namen Maria Greßhöner hatte Maria Osten im Malik-Verlag Rudolf Selke kennengelernt. Die KPD-Abwehr hatte aber noch eine andere Verbindung „aufgedeckt“, wozu es sicher nicht ohne Zutun des auch in Spanien aktiven NKWD gekommen war. Es existiert in den Unterlagen der KPD-Abwehr ein mit Hand gezeichnetes Schema mit dem Titel „Querverbindungen der Trotzkisten über Münzenbergkreise zur Partei“ [9]. Wenn es für die Beteiligten nicht so gefährlich gewesen wäre, könnte man annehmen, dass diese Skizze Ausdruck der Intellektuellenfeindlichkeit der KPD oder das Produkt überschäumender Phantasie gewesen war. In der Mitte dieser Skizze befindet sich, dick eingerahmt, Maria Osten, von ihr aus gehen Linien zu Kantorowicz, zu Gustav Regler, Bodo Uhse, Hans Kahle, Albert Schreiner und Arthur Koestler einerseits und zu Margit Kurcz, Alexander Maas, Egon Erwin Kisch, Ernst Busch, Kurt und Ruth Stern andererseits. Alle Linien treffen sich dann bei Willi Münzenberg und seinen Mitarbeitern Otto Katz und Louis Dolivet in Paris. Der größte Teil der genannten Personen gehörte zum Freundes- oder wenigstens zum Gesprächskreis von Alfred Kantorowicz. Hans Kahle, der zweite Kommandeur der XI. Internationalen Brigade und später der 45. Division der Spanischen Volksarmee, war ein enger Freund über den spanischen Krieg hinaus. Kahle war auch eng befreundet mit Erika Mann und eingeladen von Thomas Mann in dessen Haus in Princeton. Er bekam aber kein Einreisevisum für die Vereinigten Staaten. Hans Kahle musste alle Bitternisse des Exils durchlaufen, bis er in Kanada, später in England einreisen durfte. Er blieb aber ein entschiedener Antifaschist und Kommunist. Dass er aber von der KPD überwacht worden war, und das nicht nur wegen seinem guten Verhältnis zu Julius Deutsch und Erich Kuttner, das ist ebenso erschreckend wie die Tatsache, dass das auch Ernst Busch, der noch dazu eine enge Beziehung zu Maria Osten hatte, nicht erspart blieb.
Mit diesem Hintergrund, von dem Kantorowicz bis zu seinem Lebensende sicher nichts wusste, ist die Absicht der Verantwortlichen der KPD in Spanien zu erklären, das von ihm zusammengestellte Buch zu verhindern. Dabei versuchten sie, das von Kantorowicz gesammelte Material, also die Archivalien und Beiträge der Zeitzeugen in ihre Hände zu bekommen. Ein typisches Beispiel dafür ist ein Brief der KPD-Abwehr, geschrieben am 16.9.1937 in Albacete, der Base der Internationalen Brigaden. In einem mit „Wilhelm“ gezeichneten Brief an „Herbert Valencia“ heißt es: „Inzwischen haben wir schon durch Franz Trautsch erfahren, dass sich die Materialien der 13. Brig. in den Händen von Kantorowitsch (so im Original, W.A.) befinden. Willi und Albert Madrid, die uns vor einigen Tagen besuchten, haben von uns die Anweisung erhalten, bei Kantorowitsch die Sachen zu reklamieren. Wie weit sie schon gekommen sind, konnten wir noch nicht erfahren. Wilhelm Albacete.“ [10]
Auch dem KPD-Nachrichtendienst war es weder gelungen, das von Kantorowicz gesammelte Material zu bekommen, noch sein Buch zu verhindern. Aber man hat ihm das Buch auch später nicht verziehen. 1939/40 schrieb Gustav Szinda, der in Spanien Offizier und Sicherheitsmann bei den Internationalen Brigaden und Mitglied der Kommission für ausländische Kader beim ZK der KP Spaniens war, im Auftrag der Komintern Charakteristika der Spanienkämpfer, die zur deutschen Sprachengruppe (Deutsche, Österreicher, Niederländer, Schweizer und Skandinavier) gehörten. Ihm standen alle nach Moskau geretteten Archive der Interbrigaden und der KP Spaniens zur Verfügung. Szinda, der später beim Ministerium für Staatssicherheit der DDR Karriere machen sollte, war auf ausdrücklichen Wunsch André Martys mit dieser Aufgabe betraut worden. Auf Grund der Informationen, die ihm zur Verfügung standen, hätte er es besser wissen müssen, als er schrieb: „ Nr. 887. Kantorowicz Alfred. Kam im Dezember 1936 nach Spanien zur 13. Brigade, wurde Leutnant und war Informationsoffizier im 8. Batallion. Ueber seine Tätigkeit als Offizier ist uns nichts bekannt. Er beschäftigte sich mehr schriftstellerisch in Spanien.
11.2.40. Gustav [11]
Als Szinda dies im für ihn sicheren Moskau schrieb, sah Kantorowicz, in Frankreich im Lager Les Milles als „feindlicher Ausländer“ interniert, noch einer ungewissen Zukunft entgegen. Erst vier Monate später konnte er nach Marseille fliehen und in letzter Minute in die USA emigrieren.
Sicher, Alfred Kantorowicz war ein kritischer Kommunist, aber er war lange nicht zu solchen Konsequenzen bereit, wie sie z.B. Willi Münzenberg oder Gustav Regler zogen. Reglers Bruch mit der KPD und sein Verhalten im Internierungslager Le Vernet hat ihm Kantorowicz lange nicht verziehen. Regler hatte auf dem Internationalen Kongress zur Verteidigung der Kultur im Juni 1935 in Paris in seiner Rede behauptet, die KPD hätte 1933 eine fehlerhafte Politik betrieben und sei auf den Machtantritt der Nationalsozialisten nicht vorbereitet gewesen. Das hatte ihm natürlich den harschen Zorn der KPD-Führung eingebracht, der zu einem Kesseltreiben gegen ihn ausartete. Mit seinem Gedicht „Der Genosse L. hat einen Fehler gemacht“, hatte Kantorowicz versucht, dem Freund und Genossen zur Seite zu stehen.[12] Das wiederum brachte Kantorowicz scharfe Vorwürfe der Parteiführung ein, die ihn auf Grund seiner schriftstellerischen Versuche ohnehin nicht schätzte. Im Komintern-Archiv in Moskau ist in der Ablage „Sekretariat Wilhelm Pieck“ zum Bespiel der Briefwechsel zwischen Kantorowicz und Pieck zu finden. In diesen Briefen ging u.a. auch darum, dass sich kein der KPD nahestehender Exil-Verlag bereit gefunden hatte, ein Buchmanuskript von Kantorowicz anzunehmen. Willi Bredel hatte Kantorowicz bei Pieck denunziert, dieser würde über den Vizepräsidenten und Sekretär der Auslandskommission des Sowjetischen Schriftstellerverbandes, Michail Apletin, versuchen, sein Manuskript „Der 5. März“ an den Schweizer Verleger Emil Oprecht zu schicken. Auch Johannes R. Becher hatte an die „Deutsche Vertretung des EKKI“, also letztlich zu Händen Wilhelm Piecks, geschrieben: „,.. empfehle ich Euch dringend, Einsicht zu nehmen in den von Gen. Kantorowics (so im Original, W.A.) in Arbeit befindlichen Roman, der, wenn er unkontrolliert in einem bürgerlichen Verlag erscheint, mindestens ausserordentliche Missverständnisse verbreiten wird.“ [13]
Kantorowicz hatte in dem (bis heute vollständig unveröffentlichten) Roman die Tage zwischen dem Reichstagsbrand und den Wahlen zum Reichstag am 5. März 1933 geschildert und mit den Gesprächen, die der Kommunist Paul, in dem sich Kantorowicz offensichtlich selbst darstellte, mit verschiedenen Personen führt, versucht zu ergründen, wie es zu dieser katastrophalen Niederlage der deutschen Arbeiterbewegung kommen konnte. Der Partei, die nicht von einer Niederlage ausging, konnte diese Defensivposition natürlich nicht recht sein. Schon gar nicht, dass durch die gegenständliche Erzähltechnik Kantorowicz´s mit der Nennung von realen Personen und Lokalitäten der Roman die Dimension eines Berichtes erhielt, der unter Umständen als ein Dokument der Partei hätte angesehen werden können. Einige Kapitel aus dem Buch, unter anderem das über den „Standartenführer Krencker“ hatte Kantorowicz seinen Schriftstellerkollegen in Paris vorgelesen. Anwesend waren Egon Erwin Kisch, Gisel Kisch, Gustav Regler, Bodo Uhse, Kurt Stern und Willi Bredel. Trotz Nuancen in der Bewertung war die Ablehnung einhellig. Der „Standartenführer Krencker“, den Hugo Huppert für die in Moskau erscheinende Zeitschrift „Internationale Literatur“ ablehnte, erschien dann 1937 in der französischen Zeitschrift „Europe“ und 1947 in Kantorowicz´s Buch „Porträts. Deutsche Schicksale“.
Am 30.10.1936 schrieb Wilhelm Pieck einen dreiseitigen Brief an Kantorowicz, der für das Romanmanuskript vernichtend ausfiel. In dem Brief ist u.a. zu lesen: „Ich sehe keine Möglichkeit, das vorliegende Manuskript durch Streichungen oder Einfügungen zu einem guten Roman zu gestalten…Ich bitte Sie … mein kritisches Urteil, meine ablehnende Meinung über Ihre Arbeit mir nicht zu verübeln, sondern darin das Bestreben zu sehen, Ihnen zu helfen, über Schwierigkeiten in Ihrer Arbeit hinwegzukommen, die zum Teil auch in politischen Unklarheiten und Zweifeln begründet sind, zu deren Behebung allerdings eine längere gründliche Aussprache notwendig wäre… Es liegen über diese Fragen, wie die über die Ursachen der Niederlage des deutschen Proletariats im Januar 1933, über die von der Partei gemachten taktischen Fehler politische Dokumente vor. Ob allerdings diese Fragen für einen Romanstoff geeignet sind, scheint mir sehr zweifelhaft. Und der Inhalt Ihres Manuskriptes zeigt, das das Eingehen auf diese Fragen nicht zu einer Klärung, sondern zu noch grösserer Verwirrung geführt hat. Dazu sind die Fragen viel zu kompliziert, als dass sie mit ein paar Phrasen aus dem Munde eines Kommunisten abgetan werden könnten.“ [14]
Dass Wilhelm Pieck zu den kommunistischen Führern gehörte, die mit weit größeren Phrasen diese Niederlage kaschieren wollten, wäre ihm wohl selbst nicht in den Sinn gekommen. Aber Kantorowicz war nun stigmatisiert, denn die Bescheinigung von „politischen Unklarheiten“ und „Zweifeln“ hätten ihm, wäre er in Moskau geblieben, zu dieser Zeit vielleicht das Leben gekostet. Es nutzte Kantorowicz auch nicht viel, dass er am 4. 11., also kurz vor seiner Abreise nach Paris, einen ziemlich devoten Brief an Pieck schrieb, in dem er ihn, im Gegensatz zu Pieck ihm gegenüber, duzte: „Sehr verehrter und lieber Genosse Pieck, ich habe nach aufmerksamer Lektüre Deines Briefes die Dir vorgelegte Arbeit eingesargt. Ob ich mich in absehbarer Zeit dran machen kann, den Stoff umzuformen, weiss ich im Augenblick nicht; es scheint eher nein als ja. Es war – das versteht sich – nicht leicht für mich, von Dir (und anderen Genossen) zu hören, dass diese Arbeit, auf die ich im Gedränge der Tagesaufgaben allzu wenig Zeit verwenden konnte, in die ich aber viel Liebe und Hoffnung investiert habe, für den antifaschistischen Kampf wertlos ist. Dennoch empfand ich, wenn ich von der verständlichen persönlichen Enttäuschung absah, eine grosse Freude über diesen Brief, der so klar und mit so erschöpfendem Verständnis die Aufgaben und die vielfältigen Probleme, die vor antifaschistischen Schriftstellern stehen, darlegt. Mir hat diese Kritik weitergeholfen – und nicht nur dadurch, dass sie mich davor bewahrt, eine schief angelegte und ganz unausgeführte Arbeit vorzeitig den Verlagen anzubieten. Es wird, denke ich, in Deinem Sinne sein, wenn ich mit den Genossen in Paris Deinen Brief durchspreche.“ [15]
In Wirklichkeit war Kantorowicz´s Enttäuschung weit größer, als er in seinem Brief an Pieck zugab. Seinen „Nachtbüchern“ vertraute er am 31. Oktober 1936 an: „Also ist der Roman erledigt? Er <rät> zwar mir, den Roman nicht herauszugeben. Aber das ist fast schon ein Verbot. Aber auch ohne das waren die Chancen gering. Ich erwartete mir wenig Unterstützung von Seiten der Partei. Dennoch bin ich so zerschlagen, dass mir nicht einmal der Zorn hochkommt. Ich frage mich allen Ernstes: Täusche ich mich ganz und gar über meine Fähigkeit: zu schreiben. Mit 37 Jahren sollte es am Tag sein. . . Im Augenblick erscheint es mir, als sei es das Sauberste, irgendwo an der Front in Spanien zu bleiben, damit es Ruh´gibt und ein Ende hat.“ [16]
Es ist nicht bekannt, ob es in Paris noch zu dieser Aussprache gekommen ist, denn Kantorowicz verließ Frankreich am 20. Dezember 1936 in Richtung Madrid. Da aber Pieck im Postskriptum zu seinem Brief angekündigt hatte, er würde diesen Brief auch den „hiesigen Freunden“ (also den in Moskau befindlichen deutschen kommunistischen Funktionären) zur Verfügung stellen, muss auch davon ausgegangen werden, dass die Abschnittsleitung West der KPD in Paris davon Kenntnis erhielt. Einer, der diese Informationen dann gekannt haben wird, war „Moritz“ [17]„Sicherheitsmann“ bei der Abschnittsleitung West. Kantorowicz hatte in Paris, wie er in den „Nachtbüchern“ erwähnte, „Moritz“ einige Male getroffen, so dass dieser sich schon vor Spanien ein persönliches Bild von ihm machen konnte. Weit wichtiger aber ist für unsere Geschichte, dass „Moritz“ einer der ersten deutschen Kommunisten war, die von der Partei nach Spanien geschickt wurden. Dort kämpfte er zunächst in der Centuria „Thaelmann“, gewissermaßen einer Urform der Internationalen Brigaden. Danach wurde er über den Servicio especial de extranjeros, den Kaderdienst für Ausländer der katalanischen Kommunisten, als „interrogador“, also als eine Art Verhörspezialist für Ausländer, vom katalanischen Sicherheitsdienst übernommen. Eine Vielzahl seiner Berichte beweisen, dass er gleichzeitig zum konspirativ tätigen Nachrichtendienst der KPD in Spanien gehörte. Für diesen war es offensichtlich unkompliziert, wie es nicht nur der Fall Kantorowicz zeigt, alle relevanten Informationen über die Spanien-Freiwilligen auch aus dem Ausland zu bekommen. Ohnehin war zudem jeder der Freiwilligen mehrfach überprüft worden. Und neben den Akten der Kaderleitung gab es die der Abwehr. Es waren also viele Bausteine, aus dem sich das Dossier Kantorowicz zusammensetzte. Die Ablehnung der KPD, Kantorowicz das Tschapaiew-Buch schreiben zu lassen, hatte damit viele Gründe. Einer allein wäre schon ausreichend gewesen.
Aber Kantorowicz konnte diesen „Privatkrieg“ mit Hilfe von Ercoli (Togliatti) zunächst gewinnen. Was diesen letztlich in seiner Entscheidung bestimmte, das Tschapaiew-Buch zu genehmigen, wird nicht mehr festzustellen sein. Aber es gab für Togliatti mit Bestimmtheit Schwerwiegenderes als dieses Buch. Die militärische Lage der Spanischen Republik hatte sich ernsthaft verschlechtert. Im Februar 1938 kamen die ersten Gerüchte auf, die davon sprachen, die Internationalen Brigaden abzuziehen. Das geschah dann sieben Monate später tatsächlich. Es gab Auflösungserscheinungen und Unmut und es kamen weniger Freiwillige. Viele waren desillusioniert. Die politische Führung der Interbrigaden hatte, das war sicher auch Togliattis Meinung, Wichtigeres zu tun, als den Kampf gegen ein Buch zu führen.
Mit dem Erscheinen des Buches änderte sich die Situation für Kantorowicz zunächst grundlegend: Sein Buch wurde plötzlich als beispielgebend hingestellt. Etwa zeitgleich mit Kantorowicz war auch Willi Bredel mit der Abfassung eines Buches beauftragt worden. Er sollte im Auftrag der Brigadeleitung und des Generalkommissariats der Interbrigaden die Geschichte der XI. Internationalen Brigade schreiben, der „deutschesten“ aller Brigaden, wie sie oft als Anspielung auf die überwiegend deutschen Kommandeure und Kommissare und den hohen Anteil deutscher Freiwilliger genannt wurde. Bredel, der schon als Schriftsteller bekannt war, schien aber noch einen anderen Vorteil zu haben, der ihn für dieses Buch prädestinierte. Von Juli bis Oktober 1937 war er Kommissar des Ernst-Thälmann-Bataillons der XI. Brigade gewesen. Das Buch war ursprünglich auf drei Bände angelegt, der erste Gutachter war Heinrich Rau, unter dem Namen „Heiner“ vom Mai bis September 1937 Kommissar, von Oktober bis Dezember 1937 und von Januar bis März 1938 Kommandeur der XI. Brigade. Ihm assistierte Richard Staimer, vom Dezember 1936 bis Februar 1937 Kommandeur des Ernst-Thälmann-Bataillons und von April 1937 bis Dezember 1937 Kommandeur der XI. Brigade. Die leider nicht datierte und als „Rezension“ bezeichnete Kritik am Manuskript Bredels geriet zum Totalverriss, in dem sich Sätze finden wie dieser: „Bredel übergiesst alles mit einer dicken Schicht Öl, er glättet die wirkliche Geschichte und macht sie uninteressant.“ [18] Abgesehen davon, dass die drei Bände auf einen reduziert wurden, weil drei Bände nicht zu verkaufen gewesen wären, kommt dann aber der überraschende Hinweis: „Was die <Geschichte der XI: Brigade> anbelangt, so muss man sagen, dass dieser erste Teil ganz und gar enttäuscht. Man sehe sich an, was Kantorowicz mit einfachen Mitteln aus den Kämpfen nach dem Fall von Malaga und in der Sierra Nevada gemacht hat, bedeutungsvolle Kämpfe, aber weniger bedeutend als die Kämpfe der XI. Brigade bei Madrid vom November 1936 bis Januar 1937. Bredel verstand es nicht, diese Kämpfe, ihre Bedeutung lebendig zu machen. Er verstand nicht, das Wesentliche aus dem sicherlich großen vorhandenen Material herauszuholen, einzelne Erlebnisse, die das ganze Geschehen beleuchten und begreiflich machen. Von einem in der Welt schon bekannt gewordenen Schriftsteller wie Bredel muss man Besseres verlangen. Ich denke, dass der Abdruck des Manuskripts, wie es jetzt vorliegt, nicht empfohlen werden kann.
Das von Kantorowicz herausgegebene Buch vermittelt wirklich Leben und Kämpfe eine internationalenTruppe und zeigt die Problematik der Lage im republikanischen Spanien, soweit es zum Verständnis der Geschichte des Bataillons notwendig ist. Dieses Buch ist erregend und begeisternd. Ich empfehle die Herausgabe dieses Buches in russischer Sprache.“ [19]Der an Bredel gerichtete Vorschlag, er möge sich ein Beispiel an Kantorowicz nehmen, entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie und muss ihn empfindlich getroffen haben. Denn gerade Bredel war es, der Kantorowicz den indirekten Vorwurf des „nichtbolschewistischen Pessimismus“ machte. Und das in einer Situation, in der jedes Wort gefährlich sein konnte. Während der geschlossenen Parteiversammlung der deutschen Kommission des Sowjetischen Schriftstellerverbandes, die zu einer Art Tribunal geraten war, sagte Bredel, hervorhebend, dass es nicht darum ginge, Bücher für die Ewigkeit, sondern für den Kampf gegen den Feind zu schreiben, folgendes: „Kantorowicz, der ein guter Genosse ist und viel arbeitet und mit all seiner gelegentlichen Schwäche trotzdem restlos zur Partei steht, mit ihm hatte ich ein Gespräch (in Paris, W.A.). Wir hörten, dass in Spanien eine Stadt gefallen war. Er sagte: Wenn Spanien in die Brüche geht, dann ist alles verloren. Ich sagte: Mensch, wenn in Spanien der Faschismus siegt, so müssen wir jetzt schon vorher alles tun, um das zu verhindern. Wie kann man eine solche pessimistische Haltung einnehmen. Ich habe ihm gegenüber dann gesprochen über die große Französische Revolution, wo 2000 Reaktionäre umgebracht wurden, dann von Danton, wie er das französische Volk zur Revolution begeisterte, dann über die damalige Situation in Rußland. Die halbe Ukraine von Deutschen besetzt, das ganze Sibirien in den Händen Koltschaks, Judenitsch vor Leningrad, Denikin vor Moskau – und da sagt ein Kommunist – alles ist verloren. Dann ist wirklich alles verloren. Aber die Bolschewiki von damals, die waren aus dem besonderen Guß wie Stalin. Wir müssen eben lernen, in den kritischen Situationen unseren Mann zu stehen.“[20]
Bredels Buch erschien dann unter dem Titel „Begegnung am Ebro. Aufzeichnung eines Kriegskommissars“ 1939 zunächst im Pariser „Verlag 10. Mai“. Der Name des Verlags bezog sich auf den 10. Mai 1933, den Tag der Bücherverbrennung in Nazi-Deutschland. Gegründet wurde der Verlag unter der aktiven Mitwirkung Bredels von der Internationalen Schriftstellervereinigung zur Verteidigung der Kultur, aber sicher auch, um 1. die empfindliche Lücke zu schließen, die mit der Einstellung der Tätigkeit von Willi Münzenbergs „Editions du Carrefour“ entstanden war, und um 2. den inzwischen von Münzenberg gekauften und betriebenen Sebastian-Brant-Verlag ernsthaft Konkurrenz zu machen. Der „Verlag 10. Mai“ erhielt aber dann offensichtlich nicht die finanziellen Mittel aus der Sowjetunion und von der Komintern, obwohl Bücher namhafter deutscher Schriftsteller geplant waren, ist wohl nur „Mut“ von Heinrich Mann erschienen. Bredels Buch wurde dann im gleichen Jahr der Pariser Ausgabe in Kiew im „Staatsverlag der nationalen Minderheiten der USSR“ und 1948 im (Ost-) Berliner Verlag „Lied der Zeit“ verlegt. Erst 1977 erschienen im Aufbau-Verlag Berlin und Weimar die beiden Bände „Spanienkrieg. Zur Geschichte der 11. Internationalen Brigade“. Anzumerken ist hinsichtlich der Empfehlung Heiner Raus, Bredel möge sich von Kantorowicz beraten lassen, dass dieser schon das Manuskript der norwegischen Journalistin Lise Lindbæk über das Thälmann-Bataillon korrigiert und lektoriert hatte. Linbæk, die mit Rau befreundet war, hatte wie Kantorowicz für die Zeit des Schreibens im Kinderheim der XI. Brigade in Moraleja wohnen können. Am 22.8.1937 schrieb sie von dort an Heiner Rau: „ … anbei Euer Vorwort, von Kantor korrigiert; das spricht wohl für sich selber! – Wir werden zusammen einen Entwurf zu einem besseren machen…Für das Buch habe ich Einleitung und Schluss umgeschrieben und 2 Kapitel beinahe umgearbeitet, alles nach Rücksprache mit Kantor. Er wird wohl morgen, Montag, mit der Korrektur fertig sein…“ [21] Nach fast einem Jahr, im Juli 1938, fragte Luigi Longo beim Kommissariat der XI. Brigade nach, was aus diesem Buch geworden sei. Drauf antwortete ihm Ernst Zöllner vom Kommissariat der Brigade, der für Druckerzeugnisse verantwortlich war, dass das Buch zur Zusammensetzung an die Druckerei gegangen, jetzt aber alles fertig sei. Im Dezember 1937 hätten sich die Kosten auf 27.000 Pesetas belaufen. Wenn jetzt die Imprimatur gegeben würde, könne das Papier zur Verfügung stehen. Möglich aber sei eine Erhöhung des Preises durch die Marktsituation. Die 27.000 Pesetas seien übrigens das Ergebnis einer Subskription. Zöllner betonte auch, dass er den Kommissar der XI. Brigade, Ernst Blank, nicht konsultieren konnte, der aber bisher auch keine Zeit gefunden habe, Gallos Brief zu lesen. [22] Das Buch von Lise Lindbæk läßt sich in einer spanischen Ausgabe nicht nachweisen. Es erschien 1938 in Oslo im Verlag Tiden Norsk mit dem Titel „Bataljon Thalmann“ und 1939 in einer schwedischen Ausgabe im „Solidaritets Förlag“ mit einem Vorwort von Georg Branting unter dem Titel „Internationella Brigaden“. In Spanien war es wohl eine gewisse Verschleppungstaktik, die zum Nichterscheinen des Buches von Lise Lindbæk führte. Aber auch diese Verschleppungstaktik hatte ihre Gründe. In einer Akte mit dem Titel „Listen, Charakteristiken und andere Materialien über Deserteure, Provokateure, Spione, unzuverlässige Personen“ findet sich eine nichtdatierte und mit „A.M.“ unterschriebene Information über Lise Lindbæk. Da das Kürzel „A.M.“ gewöhnlich von André Marty, also dem Vorsitzenden des Kriegsrates der Internationalen Brigaden und hohem Komintern-Funktionär, benutzt wurde, signalisierte damit quasi die höchste Instanz, dass gegenüber Lise Lindbæk massive Vorbehalte bestanden. Marty schrieb: „Lise Lindbaek (so im Otriginal, W.A.). Lise Lindbaek kam wiederholt aus Oslo nach Spanien. Sozialdemokratin. Faktisch schrieb sie völlig falsche Sachen über die Freiwilligen. Sie reiste überall hin. Alles, was wir von ihr wissen, dient der Unterstützung der Trotzkisten“. [23]Natürlich war ein Faktor des Misstrauens Lindbæk gegenüber, dass sie um 1935 ein Jahr mit Max Hodann zusammengelebt und gemeinsam mit ihm ein Buch über die Judenverfolgung geschrieben hatte. Hodann, bei der AMI (Ayuda Médica Internacional) Arzt im Spanischen Krieg, hatte, was seine fachliche Kompetenz und seine politische Zuverlässigkeit angingen, einen denkbar schlechten Stand bei den kommunistischen Funktionären. So ließ z.B. die KPD-Abwehr seinen Postverkehr überwachen und war auch darüber informiert, dass er die Postzensur der Internationalen Brigaden umgehen wollte. Im Februar 1940 schrieb in Moskau Gustav Szinda über ihn: „Er kam Anfang 1937 nach Spanien. Nach längerer Untätigkeit wurde er als Arzt in einem Hospital der Interbrigaden eingesetzt. Er eignete sich nicht als Arzt und wurde zurückgezogen auf Grund seiner politischen Unzuverlässigkeit. In den Hospitälern scharte er alle schlechten Elemente um sich und führte mit ihnen einen Kampf gegen die guten Elemente und versteckt auch gegen die Partei. Hatte Verbindung zu Trotzkisten und trotzkistisch verdächtigen Elementen und trieb auch feindliche Propaganda gegen die UdSSR. Er wurde als Arzt zurückgezogen wegen politischer Unzuverlässigkeit und aus Spanien herausgeschickt. Er steht im Verdacht ein aktiver Trotzkist zu sein, weil es aus seiner Tätigkeit sowie aus seinem Material und aus seinen Verbindungen hervorgeht.“ [24]Man kann sich ungefähr vorstellen, wie das „Material“ aussah, das Szinda zur Verfügung stand, denn er war nicht einfach ein kleiner Funktionär, sondern gehörte in Spanien dem Geheimdienst der Internationalen Brigaden und, was weit wichtiger ist, als Verantwortlicher der deutschen Sprachengruppe (Deutsche, Österreicher, Schweizer, Niederländer und Skandinavier) jener mächtigen Kommission für ausländische Kader beim ZK der KP Spaniens an. Seine „Analysen“, die er über „Die Tätigkeit der feindlichen Elemente in Spanien“ schrieb, lesen sich wie die Anklageschriften der Moskauer Prozesse, vor allem weil er nicht davor zurückschreckte, die nicht parteikommunistischen Linken der Zusammenarbeit mit der Gestapo und allen möglichen „imperialistischen Geheimdiensten“ zu verdächtigen. [25] Was aber Lise Lindbæk angeht, so wird man sich ihr gegenüber vermutlich dahingehend gerechtfertigt haben, dass die spanische Ausgabe ihres Buches wegen der Zurückziehung der Internationalen Brigaden aus Spanien und der Niederlage der Republik nicht mehr erscheinen konnte. Denn man brauchte sie noch. Heinrich Rau, der 1938 wegen einer Verwundung aus Spanien nach Frankreich evakuiert worden war, leitete dann dort bis zum September 1939 das Hilfskomitee für die deutschen und österreichischen Spanienkämpfer. Als die Sowjetunion erkennen ließ, dass sie keinesfalls den Großteil der sich in französischen Internierungslagern befindlichen ehemaligen Interbrigadisten aufnehmen würde, entwickelte das Hilfskomitee eine hektische Betriebsamkeit und versuchte, in allen möglichen potentiellen Aufnahmeländern Verbündete, die die Regierungen und die öffentliche Meinung beeinflussen sollten. Am 27. April schrieb beispielsweise Heinrich Rau aus Paris an die Kaderabteilung der KPD-Vertretung bei der Komintern in Moskau: „Die skandinavische öffentliche Meinung können wir mit Hilfe von Lisa Lindbæk, die in die Lager gefahren ist, noch mehr als bisher interessieren“. [26]
Obwohl Kantorowicz wußte, dass er das Erscheinen seines Buches letztlich Ercoli (Togliatti) zu danken hatte, war er sich sicher, die militärische Führung der XI. Internationale Brigade auf seiner Seite zu wissen. Denn sie hatte ihn beauftragt, das Buch zusammenzustellen, und Heiner Rau war es, der Bredel empfahl, sich bei Kantorowicz Rat zu holen. Die Brigadeführung hatte überdies einen Genienstreich gewagt und das Tschapajew-Buch an Manuel Azaña, den Präsidenten der Spanischen Republik, geschickt. Dessen Sekretär antwortete kurze Zeit später mit dem ausdrücklichsten Dank des Präsidenten und der Mitteilung, dass dieser das Buch des „Teniente Alfred Kantorowicz“ sehr interessant findet. [27]Allerdings hatte die Führung der XI. Brigade nicht auf diese Anerkennung durch den Präsidenten der Republik gewartet, sondern damit begonnen, verdiente Interbrigadisten mit diesem Buch auszuzeichnen. In der Akte des Spanienkämpfers Hubert Ramm (Ps. Bert Ramin) ist folgendes Schreiben zu finden:
Der Kriegskommissar der Im Felde, den 15. April 1938
- Internationalen Brigade
Z e r t i f i k a t
Dem ehemaligen Kameraden des Bataillons Tschapajew
Sargento BERT RAMIN
der heute gemäß dem Geiste des Bataillons und dem großen unsterblichen Vorbild Tschapajews seine Pflicht in unserer Brigade erfüllt, überreiche ich als Zeichen der Anerkennung die Geschichte seines Bataillons.
Der Kriegskommissar der XI. Brigade
BLANK
Der Kamerad erhält den Auftrag, das ihm überreichte Exemplar allen ehemaligen Tschapajew-Kameraden seiner jetzigen Einheit zugänglich zu machen. [28]
Aber auch Kantorowicz´s Gegner gaben nicht auf. Die Züricher Verlagsbuchhandlung Stauffacher wollte das Tschapaiew-Buch mit 3000 Exemplaren neu auflegen. Obwohl schon ein Vertrag mit Kantorowicz existierte, schrieb ihm der Verlag am 7. Januar 1939, dass er von einer Herausgabe absehe, weil er erfahren habe, dass von Willi Bredel in der nächsten Zeit eine Geschichte der XI. Internationalen Brigade erscheinen werde. Das kann nur ein vorgeschobenes Argument gewesen sein, denn was die am internationalsten besetzte XIII. Brigade mit der sehr deutsch dominierten XI. Brigade zu tun hatte, bleibt das Geheimnis des Verlages. Außerdem muss man gewusst haben, dass mit dem Buch Bredels über die XI. Brigade nicht mehr zu rechnen war. Allerdings erfuhr Kantorowicz, dass der Verlag Stauffacher mit der Éditions Prométhée in Paris verbunden war. Prométhée aber war der Verlag der Kommunistischen Internationale.
Nach seiner eigenen Aussage hörte Kantorowicz erst 1947 von sowjetischen Offizieren, dass das Tschapaiew-Buch in der Sowjetunion sehr hohe Auflagen erfahren habe und dass viele Soldaten das inzwischen zerlesene Buch den ganzen Krieg über im Sturmgepäck von Stalingrad bis Berlin bei sich gehabt hätten.[29] Das Buch war, übersetzt von Rita Rait, tatsächlich 1939, kurioserweise im Staatlichen Verlag Khudozhestvennaya Literatura (Die schöne Literatur), mit dem Untertitel „Erzählungen vom Kampf eines Bataillons. Zusammengestellt von Alfred Kantorowicz“ erschienen. Die Auflagehöhe soll sich auf 20 000 Exemplare belaufen haben, was für damalige sowjetische Verhältnisse nicht viel war. Heute sind in Russland nur noch eine Handvoll erhaltener Exemplare einer einzigen Auflage nachweisbar. Im gleichen Verlag wie das Buch damals erschien übrigens auch, und das ist wiederum eine Ironie der Geschichte, die Zeitschrift „Internationale Literatur“, die die Erzählung von Kantorowicz abgelehnt hatte.
Zu einer neuen Auflage, in der aber auf den Fototeil des Originals verzichtet und die von Kantorowicz als „verunstaltete Broschüre“ bezeichnet wurde [30], kam es 1948, nun erstmals in Deutschland, durch den Greifenverlag zu Rudolstadt. Karl Dietz, der Verleger des Greifenverlages, hatte in den ersten Jahren nach dem Krieg ohnehin versucht, ein humanistisches, antifaschistisches, aber unorthodoxes Programm zu gestalten, das auch Schriften von Emil Ludwig oder Alice und Otto Rühle beinhalten sollte, also von Schriftstellern, von denen dann in der DDR nichts mehr erscheinen konnte.
Im März 1956 erhielt Kantorowicz überraschend einen Anruf des Verlags des Ministeriums für nationale Verteidigung. Man teilte ihm mit, dass die originalgetreue Neuauflage des Tschapaiew-Buches geplant sei. Noch mehr überrascht war er allerdings darüber, dass auch prominente Mitkämpfer, die in Ungnade gefallen oder zu Unpersonen geworden waren, ihren Platz in dem Buch genauso finden sollten wie schon in der Originalausgabe von 1938. Kantorowicz´s Frage galt besonders seinem früheren Kommandeur General Gómez recte Wilhelm Zaisser und dem Schweizer Otto Brunner, der nicht nur in Spanien, sondern schon zuvor in Brasilien mit Luís Carlos Prestes, dem „Ritter der Hoffnung“ gekämpft hatte, aber 1951 aus der kommunistischen „Partei der Arbeit“ ausgeschlossen worden war. Auch Wilhelm Zaisser, erster Minister für Staatssicherheit der DDR, war 1953 erst aus der Parteiführung, dann 1954 aus der SED ausgeschlossen und zur Unperson gemacht geworden. Die Erwähnung beider Personen wäre, so wurde Kantorowicz signalisiert, absolut kein Problem. Man darf nicht vergessen, dass 1956 das Jahr des 20. Parteitags der KPdSU war, nach dem damit begonnen wurde, verschiedene Opfer des Stalinismus zu rehabilitieren. Obwohl das auf Zaisser nicht zutraf, der immerhin der höchste deutsche Offizier der Internationalen Brigaden war, konnte sein Name und die von ihm gezeichneten Befehle in dieser Publikation wieder genannt werden.
Kantorowicz schrieb später, dass nur einige Bilder, die nicht reproduzierbar gewesen wären, nicht in den Nachdruck aufgenommen wurden. Das allerdings kann so nicht stimmen. Es fehlt vor allem ein Bild, das Cipriano Mera und Valentín Gonzáles, besser bekannt als El Campesino (Der Bauer), in herzlicher Umarmung zeigt.[31] Mera war ein Anarchosyndikalist, der ungeachtet dessen das VI. Armeekorps der republikanischen Zentrumsarmee kommandierte. Anfang 1939 hatte er mit Segismundo Casado, dem Kommandeur der Zentrumsarmee, und dem Sozialisten Juan Besteiro die Nationale Verteidigungsjunta gebildet. Die Junta putschte gegen die Regierung des Ministerpräsidenten Juan Negrin, weil ihre Mitglieder der Meinung waren, dass eine weitere Verlängerung des für die Republik aussichtslosen Krieges nur noch unnötige Opfer bedeuten würde. Aus diesem Grund war es vor allem in Madrid zu Kämpfen mit kommunistisch geführten Einheiten gekommen. El Campesino war Mitglied der KP Spaniens und Kommandeur der 101. Brigade. Er konnte mit anderen kommunistischen Führern in die Sowjetunion emigrieren, war dort im Range eines Generals an der Militärakademie, kam aber bald derart mit den Behörden in Konflikt, dass er zu Lagerhaft verurteilt wurde. Nach einem missglückten Fluchtversuch gelang es ihm dann doch noch, sich über den Iran nach Frankreich abzusetzen. Von dort aus agierte er wieder gegen Franco, dieses Mal aber als entschiedener Antikommunist.
Ein weiteres Bild, das fehlt, zeigt im Original ganzseitig das von Granaten beschädigte mächtige Gebäude der „Telefónica“ in Madrid. Die Bildunterschrift lautete: „Madrid. Die unbezwingbare Festung der Weltdemokratie“. Das konnte man selbst 1956 so noch nicht veröffentlichen. Aus kommunistischer Sicht wäre auch zu dieser Zeit die Sowjetunion nach der 1936 angenommenen neuen sowjetischen Verfassung, die als die demokratischste der Welt verherrlicht wurde, die Feste der Weltdemokratie gewesen.
Werner Abel
[1] Alfred Kantorowicz, Spanisches Kriegstagebuch, Hamburg 1979, S. 465
[2] ebenda, S. 466
[3] RGASPI Fonds 545 op. 3 delo 55, S. 97-98
[4] ebenda S. 468, Mewis war einer der höheren Parteivertreter der KPD in Spanien und zeitweilig als Vertreter Franz Dahlems Verantwortlicher für die KPD-Mitglieder in Spanien. Im erwähnten Sicherheitsdienst spielte er eine mehr als dubiose Rolle. Als er zum Schluss Leiter des Internationalen Clubs in Barcelona war, verbot er Ernst Busch, der Lieder nach Gedichten von Kurt Tucholsky singen wollte, „diesen bürgerlichen Unfug“ und verlangte, Busch sollte etwas über Stalin bringen. Anwesende erzählten später, dass Busch daraufhin Tränen in den Augen hatte. Da Mewis kurze Zeit später in Konflikt mit André Marty geriet und sich die KP Spaniens der Angelegenheit annahm, wurde er schließlich als „unerwünschter Ausländer“ aus Spanien ausgewiesen. Das war allerdings kein Hinterungsgrund für seine spätere Karriere in der DDR.
[5] RGASPI (Moskau) Fonds 495 op. 205 delo 114,S. 244
Bei dem Zitieren aus Akten des Kominterarchivs werden Ausdruck, Orthographie und Grammatik beibehalten
[6] Alfred Kantorowicz, Spanisches Kriegstagebuch…S. 473
[7] RGASPI Fonds 545 op. 2 delo 147,S. 119. Das Dokument ist unterzeichnet mit „F.V.“. Das bedeutet „Fritz Valencia“ und wurde somit von Wilhelm Tebarth, Jahrgang 1902, angefertigt, der unter dem Decknamen „Fritz Schimmel“ in Spanien tätig war. Die Angehörigen des KPD-Nachrichtendienstes nutzten in Spanien zur Unterzeichnung von Informationen und zur Adressierung von Briefen den Vornamen ihres Decknamens und den Namen der Stadt, in der sie residierten. Da manche mehrere Decknamen nutzten, ist es noch nicht gelungen, alle Decknamen zu entschlüsseln.
Alfred Kantorowicz hatte Julia Annenkowa während seinem Besuch in Moskau kennengelernt. Außerdem schrieb er für die DZZ. 1934 rezensierte er „Im Kreuzfeuer“ von Gustav Regler und im gleichen Jahr schrieb er über den Arbeiterdichter Adam Scharrer. Im September 1936 berichtete er über „Deutsche Schriftsteller in der Vorhut des Freiheitskampfes“.
[8] In einer „Übersicht über POUM-Angehörige und Trotzkisten“ ist zu lesen: „Blair, Erich (sic!) und Eillen. B.spielt eine führende Rolle im Frontkomitee der ILP (Independent Labour Party, W.A.), Divison Lenin. B. beteiligte sich am Maiaufstand. Aus der vorgefundenen Korrespondenz kann man annehmen, dass eine zersetzende Arbeit in Albacete geführt worden ist. Weiter ist zu bemerken, dass bei B. ein Notizblock mit Aufzeichnungen von verschiedenen Stellungen der PSUC-Formationen an der Aragonfront gefunden wurden.“ RGASPI Fonds 545 op. 2 delo 148, list 71-72. Der POUM (Partido Obrero de Unifación Marxista) war eine linkssozialistische, antistalinistische Partei, die neben der Abwehr der Putschisten auf eine soziale Revolution orientierte. Auch ihr Vorschlag, Leo Trotzki Asyl in Spanien zu gewähren, und die kritischen Berichte über die Moskauer Prozesse über ihren Sender führten dazu, dass sie von den Stalinisten als trotzkistisch bezeichnet, verfolgt, schließlich verboten und ihre führenden Mitglieder umgebracht oder vor Gericht gestellt wurden. George Orwell kämpfte in der Division Lenin, die die größte Fronteinheit des POUM war. Er war sich der Gefahr, in der er sich befand, offensichtlich nicht bewusst, akzeptierte aber eine Warnung und verließ mit seiner Frau Spanien. Nach der oben wiedergegebenen Information hätte er wegen Militärspionage angeklagt und inhaftiert werden.Er erlebte tatsächlich die Mai-Ereignisse 1937 in Barcelona, die, ausgelöst durch den stalinistischen Angriff auf die von anarchistischen Milizen dominierte Telefónica, zu tagelangen heftigen Kämpfen zwischen den antifranquistischen Kräften in der republikanischen Zone führte.
[9] RGASPI Fonds 545 op. 2 delo 147 S. 58. Das Schema ist nicht gezeichnet, könnte aber, aus dem Gesamtkontext gesehen, von Hermann Geissen, dem früheren Kommandeur der Centuria „Thälmann“ angefertigtt worden sein, der nach seiner Verwundung der KPD-Abwehr in Spanien und den „Servicio especial del PSUC“ angehörte
[10] RGASPI Fonds 545 op. 2 delo 105 list 63. Den Mitkämpfer Franz Trautsch, der Kantorowicz denunzierte, beschreibt dieser im „Spanischen Kriegstagebuch“ (S.140) wie folgt: „Ein nicht mehr junger, verknitterter, etwas mürrisch erscheinender Mann steht im Raum; das ist der Bataillonsfeldwebel Franz (Trautsch).“. Trautsch, Jahrgang 1903, war zu dieser Zeit 34 Jahre alt!
„Herbert Valencia“ ist vermutlich Gustav Hentschke, Jahrgang 1899 und Capitán bei den Interbrigaden. Der Absender, „Wilhelm Albacete“, dürfte Wilhelm Max Klein gewesen sein. Er war Jahrgang 1896 und Mitarbeiter der Zentralen Kaderabteilung in der Base Albacete sowie des Servicio de Cuadros.
[11] RGASPI Fonds 545 op.6 delo 352, S. 5. Szinda schrieb in Moskau auch einen ca. 50-seitigen Bericht über „Trotzkisten in Spanien“. Wenn das, was er dort diskriminierend und zugespitzt über Rudolf Selke (den er immer „Seltke“ nannte) schrieb, Kantorowicz zusätzlich vorgeworfen worden wäre, hätte diesem wohl ernsthafte Konsequenzen gedroht.
[12] Das Gedicht, auch abgedruckt in dieser Zeitschrift, Exil Nr. 1/ 1999, S. 75 – 78, ist als Abschrift ebenfalls im RGASPI Fonds 495 op. 11 delo 1, S. 173-175 abgelegt.
[13] RGASPI Fonds 495 op. 11 delo 1 S.199
[14] ebenda, S. 88
[15] RGASPI Fonds 495 op. 11 delo 1 S. 90
[16] Alfred Kantorowicz, Nachtbücher, Hamburg 1995, S. 184
[17] „Moritz“ bzw „Moritz Bresser“, auch „Moritz Baier“ bzw. „Ludwig Bayer“ waren die Deckname von Hubert von Ranke, Großneffe des berühmten Historikers Leopold von Ranke. Hubert von Ranke ging Ende 1937 mit seiner Frau nach Frankreich und brach mit der KPD. Seine unveröffentlichten Memoiren befinden sich im Institut für Zeitgeschichte München.
[18] RGASPI, Fonds 545 op.3 delo 55, S. 199
[19] ebenda, S. 200
[20] RGASPI, Fonds 541 op. 1 delo 102ъ S. 116, vgl. auch Reinhard Müller (Hrsg.) Die Säuberung, Reinbek bei Hamburg 1991, S.397/398
[21] RGASPI, Fonds 545 op.3 delo 57, S. 45
[22] vgl. RGASP, Fonds 545 op.3 delo 56, S. 87
[23] RGASPI, Fonds 545 op.2 delo 143 b, S. 217
[24] RGASPI, Fonds 545 op.6 delo 351, S. 108
[25] vgl. z.B. seinen Bericht vom 16. November 1940 zu diesem Thema in RGASPI Fonds 545 op.6 delo 28, S. 1-55
[26] RGASPI, Fonds 545 op.3 delo 55, S. 172
[27] RGASPI Fonds 545 op.1 delo 17, S. 149
[28] Studienkreis Deutscher Widerstand 1933-1945/ Dokumentationsarchiv des deutschen Widerstands, Nachlass Hubert Ramm, Ram 4c. Bei dem unterzeichnenden Kriegskommissar handelte es sich um Karl Thoma, Jahrgang 1903, der in Spanien das Pseudonym „Ernst Blank“ nutzte, vom März 1938 bis zum Januar 1939 Kriegskommissar der XI. Brigade war und in diesem Monat beim „2. Einsatz“ der Interbrigaden gefallen ist. Die XIII. Brigade, zu der das Tschapajew-Bataillon gehörte, war im Juli/ August in der Schlacht von Brunete aufgerieben und die überlebenden Kämpfer auf die XI. Brigade verteilt worden.
[29] Alfred Kantorowicz, Deutsches Tagebuch,Erster Teil, Berlin 1980, S. 281
[30] Alfred Kantorowicz, Deutsches Tagebuch, Zweiter Teil, Berlin 1980, S. 632
[31] Das Zusammentreffen und die Umarmung der beiden auf unterschiedlichen Positionen stehenden Kommandeure waren übrigens von Hans Kahle angeregt worden. Das Foto erschien erstmals am 10.Oktober 1937 in der Zeitschrift „Crónica“ (Jg.9, Nr. 413). Für diesen Hinweis danke ich Herrn Dr. Jakob Taube, Markkleeberg.
Brief der KPD-Abwehr in Spanien. Willi und Albert Madrid (Decknamen) sollen von Kantorowicz die Materialen für das Buch über das Tschapaiew-Bataillon zurückholen (reklamieren).
Soldliste ces Kriegskommissariats, aus der hervorgeht, dass Kantorowicz nur 439 Peseta Sold bekam, das sind 129 mehr als ein einfacher Soldat. Mit dem Gehalt seiner Frau Friedel kam er auf 739 Pesetas, obwohl er alleine dem Rang Teniente entsprechend 810 Pesetas hätte erhalten müssen. Quelle: RGASPI 545-1-62
Dankesbrief der Präsidialkanzlei des Präsidenten Azaña, dass dieser das Tschapaiew-Buch mit großem Interesse entgegengenommen hat. Quelle: RGASPI 545-1-17.
Brief Kantorowicz´s an Heiner (Heinrich Rau) mit der Bitte, bei Erwerb der spsnischen Staatsbürgerschaft, aber auch eines höheren Rangs behilflich zu sein. Kantorowicz drückte damit nicht die Absicht aus, in Spanien zu bleiben, sondern damit besser für das Buch werben zu können. Quelle: RGASPI 545-3-55
Schematische Zeichnung der KPD-Abwehr für den SIM der Brigaden, in der auch Kantorowicz trotzkistischer Verbindungen verdächtigt wird. Quelle: RGASPI 545-2-147
Einschätzung von Gustav Szinda für den Frontoffizier Kantorowicz, der verschüttet wurde. Quelle: RGASPI 545-6-352
Zwei Aufforderungen von Luigi Longo (Gallo), dass Alfred und Friedel Kantorowicz in kürzester Frist bei ihm in Barcelona erscheinen sollen.
Zertifikat, mit dem Bert Ramin (eigentlich Hubert Ramm) das Tschapaiew-Buch als Auszeichnung erhielt. Nachstehend die Abschrift, weil das Originaldokument schwer lesbar ist. Unterschrieben ist dieses Dokument von Ernst Blank (eigentlich Karl Thoma), zu dieser Zeit Kriegskommissar der XI. IB.
Quelle: Studienkreis Deutscher Widerstand, Frankfurt/M. Nachlass Hubert Ramm/Bert Ramin.
Fortsetzung – Teil II:
Mit dem Erscheinen des Buches änderte sich die Situation für Kantorowicz zunächst grundlegend: Sein Buch wurde plötzlich als beispielgebend hingestellt. Etwa zeitgleich mit Kantorowicz war auch Willi Bredel von der Brigadeleitung und dem Generalkommissariat der Interbrigaden beauftragt worden, die Geschichte der XI. Internationalen Brigade schreiben. Diese Brigade war die „deutschesten“ aller Interbrigaden, wie sie oft in Anspielung auf die überwiegend deutschen Kommandeure und Kommissare, den hohen Anteil deutscher Freiwilliger und der Vertreter der sogenannten „deutschen Sprachengruppe“ genannt wurde. Zur „deutschen Sprachengruppe“, übrigens eine Sprachregelung der Kaderabteilung in der Base der Interbrigaden in Albacete, gehörten neben den Deutschen die Österreicher, Niederländer, Schweizer und Skandinavier. Bredel, der schon als Schriftsteller bekannt war, schien aber noch einen anderen Vorteil zu haben, der ihn für dieses Buch prädestinierte. Von Juli bis Oktober 1937 war er Kommissar des Ernst-Thälmann-Bataillons der XI. Brigade gewesen. Das Buch war ursprünglich auf drei Bände angelegt, der erste Gutachter war Heinrich Rau, unter dem Namen „Heiner“ vom Mai bis September 1937 Kommissar, von Oktober bis Dezember 1937 und von Januar bis März 1938 Kommandeur der XI. Brigade. Ihm assistierte Richard Staimer, vom Dezember 1936 bis Februar 1937 Kommandeur des Ernst-Thälmann-Bataillons und von April 1937 bis Dezember 1937 Kommandeur der XI. Brigade. Die leider nicht datierte und als „Rezension“ bezeichnete Kritik am Manuskript Bredels geriet zum Totalverriss, in dem sich Sätze finden wie dieser: „Bredel übergießt alles mit einer dicken Schicht Öl, er glättet die wirkliche Geschichte und macht sie uninteressant.“ [1] Abgesehen davon, dass die drei Bände auf einen reduziert wurden, weil drei Bände nicht zu verkaufen gewesen wären, kommt dann aber der überraschende Hinweis: „Was die <Geschichte der XI: Brigade> anbelangt, so muss man sagen, dass dieser erste Teil ganz und gar enttäuscht. Man sehe sich an, was Kantorowicz mit einfachen Mitteln aus den Kämpfen nach dem Fall von Malaga und in der Sierra Nevada gemacht hat, bedeutungsvolle Kämpfe, aber weniger bedeutend als die Kämpfe der XI. Brigade bei Madrid vom November 1936 bis Januar 1937. Bredel verstand es nicht, diese Kämpfe, ihre Bedeutung lebendig zu machen. Er verstand nicht, das Wesentliche aus dem sicherlich großen vorhandenen Material herauszuholen, einzelne Erlebnisse, die das ganze Geschehen beleuchten und begreiflich machen. Von einem in der Welt schon bekannt gewordenen Schriftsteller wie Bredel muss man Besseres verlangen. Ich denke, dass der Abdruck des Manuskripts, wie es jetzt vorliegt, nicht empfohlen werden kann.
Das von Kantorowicz herausgegebene Buch vermittelt wirklich Leben und Kämpfe einer internationalen Truppe und zeigt die Problematik der Lage im republikanischen Spanien, soweit es zum Verständnis der Geschichte des Bataillons notwendig ist. Dieses Buch ist erregend und begeisternd. Ich empfehle die Herausgabe dieses Buches in russischer Sprache.“ [2]
Der Bredel gegebene Hinweis, er solle sich an dem Buch Kantorowicz´s orientieren, entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie und muss Bredel empfindlich getroffen haben. Bredel hatte, wovon Kantorowicz allerdings nichts wusste, in der Vergangenheit nichts ausgelassen, um Kantorowicz als Schriftsteller unmöglich zu machen. Das drückt sich zum Beispiel in seinem am 16. Oktober 1936 mit dem offiziellen Briefkopf der in Moskau erscheinenden literarischen Monatsschrift „Das Wort“ an Wilhelm Pieck gerichteten Brief aus, mit dem er erreichen wollte, dass die Weitergabe des Manuskripts Kantorowiczs über die Ereignisse im März 1933 in Deutschland an den Schweizer Verleger Emil Oprecht unterbunden wird. Dass er bei dieser Gelegenheit das Wort „parteifeindlich“ benutzte, und das sicher mit voller Absicht, hätte zu dieser Zeit eine existenzielle Bedrohung für Kantorowicz bedeuten können. Ebenso bedenklich war die Bemerkung Bredels, Kantorowicz habe den Umstand ausgenutzt, dass Michail Apletin, der Vorsitzende der Ausländerkommission des Sowjetischen Schriftstellerverbands, nicht Deutsch lesen konnte und Kantorowicz habe ihm deshalb sein Manuskript mit der Bitte zugeschickt, es quasi an den Instanzen der Partei vorbei nach Zürich weiterzuleiten. Natürlich vergaß Bredel auch selbstlobend seine revolutionäre Wachsamkeit nicht, denn es gelang ihm zu verhindern, dass das Manuskript in die Schweiz geschickt wurde.[3] In diesem Kontext geschieht aber etwas Merkwürdiges: Am gleichen Tag wie Bredel, nämlich am 16. Oktober 1936, schrieb Apletin ebenfalls einen in deutscher Sprache geschriebenen Brief an Pieck, unterschrieben in lateinischen Buchstaben und nicht, wie es für einen des Deutschen unkundigen Russen üblich wäre, mit kyrillischen. Mehr noch, Apletin, der Bredel zufolge kein Deutsch kann, benutzt aber die gleiche Argumentation wie Bredel und meint, „dass es für einen Kommunisten unmöglich ist, so einen Roman zu schreiben.“ [4] Mag sein, dass Bredel Apletin diese Worte in den Mund gelegt hatte, in dieser Zeit des immer mehr um sich greifenden Terrors zeugt die Reaktion eines so mächtigen Funktionärs wie Apletin auch von Unsicherheit und schierer Angst, bei einem angeblich „parteifeindlichen“ Manuskript nicht wachsam genug gewesen zu sein.
Einen Monat zuvor, am 7. September, hatte Bredel während der „Geschlossenen Parteiversammlung“ der deutschen Kommission des Sowjet-Schriftstellerverbands dem nicht anwesenden Kantorowicz den Vorwurf des „nichtbolschewistischen Pessimismus“ gemacht. Bredel als erfahrener Funktionär musste wissen, welcher Gefährdung er Kantorowicz aussetzte als er sagte: „Kantorowicz, der ein guter Genosse ist und viel arbeitet und mit all seiner gelegentlichen Schwäche trotzdem restlos zur Partei steht, mit ihm hatte ich ein Gespräch (in Paris, W.A.). Wir hörten, dass in Spanien eine Stadt gefallen war. Er sagte: Wenn Spanien in die Brüche geht, dann ist alles verloren. Ich sagte: Mensch, wenn in Spanien der Faschismus siegt, so müssen wir schon jetzt vorher alles tun, um das zu verhindern. Wie kann man eine solche pessimistische Haltung einnehmen. Ich habe ihm gegenüber dann gesprochen über die große Französische Revolution, wo 2000 Reaktionäre umgebracht wurden, dann von Danton, wie er das französische Volk zur Revolution begeisterte, dann über die damalige Situation in Rußland. Die halbe Ukraine von Deutschen besetzt, das ganze Sibirien in den Händen Koltschaks, Judenitsch vor Leningrad, Denikin vor Moskau – und da sagt ein Kommunist – alles ist verloren. Dann ist wirklich alles verloren. Aber die Bolschewiki von damals. Die waren aus dem besonderen Guß wie Stalin. Wir müssen eben lernen, in den kritischen Situationen unseren Mann zu stehen.“[5] Interessant zu wissen wäre, ob Willi Bredel drei Jahre später auch noch so argumentierte, als die Spanische Republik den Kampf und der „Mensch aus besonderem Guß“ sein Interesse an ihr verloren hatte.
Bredels Spanien-Buch erschien dann in einer völlig anderen Form und zugeschnitten auf seine persönlichen Erlebnisse unter dem Titel „Begegnung am Ebro. Aufzeichnung eines Kriegskommissars“ 1939 zunächst im Pariser „Verlag 10. Mai“. Dieser Verlag, der auch die Lücke ausfüllen sollte, die mit der Einstellung der Verlagstätigkeit der von Willi Münzenberg gegründeten Éditions du Carrefour entstanden war, um auch gleichzeitig die Aktivitäten von Münzenbergs neuem Verlag, dem Sebastian-Brant-Verlag, zu neutralisieren, war mit Geldern der Komintern gegründet worden. Verlagsleiter wurde Louis Aragon. Außer Bredels Buch ist nur noch Heinrich Manns Essay-Sammlung „Mut!“ erschienen. Da bald aus Moskau kein Geld mehr floss, musste der Verlag seine Arbeit einstellen.[6] Im gleichen Jahr der Pariser Ausgabe erschien Bredels Buch in Kiew im „Staatsverlag der nationalen Minderheiten der USSR“ und dann 1948 im (Ost-) Berliner Verlag „Lied der Zeit“. Erst 1977 gab der Aufbau-Verlag Berlin und Weimar die beiden Bände „Spanienkrieg. Zur Geschichte der 11. Internationalen Brigade“ heraus.
Anzumerken ist hinsichtlich der Empfehlung Heiner Raus, Bredel möge sich von Kantorowicz beraten lassen, dass letzterer schon das Manuskript der norwegischen Journalistin Lise Lindbæk über das Thälmann-Bataillon korrigiert und lektoriert hatte. Außerdem hatte sie Egon Erwin Kisch das Manuskript zum Lesen gegeben. Linbæk, die mit Rau eng befreundet war, hatte wie Kantorowicz für die Zeit des Schreibens im Kinderheim der XI. Brigade in Moraleja wohnen dürfen. Am 22.8.1937 schrieb sie von dort an Heiner Rau: „ … anbei Euer Vorwort, von Kantor korrigiert; das spricht wohl für sich selber! – Wir werden zusammen einen Entwurf zu einem besseren machen…Für das Buch habe ich Einleitung und Schluss umgeschrieben und 2 Kapitel beinahe umgearbeitet, alles nach Rücksprache mit Kantor. Er wird wohl morgen, Montag, mit der Korrektur fertig sein…Die Zusammenarbeit mit Kantor geht reibungslos und gut…Kantor kritisiert nicht halb so wüst wie Kisch und ich habe den Eindruck, dass er die Sache doch recht gut findet.“ [7]
Im Gegensatz zu Alfred Kantorowicz, der sich selbst um den Druck und das Binden seines Buches kümmerte, hatte Lise Lindbæk das Manuskript Ernst Zöllner, der bei der Delegation der Internationalen Brigaden [8] in Madrid für Propaganda zuständig war, im guten Glauben übergeben, dass das so effizienter für die Drucklegung sei, weil sie ja nicht immer vor Ort war. Aber richtig war die Entscheidung wohl nicht. Dabei hatte alles gut angefangen: Die Zusammenarbeit mit Kantorowicz und sein Lektorat waren gut, die Brigadeleitung war einverstanden und am 16. November 1937 schrieb Ernst Zöllner an das Politkommissariat der XI. Brigade: „Das Buch von Lise Lindbæk ist … in Druck. Für dieses Buch bitte ich Euch noch die Auflageziffer zu bestimmen. Ich würde 3.000 Exemplare vorschlagen. 3.000 Exemplare würden ungefähr 25.000 Peseten kosten. Da aber die Preise für Papier und Clichees ständig steigen, wird sich der Druck wahrscheinlich noch verteuern.“ [9]
Nach fast einem Jahr, im Juli 1938, fragte Luigi Longo, unter dem Namen „Gallo“ Generalinspekteur-Generalkommissar der Internationalen Brigaden, beim Kommissariat der XI. Brigade nach, was aus diesem Buch geworden sei. Darauf antwortete ihm der für Druckerzeugnisse verantwortliche Ernst Zöllner vom Kommissariat der Brigade, dass das Buch zur Zusammensetzung an die Druckerei gegangen, jetzt aber alles fertig sei. Im Dezember 1937 hätten sich die Kosten auf 27.000 Pesetas belaufen. Wenn jetzt die Imprimatur gegeben würde, könne das Papier zur Verfügung gestellt werden. Möglich aber sei eine Erhöhung des Preises durch die Marktsituation. Die 27.000 Pesetas seien übrigens das Ergebnis einer Subskription. Zöllner betonte auch, dass er Ernst Blank, den Kommissar der XI. Brigade, nicht konsultieren konnte, der aber bisher auch keine Zeit gefunden habe, Gallos Brief zu lesen. [10] Das Buch von Lise Lindbæk ist vermutlich nicht mehr in Spanien erschienen, denn eine spanische Ausgabe lässt sich nicht nachweisen. Dafür aber wurde dieses Buch aber 1938 in Oslo im Verlag Tiden Norsk mit dem Titel „Bataljon Thalmann“ und 1939 in einer schwedischen Ausgabe im „Solidaritets Förlag“ mit einem Vorwort von Georg Branting unter dem Titel „Internationella Brigaden“ herausgegeben. Georg Branting, von dem noch die Rede sein wird,war ein führender schwedischer Sozialdemokrat und hatte das Schwedische Hilfskomitee für Spanien gegründet, das sowohl schwedische Freiwillige in Spanien als auch das Hospital Sueco-Noruego in Alcoi (später Onteniente) unterstützte. Dieses Hospital stand unter dem Patronat der Sozialistischen Internationale und war also eine der wenigen Institutionen, die diese Organisation im republikanischen Spanien unterstützte. Nach Georg Branting benannte war auch eine sich aus skandinavischen Freiwilligen zusammensetzende Kompanie des Hans-Beimler-Bataillons der XI. Internationalen Brigade. Es war wohl eine gewisse Verschleppungstaktik, die zum Nichterscheinen des Buches von Lise Lindbæk führte. Aber auch diese Verschleppungstaktik hatte ihre Gründe. In einer Akte mit dem Titel „Listen, Charakteristiken und andere Materialien über Deserteure, Provokateure, Spione, unzuverlässige Personen“ findet sich eine nichtdatierte und mit „A.M.“ unterschriebene Information über Lise Lindbæk. Da das Kürzel „A.M.“ gewöhnlich von André Marty, also dem Vorsitzenden des Kriegsrates der Internationalen Brigaden und hohem Komintern-Funktionär, benutzt wurde, signalisierte damit quasi die höchste Instanz, dass gegenüber Lise Lindbæk massive Vorbehalte bestanden. Marty schrieb: „Lise Lindbaek (so im Original, W.A.). Lise Lindbaek kam wiederholt aus Oslo nach Spanien. Sozialdemokratin. Faktisch schrieb sie völlig falsche Sachen über die Freiwilligen. Sie reiste überall hin. Alles, was wir von ihr wissen, dient der Unterstützung der Trotzkisten“. [11] Damit ist natürlich auch klar, dass die guten Beziehungen zu Lise Lindbæk in den Augen bestimmter Funktionäre belastend für Kantorowicz waren. Hinzu kam, dass Lindbæk seit 1934 mit dem deutschen Arzt und Sozialreformer Max Hodann zusammenlebte und sie gemeinsam mit ihm nach einer Palästina-Reise ein Buch über die (berechtigte) „Heimkehr der Juden“ geschrieben hatte. Nach Ausbruch des Bürgerkrieges gingen Beide nach Spanien, er als Arzt zum Servicio Sanitario Internacional, dem Sanitätsdienst der Internationalen Brigaden, und sie als Kriegskorrespondentin der norwegischen Zeitung „Dagbladet“. Dabei entstanden die engen Bindungen an die XI. Internationale Brigade, sicher auch deshalb, weil hier die meisten skandinavischen Freiwilligen kämpften. Max Hodann nun, dem Peter Weiss in der „Ästhetik des Widerstands“ ein literarisches Denkmal gesetzt hatte, war von Anfang an seitens der kommunistischen Funktionäre mit Misstrauen begegnet worden. 1931 wegen kritischen Tönen in seinem im gleichen Jahr im Berliner „Universitas“-Verlag erschienenen Buch „Die Sowjetunion. Gestern. Heute. Morgen“ aus der Internationalen Arbeiterhilfe (IAH) ausgeschlossen, hatte er dann in der Emigration freundschaftliche Beziehungen zu Willi Münzenberg, vor allem aber zu André Gide, der mit der Veröffentlichung seines Buches „Retour de ´l U.R.S.S.“ (1936) wütende Reaktionen der Kommunisten hervorrief. Hodanns Post in Spanien wurde überwacht, der Geheimdienst der Internationalen Brigaden versuchte, seinen Briefwechsel mit Gide zu unterbinden. Peter Weiss hat die in Spanien über Max Hodann angelegten Akten mit Sicherheit nicht gekannt, denn diese sind erst seit den 90er Jahren einsehbar. Es wäre interessant zu wissen, wie Peter Weiss z.B. auf eine zusammenfassende Charakteristik reagiert hätte, die 1940 in Bezug auf Spanien über Hodann geschrieben wurde. Der kurze Text, verfasst von dem deutschen Kommunisten Gustav Szinda, Mitglied der Kommission für ausländische Kader beim Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Spaniens, bringt das zum Ausdruck, was vor allem die Genossen der KPD über Hodann dachten: „HODANN MAX. Er kam Anfang 1937 nach Spanien. Nach längerer Untätigkeit wurde er als Arzt in einem Hospital der Interbrigaden eingesetzt. Er eignete sich nicht als Arzt und wurde zurückgezogen auf Grund seiner politischen Unzuverlässigkeit. In den Hospitälern scharte er alle schlechten Elemente um sich und führte mit ihnen einen Kampf gegen die guten Elemente und versteckt auch gegen die Partei. Hatte Verbindung zu Trotzkisten und trotzkistisch verdächtigen Elementen und trieb auch feindliche Propaganda gegen die UdSSR. Er wurde als Arzt zurückgezogen wegen politischer Unzuverlässigkeit und aus Spanien herausgeschickt. Hodann steht im Verdacht, ein aktiver Trotzkist zu sein, weil es aus seiner Tätigkeit sowie aus seinem Material und aus seinen Verbindungen hervorgeht. 10.2.40 Gustav“ [12]
Am 28. April 1938 hatte Max Hodann an das Sanitätswesen des Landheers in Valencia geschrieben, dass die Situation der erkrankten und verwundeten Interbrigadisten teilweise mitleiderregend ist, weil sie sich in verschiedenen, dafür überhaupt nicht geeigneten Krankenhäusern befänden, in denen zudem nur Spanisch gesprochen würde. Er schlug vor, dass im Bereich des Reserveheers ein medizinischer Fachbereich für die Internationalen errichtet werden sollte, der ausgestattet mit 200 Betten fünf erfahrene Ärzte des Sanitätsdienstes der Internationalen Brigaden übernehmen sollte. Außerdem solle in Valencia im Krankenhaus der Interbrigaden einer der Ärzte eine Abteilung mit 30 – 40 Betten für leichtere Fälle unterhalten. Hodann hatte sich also wie andere leitende Ärzte auch besorgt über Probleme des Sanitätswesens geäußert und Vorschläge zur Verbesserung gemacht. [13] Ganz anders aber sahen das seine Gegner und es schien, dass das nicht nur die deutschen Kommunisten waren. Am 20. Oktober, also 8 Tage vor der feierlichen und beeindruckenden Verabschiedung der inzwischen aufgelösten Internationalen Brigaden in Barcelona, wurde in russischer Sprache ein Text über Hodann verfasst, der in der Sowjetunion ein Todesurteil bedeutet hätte.[14] Der Text enthält keinen Hinweis auf den Autor, da er sich aber in den spanischen Kaderunterlagen von Hodann befindet, muss er, wurde er in Spanien geschrieben, wo es sicher nur wenige Schreibmaschinen mit einer russischen Tastatur gab, von einem sowjetischen Dienst verfasst worden sein. Für ein Entstehen des Textes in Spanien spricht auch die eindeutige Reduzierung des Personenkreises, mit dem Hodann in Verbindung gebracht wird, auf Personen, mit denen er hauptsächlich in Spanien Kontakt hatte. Der Text fällte nicht nur politisch, sondern auch fachlich ein vernichtendes Urteil: Seit Mai 1937, seit er in Spanien ist, sei er in verschiedenen Krankenhäusern tätig gewesen, unter anderem in Cueva de Potitia als Chefarzt. Trotz dieser hohen Position habe er keine medizinischen Fachkenntnisse gehabt, dafür aber hätte er sich als Assistenten den polnischen Trotzkisten Voronovski,[15] der aus der Schweiz nach Spanien kam, geholt, der ihm die medizinische Arbeit gemacht, aber auch nichts davon verstanden habe. Damit habe Hodann das Krankenhaus vollkommen ruiniert. Überdies sei Voronski mehrmals in die Schweiz gereist, um dort die Verbindung zu parteifeindlichen Elemente zu organisieren. Hodann habe viele Personen eingeladen, die in der Zeit, als er Chefarzt war, das Hospital besichtigen sollten. Diese Besucher setzten sich aus „Trotzkisten, SAP-Leuten, Brandlerianern und Versöhnlern“ zusammen. Außerdem habe er dem Parteikomitee des Sanitätswesens verboten, dort einen Ausschuss zu Fragen des Trotzkismus einzusetzen.
Außerdem solle er gesagt haben: „Die Diskussion dieses Themas ist nicht hilfreich, denn der Trotzkismus sei nicht so schlimm, wie sie ihn uns hier präsentieren wollen.“ [16] Im Gegensatz dazu habe er immer betont, man müsse mit allen reden und in der Diskussion offen für andere Meinungen sein.
Im Grunde war Max Hodann in Spanien einer regelrechten Treibjagd ausgesetzt. Das soll mit einem weiteren Beispiel illustriert werden. Im Sanitätswesen der Internationalen Brigaden, dem Servicio Sanitario Internacional (SSI)), in dem bei weiten nicht alle Ärzte und das Sanitätspersonal Mitglieder einer kommunistischen Partei waren, gab es nach Meinung der politischen Verantwortlichen immer wieder ideologische und politische Probleme. Diese aber lagen im Verantwortungsbereich des Politkommissars für das Sanitätswesen. Diese Funktion hatte von August 1937 bis März 1938 der deutsche Kommunist Arthur Dorf inne, der zuvor als Stellvertreter von Luigi Longo (Gallo) abgelöst worden war. Dorf war es offensichtlich nicht gelungen, der genannten Probleme Herr zu werden, so dass er im März 1938 auch von diesem Posten abgelöst und letztlich zum einfachen Interbrigadisten degradiert wurde. Zuvor aber hatte er noch eine Inspektionsreise durch die Hospital- und Rekonvaleszenz-Zentren gemacht und in deren Ergebnis den meisten Chefärzten und Leitern politische Unfähigkeit bescheinigt. Das, so meinte er, hinge auch mit mangelnder Wachsamkeit und mit deren Toleranz gegenüber zersetzender Elemente zusammen. Zu letzteren zählte er natürlich auch Max Hodann, der sich zu dieser Zeit als Patient in einem Hospital in Dénia befand, also in einem mehr der Erholung und der Rekonvaleszenz der Interbrigadisten gewidmeten Städtchen an der Ostküste Spaniens. In seinem Bericht vom 5. März 1938 schrieb Arthur Dorf: „Dénia ist vom Anfang an ein Schmerzenskind…Heute bin ich der Meinung, dass der verantwortliche Chefdirektor Dr. Hauptmann[17] nicht die organisatorische noch die politische Fähigkeit besitzt einem solchen Zentrum vorzustehen. Er setzte z.B. ohne unsere Kenntnis den Dr. Hodann als seinen Stellvertreter ein. Hodann konnte sich einen solchen Resonanzboden schaffen, dass der Politkommissar (des Hospitalkomplexes, W.A.) bei mir den Antrag stellte, ihn zum verantwortlichen Leiter der Kulturarbeit zu machen. Der einzige, der Hodann Widerstand entgegensetzte, war der deutsche Kamerad Heinrich Haber[18]. Hodann ist dort als Patient. Hat aber verstanden, sich an verschiedene Arbeiten einfach heranzudrängen … Ich habe dem Politkommissar nach Kenntnisnahme dieser Vorgänge Mitteilung gemacht, dass Hodann sofort aus allen Funktionen zu nehmen ist und als Rekonvaleszent auch nicht das Recht hat, sich in die Angelegenheiten von Dénia zu mischen. Er hat auch auf spanischen Parteiversammlungen gesprochen. Der Politkommissar ist auf dem Laufenden gesetzt worden (so im Original, W.A.), damit diese Vorgänge sofort liquidiert werden. Hodann äußerte sich, dass die Zusammenarbeit zwischen Gestapo und Trotzkisten nicht erwiesen ist. Noch vor unserer Abreise, nachdem mir von der deutschen Sektion einige Mitteilungen gemacht worden waren, dass man wünsche, dass Hodann nicht in der Nähe von Valencia und anderen Verkehrsknotenpunkten sich aufhalte, wurde in einer gemeinsamen Besprechung mit den Kameraden Telge und Franek[19] besprochen, Hodann sofort aus Dénia abzuberufen und nach Valdeganga zu beordern, ein in stiller Einsamkeit liegendes Hospital mit einem politisch starken Direktor. Im Falle seiner Weigerung sollte unverzüglich seine Repatriierung durchgeführt werden. Warum diese Order nicht gegeben wurde, ist mir unbekannt.“[20]
In dem schon erwähnten auf Russisch verfassten Dokument wurden Hodann auch seine Kontakte zu der Schwedin Kajsa Rothman vorgeworfen, die in der Pressezensur arbeitete, zuvor aber im Institut für Blutkonserven tätig war, protegiert von dem berühmten Arzt Dr. Norman Bethune, mit dem, so behaupteten es die Gerüchte, sie eine Liebesbeziehung gehabt habe. Was aber die Geheimdienstler mehr interessierte, das waren ihre Kontakte zu dem schwedischen Sozialdemokraten Georg Branting. Da nun vor allem Mitarbeiter der KPD-Abwehr argwöhnten, dass die wenigen ausländischen sozialdemokratischen und sozialistischen Funktionäre in Spanien eine eigene sozialistische, nichtkommunistische Freiwilligenformation gründen wollten, war es nicht verwunderlich, dass auch der Deutsche Rolf Reventlow, Offizier der Spanischen Volksarmee, und der niederländische Schriftsteller Jef Last, der André Gide bei seinem legendären Besuch in der UdSSR begleitet hatte und der nun Offizier in den Internationalen Brigaden war, den Kreis der Verdächtigen um Max Hodann erweiterten. André Gide wurde der Vorwurf gemacht, er falle mit der Veröffentlichung des erwähnten Buches, weil die Sowjetunion neben dem kleinen und fernen Mexiko ihr einziger Unterstützer sei, der Spanischen Republik in den Rücken. Hier ist diese Angelegenheit nur insofern von Interesse, weil Max Hodann versuchte, ungestört mit Gide zu korrespondieren. Auf dem für die Angehörigen der Internationalen Brigaden streng vorgeschriebenen Weg über die Feldpost war das wegen der allen Interbrigadisten bekannten scharfen Kontrollen durch die Militärzensur absolut ausgeschlossen. Alle Angehörigen der Internationalen Brigaden mussten ihre Briefe unverschlossen bei den dafür zuständigen Poststellen abgeben, von wo aus sie erst nach Passieren der Zensur weitergeleitet wurden. Im Falle Max Hodann kommt nun noch eine weitere Person ins Spiel, die in dem in russischer Sprache verfassten Dokument, ebenfalls als Trotzkistin verdächtigt wurde. Es handelte sich um die 1892 in Czernowitz geborene, vor Spanien in Slowenien lebende deutschsprachige Schriftstellerin Augustine (Gusti) Jirku, die im Pressedienst der Sanität der Internationalen Brigaden beschäftigt und stellvertretende Chefredakteurin der Zeitschrift „Ayuda Médica Extranjera“ (AMI) war. Sie hatte in Spanien zwei Broschüren veröffentlich, eine über die Arbeit des Sanitätsdienstes und eine über die Rolle der Frauen in diesem Dienst. Das Interessante nun an dieser Geschichte ist, dass der sowjetische Dienst offensichtlich nicht wusste, dass Jirku Informantin des SIM, des Geheimdienstes der Internationalen Brigaden, war und diesem im August fünf Briefe, ein Telegramm und acht Adressen übergab, die sie von Hodann mit der Absicht erhalten hatte, sie weiterzuleiten und so die Zensur zu umgehen. Auch in diesem Kontext ging es um Jef Last und André Gide. Gusti Jirku, deren Mann bei der jugoslawischen Sektion der Kommunistischen Jugendinternationale arbeitete und später Opfer des Großen Terrors wurde, war aus Moskau über Paris nach Spanien gekommen. Auch für sie fiel es negativ aus und machte sie erpressbar, dass sie Maria Osten, und Julia Annenkowa ebenso gekannt hatte wie den 1936 in der Sowjetunion hingerichteten Alexander Ehmel (eigentlich Moise Lurje) und dessen Frau Isa Koigen .[21]
Diese kurze Skizzierung soll erklären, weshalb das Buchprojekt Lise Lindbæks in Spanien letztlich von keinem Erfolg gekrönt war und die Tatsache, dass sie von Kantorowicz beraten und ihr Manuskript von ihm lektoriert wurde, sich auch für ihn als nicht förderlich erweisen sollte. Aber ebenso wie bei Kantorowicz waren auch bei ihr die Sympathie der militärischen Leitung der XI. Brigade und besonders die Freundschaft mit dem zeitweiligen Kommandeur Heiner Rau entscheidend, dass die Animositäten der KPD-Führung in Spanien wenigstens neutralisiert werden konnten. Das aber bezog sich offensichtlich nicht auf das ihr gegenüber gehegte Misstrauen André Martys. Vermutlich aber wird man sich gegenüber Lise Lindbæk dahingehend gerechtfertigt haben, dass die spanische Ausgabe ihres Buches wegen der Zurückziehung der Internationalen Brigaden aus Spanien und der Niederlage der Republik nicht mehr erscheinen konnte. Denn man brauchte sie noch. Heinrich Rau, der 1938 wegen einer Verwundung aus Spanien nach Frankreich evakuiert worden war, leitete dann dort bis zum September 1939 das Hilfskomitee für die deutschen und österreichischen Spanienkämpfer. Als die Sowjetunion erkennen ließ, dass sie keinesfalls den Großteil der sich in französischen Internierungslagern befindlichen ehemaligen Interbrigadisten aufnehmen würde, entwickelte das Hilfskomitee eine hektische Betriebsamkeit und versuchte, in allen möglichen potentiellen Aufnahmeländern Verbündete, die die Regierungen und die öffentliche Meinung beeinflussen sollten. Am 27. April schrieb beispielsweise Heinrich Rau aus Paris an die Kaderabteilung der KPD-Vertretung bei der Komintern in Moskau: „Die skandinavische öffentliche Meinung können wir mit Hilfe von Lisa Lindbæk, die in die Lager gefahren ist, noch mehr als bisher interessieren“. [22] Lise Linbæk hatte, wie auch schon in den Jahren zuvor, in Skandinavien keinen Aufwand gescheut, um Sympathisanten für den Überlebenskampf der Spanischen Republik zu gewinnen. Oft bestritt sie, wie sie z.B. an Heiner Rau am 9. Februar 1938 auf einer Ansichtskarte von Lillehammer in Norwegen schrieb, zwei Veranstaltungen pro Tag. „Lieber Heiner… keine Truppenansammlungen, sondern Skifahrer und Rentiere – besser so. Gestern Abend wieder 2 Vorträge, wie gewöhnlich überfüllt. Erwarte dringend Nachricht von Euch, in irgendeiner Form. Grüße alle Kameraden! Herzlichst, Lisa.“ [23]
Vier Wochen zuvor, am 13. Januar, hatte sich auch Alfred Kantorowicz an Heiner Rau gewandt [24] und ihn gebeten, ihm beim Erwerb der spanischen Staatsbürgerschaft behilflich zu sein. Dafür brauchte er eine Bescheinigung, dass er für eine bestimmte Zeit und vor allem als Offizier der Spanischen Volksarmee angehört hatte. Obwohl zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar war, ob sein „Tschapajew“-Buch überhaupt erscheinen würde, rechnete er wohl auch damit, dass die spanische Staatsbürgerschaft den Editionsprozess nur forcieren könnte. Seine Bitte aber ging noch weiter. Ungewöhnlich in der seitens der deutschen Interbrigadisten geübten Beförderungspraxis, die bei guten Genossen und vor allem Weltkriegsoffizieren rasch zu höheren Rängen führte, blieb Kantorowicz Teniente (Leutnant). Für das, was er gleistet hatte, war das ein fast unnormaler Zustand. Als Capitán (Hauptmann) oder mit einem noch höheren Rang, so argumentierte er, könne er im Ausland sein Buch viel besser präsentierten und der Sache der Republik mehr nützen.
Eine Soldliste und Auszahlungsbelege zeigen im Fall Kantorowicz noch eine andere Merkwürdigkeit an, die eventuell auch dem Wunsch nach Beförderung erklären kann. Während ein Feldoffizier im Range eines Teniente mindestens einen Sold von über 800 Pesetas erhielt, waren es bei Kantorowicz gerade mal 430 Pesetas für den Monat März 1938, von denen er noch dazu 200 Pesetas an die Delegation der Internationalen Brigaden in Madrid zurückzahlen musste, weil er von dort einen Vorschuss für den Monat März erhalten hatte.[25] Interessant in diesem Kontext ist auch zu erfahren, dass das Soldbuch Kantorowicz´s, das Carnet militar, die Nummer 18.233 getragen hatte. Friedel, seine Frau, die der Delegation der Internationalen Brigaden in Madrid angehörte und als Sprecherin bei Rundfunk in Madrid angestellt war, erhielt ein Gehalt von 300 Pesetas. [26] Das entsprach in etwa dem Sold eines einfachen Soldaten der Spanischen Volksarmee.
So solidarisch sich die militärische Führung der XI. Internationalen Brigade gegenüber Alfred Kantorowicz verhielt, so wenig war es ihr zu diesem Zeitpunkt möglich, seine Wünsche zu erfüllen. Auf die Verleihung der spanischen Staatsbürgerschaft hätte er als Angehöriger der Spanischen Volksarmee de jure ein Recht gehabt, aber es war weniger die spanische Administration, die Schwierigkeiten gemacht hätte, sondern er brauchte dazu die Zustimmung der Partei. Und die war bei einem bekannten Funktionär, der er ja schon vor Spanien war, auch bei der Beförderung notwendig. Aber der XI. Brigade, der Kantorowicz nach seiner Verwundung und nach der Auflösung der XIII. Brigade angehörte, unterstütze ihn auch bei der Verbreitung seines Buches nicht nur dadurch, worauf schon im Heft 2/2015 hingewiesen wurde, dass sie es als Ehrengeschenk für verdiente Kämpfer nutzte, sie ging noch einen Schritt weiter, von dem Kantorowicz entweder nichts wusste oder er es nicht für notwendig hielt, ihn in seinem „Spanischen Kriegstagebuch“ zu erwähnen. Nachdem am 16. März Palmiro Togliatti als oberster Vertreter der Komintern das „Tschapaiew“-Buch freigegeben hatte, beauftragte die Brigade ihren Vertreter in der Delegation der Internationalen Brigaden in Madrid, den deutschen Kommunisten Oskar Margon, der zu dieser Zeit Politkommissar in der Kommandantur der Delegation war, ein Exemplar an den Präsidenten der Spanischen Republik Manuel Azaña Díaz zu schicken. Schon am 1. April 1938 schickte Margon, der übrigens seit 1933 in Spanien lebte, perfekt Spanisch sprach und in der Delegation nur den Namen „Oscar“ benutzte, das Buch an das Sekretariat des Präsidenten ab. Einen Monat später, die Präsidialkanzlei befand sich schon seit geraumer Zeit wegen der für die Republik bedrohlichen Kriegssituation in Barcelona, bedankte sich das Generalsekretariat der Präsidialkanzlei bei dem „Sr. Oscar, Kriegskommissar der Internationalen Brigaden“. Das klingt fast so, als ob Margon inzwischen die Funktion Luigi Longos (Gallo) eingenommen hätte, die Aufwertung kam aber wohl nur dadurch zustanden, weil sich sowohl das Generalkriegskommissariat der Internationalen Brigaden und die Delegation der Brigaden im gleichen Haus in der Calle Velázquez 63 in Madrid befanden. Der Brief, der hier erstmal veröffentlicht und faksimiliert wiedergegeben wird[27] befindet sich im Komintern-Archiv im Bestand „Kriegskommissariat der Internationalen Brigaden“.
Übersetzung:
Barcelona, 23. Mai 1938
Herrn Oscar
Kriegskommissar der Internationalen
Brigaden
Velázquez, 63 – MADRID
Sehr geehrter Herr,
mich erreichte Ihr geschätztes Schreiben vom 1. des vergangenen Monats und das Buch des Leutnants Alfred Kantorowicz, das ich seiner Exzellenz, dem Herrn Präsidenten der Republik übergab, der mich beauftragte, Ihnen seinen ausdrücklichsten Dank zu übermitteln, weil ihn die Sendung sehr interessierte.
Aus diesem Grund ist es mir eine Freude, mich Ihnen als Ihren aufmerksamen Diener zu empfehlen, der Ihnen die Hand reicht,
Unterschrift
Kontorowicz erwähnte den Brief in seinen Erinnerungen nicht, ebenso wenig wie die Tatsache, dass dem Präsidenten der Republik ein Exemplar des „Tschapaiew“- Buchs geschickt wurde. Offensichtlich hatte er nichts davon gewusst, sonst wäre es ihm bei seinen späteren Bemühungen um eine Neuauflage, dieses Mal bei einem ausländischen Verlag, wenigstens eine Erwähnung wert gewesen. Es ist überhaupt fraglich, ob er den Dankesbrief des Sekretärs von Azaña überhaupt gesehen hat, denn dieser traf erst Wochen nachdem Kantorowicz Spanien verlassen hatte, beim Kriegskommissariat ein und wurde dort archiviert. Es ist nicht bekannt, ob auch das Kommando der XI. Brigade eine Kopie zugestellt bekam.
Im April 1938 war Kantorowicz nach Frankreich ausgereist, um sich weiter von seiner Verwundung zu kurieren, an seinem „Spanischen Tagebuch“ zu arbeiten und sich um die Neuauflage des „Tschapaiew“- Buches zu kümmern. Wie alle anderen deutschen Intellektuellen von Brecht bis Zweig lebte er hauptsächlich an der Mittelmeerküste in dem idyllischen Ort Sanary-sur-Mer, der „Hauptstadt der deutschen Literatur“, wie der deutsche Philosoph Ludwig Marcuse Sanary-sur-Mer nannte.[28]
In Sanary gab sich Kantorowicz, wie der unten faksimilierte Brief[29] zeigt, weiterhin der Hoffnung hin, es könnte zu einer Neuauflage seines Buches kommen, wobei ihn natürlich eine deutsche Ausgabe am meisten interessierte. Der Brief ist an den Redisdat, die Redaktions- und Verlags-Abteilung der Komintern[30], gerichtet, der auch die in Paris erscheinende, vermutlich größte deutsche Exil-Zeitung, die „Deutsche Volkszeitung“ (DVZ), die maßgeblich unter dem Einfluss der KPD stand, kontrollierte. Die DVZ hatte den Vertrieb des Buches übernommen und Kantorowicz vermutlich signalisiert, dass die Zahl der ihr zur Verfügung stehenden Exemplare zu Ende geht. Da Kantorowicz aus Parteidisziplin und vielleicht sensibilisiert durch das Scheitern seiner Absicht, ein Manuskript Emil Oprecht in der Schweiz anzubieten, die Neuauflage bei einem kommunistischen Verlag erscheinen lassen wollte, kam nach dem Wegfall der Münzenberg-Verlage eigentlich nur noch der Komintern-Verlag für ausländische Literatur, nämlich die „Éditions Prométhée“ in Frage. Kantorowicz hat wohl auf diesen Brief keine Antwort erhalten. Allerdings, schaut man sich die Prométhée-Titel von 1938 an, dann hätte das Buch auch nicht ins Programm des Verlags gepasst. Bis auf die „Geschichte des Bürgerkriegs in der UdSSR“ erschienen hier nur Bücher und Broschüren für die strategische und taktische Ausrichtung der internationalen kommunistischen Bewegung und außerdem das theoretische Organ des Exekutivkomitees der Komintern, die „Kommunistische Internationale“. Überdies war die Verlagsplanung, wie aus den Redisdat-Unterlagen hervorgeht, 1937 schon abgeschlossen gewesen.[31]
„Molodaja Gwardia“, der Verlag des Kommunistischen Jugendverbands der Sowjetunion hatte, folgt man Kantorowicz, möglicherweise Interesse geäußert, das Buch erschien aber dort weder im August 1938 noch zu einem späteren Zeitpunkt.
Was Kantorowicz nun allerdings mit „Staatsverlag“ meinte, muss, da sich der Brief völlig isoliert in der Akte befindet, unklar bleiben. Es gab zu dieser Zeit in der UdSSR drei Verlage, die sich „Staatsverlag“ nannten. Der wichtigste wäre ohne Zweifel der „Staatsverlag der UdSSR“ gewesen, von dem aber nicht einmal ein Interesse überliefert ist. Für eine deutsche Ausgabe wäre der „Staatsverlag Engels“ in Frage gekommen, der Verlag der Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik der Wolgadeutschen in Engels, der ausschließlich in deutscher Sprach publizierte, dieses Buch aber zu dieser Zeit nicht gewagt hätte, weil er einerseits nur russische und deutsche Klassiker, andererseits nur absolut linientreue Literatur verlegte, aber gerade 1938 wie schon 1937 unter den großen „Säuberungen“ zu leiden hatte.
Blieb noch der „Staatsverlag der nationalen Minderheiten der USSR“ in Kiew, aber dort verhandelte man schon mit Willi Bredel, dessen schon erwähntes Buch „Begegnung am Ebro“ ein knappes Jahr später in diesem Verlag erschien.
Die Fürsprache Palmiro Togliattis und letztlich auch Luigi Longos konnten nicht verhindern, dass es bestimmten Personen in der Komintern gelang, eine weitere deutschsprachige Ausgabe zu torpedieren. Aber trotzdem war das Buch für Kantorowicz ein Erfolg: Es war noch in Spanien erschienen, die XI. Brigade ehrte damit verdiente Interbrigadisten, Azaña, der Präsident der Republik, hatte das Buch mit großem Interesse zur Kenntnis genommen, es war überall auf Zustimmung gestoßen, die Führung der XI. Brigade erklärte es auch für ein zukünftig über ihre eigene Geschichte zu schreibendes Buch als beispielgebend und letztlich war auch eine russische Ausgabe mit hoher Auflage erschienen.[32]
Ein ähnlicher Erfolg war Willi Bredel versagt geblieben. Das bei ihm im Auftrag gegebene Buch über die XI. Internationale Brigade erschien nicht, denn neben der schon erwähnten negativen Bewertung des Manuskripts durch die Führung der Brigade erreichte die Kritik auch das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Spaniens. In der Januar-Sitzung der „Kommission für ausländische Kader beim ZK der KP Spaniens“ war ein Tagesordnungspunkt der von der Kommission für Agitation und Presse im Kommissariat der Internationalen Brigaden vorgelegten „Kritik des Planes des Buches des Gen. Bredel“. Ernst Blank, Vertreter der XI. Brigade im Kriegskommissariat, bekam den Auftrag, bis Ende Februar 1938 Bredel die Kritik an seinem Manuskript zu übermitteln.[33]
Da sich die Geschichte offensichtlich auch weiterhin für Bredel nicht zum Guten wendete und er resignierend eingestehen musste, dass das Buch nicht mehr in Spanien erscheinen würde, wandte er sich an Franz Dahlem, der bis Ende 1937 in der Nachfolge von Hans Beimler der Vertreter der KPD in Spanien war und nunmehr gemeinsam mit Paul Merker das Sekretariat der KPD in Paris leitete. Dieses Sekretariat war für alle KPD-Emigranten verantwortlich, außer für die, die sich in der Sowjetunion aufhielten. Der Brief[34], der hier erstmals veröffentlich wird und deutlich die Situation Bredels beschreibt, lebt aber auch von Illusionen. So hoffte er, dass nach seinen Büchern „Die Prüfung“ (1935), „Der Spitzel“ (!936) und „Dein unbekannter Bruder“ (1937) nun auch ein Buch von ihm über den Spanienkrieg im Malik-Verlag in London erscheinen würde. Unklar ist, ob Bredel nur die Absicht hatte, das Manuskript dem Malik-Verlag anzubieten, oder ob es dort, was bei den inzwischen eingetretenen Schwierigkeiten für den Verlag eher unwahrscheinlich ist, ein Interesse seitens des Verlags gab. Im Malik-Verlag ist jedenfalls kein Spanien-Buch von Willi Bredel erschienen.
Dahlem hatte Bredels Brief Paul Merker zur Kenntnis gegeben, das geht jedenfalls aus der mit „Feld“, dem Pseudonym von Merker, unterzeichneten Notiz „Mitgeteilt, soll nach Paris kommen.“ hervor.
Im Mai 1938 hatte Walter Ulbricht die Leitung des KPD-Sekretariats in Paris an Dahlem abgegeben und war nach Moskau gereist, um dort der Vertreter der KPD beim Exekutivkomitee der Komintern zu werden. Offensichtlich erreichten ihn dort auch die Sorgen Bredels, denn gezeichnet mit seinem Decknamen „Eiche“ schrieb er an Dahlem in Paris: „Lieber Freund!
Uns war das Buch von Bredel über die Geschichte der XI. Brigade zur Begutachtung vorgelegt worden. Zu Eurer persönlichen Information übermitteln wir Euch anliegend unsere Meinung, wie sie in einer gemeinsamen Aussprache vereinbart wurde. Gen. Bredel hatte gleichzeitig einen Teil des Manuskripts an die Redaktion der „Internationalen Literatur“ gesandt zum Vorabdruck eines größeren Teils des Manuskripts. Wir glauben, es wäre zweckmäßiger mit dem Vorabdruck zu warten bis das Manuskript vom Verlag angenommen ist, damit nicht durch spätere Korrekturen zwei verschiedene Texte in der Öffentlichkeit existieren.“[35]
Leider ist die angekündigte „Meinung“ nicht der Akte beigelegt, aber wichtiger ist die Betonung des „Wartens“, einer üblichen Taktik, die letztlich mit einer endgültigen Absage enden konnte. Entscheiden musste die Partei und Bredel wird von den emigrierten Intellektuellen wenig Unterstützung erfahren haben. Er hatte bei seinen Schriftstellerkollegen immer das Image eines zwar dogmatischen, aber ehrlichen und um Bildung bemühten Arbeiterschriftstellers. Kaum jemand konnte sich vorstellen, dass er seine Kollegen, wie sich das an Alfred Kantorowicz, Johannes R. Becher, Bodo Uhse, Karl Schmückle, Peter Merin (d.i. Oto Bihalji) usw. belegen lässt, bei jeder Gelegenheit bei der Komintern- und KPD-Führung denunzierte. Aber Bredel gehörte zu den Auserwählten, die 1939 in die Sowjetunion zurückkehren durften, denn auch die KPD-Vertretung in Moskau hatte eingesehen, dass er sich in Paris auf nutzlosem Posten befindet. Neben der Arbeit in der Leitung des „Schutzverbandes Deutscher Schriftsteller“ war er in Paris der Vertreter der literarischen Zeitschrift „Das Wort“. Mit den gleichen Argumenten, die er gegenüber Franz Dahlem geäußert hatte, wandte sich nun die KPD-Vertretung in Moskau an den Generalsekretär der Komintern Georgi Dimitroff mit der Bitte, ein Einreisevisum für Bredel in die UdSSR zu befürworten.[36] Dem Antrag wurde stattgegeben und Bredel lebte dann seit 1939 in Moskau.
Natürlich hatte Kantorowicz zeitlebens nie etwas von den mitunter lebensbedrohlichen Denunziationen und negativen Urteilen erfahren, die Bredel über ihn gegenüber der KPD-Führung äußerte. Im Nachwort zu seinem „Spanischen Kriegstagebuch“ schrieb er vom „vergleichsweise redliche(n) Bredel“[37] und seinen Nachruf auf Willi Bredel in der Wochenzeitung „Die Zeit“ beendete er mit den Worten: „Zu den Scharfmachern gehörte er nicht, eher zu den <Versöhnlern>. Man sollte seiner mit Nachsicht gedenken.“[38]
[1] RGASPI, Fonds 545 op.3 delo 55, S. 199
[2] ebenda, S. 200
[3] Der Brief befindet sich im Komintern-Archiv unter der Signatur RGASPI 495-11-1, S. 8
[4] RGASPI 495-11-1, S. 83
[5] RGASPI 541-1-102b, S. 116. Vgl. auch Reinhard Müller (Hrsg.) Die Säuberung, Reinbek bei Hamburg 1991, S. 351-352
[6] Zum Verlag “10. Mai” vgl. Dieter Schiller, Wir konnten nicht mit dem K-Unglück rechnen. Der Verlag “10. Mai” in Paris 1938/ 39, in: Dieter Schiller, Der Traum von Hitlers Sturz. Studien zur deutschen Exilliteratur 1933-1945, Frankfurt a.M. 2010
[7] RGASPI, Fonds 545 op.3 delo 57, S. 45-46
[8] Um die Belange der Internationalen Brigaden und der internationalen Freiwilligen auch
außerhalb der Front und der Base Albacete besser vertreten zu können, gab es die sogen.
„Delegaciones de las Brigadas Internacionales“ im Barcelona, Madrid, Valencia und
Figueras. Letzterer war der Ort, an dem die Freiwilligen nach dem Passieren der franzö-
sischen Grenze in der Regel ankamen.
[9] RGASPI 545-3-57, S. 65
[10] vgl. RGASP, Fonds 545 op.3 delo 56, S. 87
[11] RGASPI, Fonds 545 op.2 delo 143 b, S. 217
[12] RGASPI 545-6-351, S. 108
[13] RGASPI 545-3-701, S. 13.
[14] RGASPI 545-6-375, S. 48 – 49
[15] Bei „Voronski“ handelte es sich mit Sicherheit um den 1913 geborenen polnischen Arzt Chaim Woronowski, der in der Schweiz einem trotzkistischen Zirkel angehörte, im November 1936 nach Spanien kam, dort zuerst der XII., dann der XI: Internationalen Brigade angehörte, danach im Hospital No. 3 der Internationalen Roten Hilfe in Albacete und später im Sanitätsdienst der Spanischen Volksarmee arbeitete. Woronowski stand unter scharfer Kontrolle des Geheimdienstes der Internationalen Brigaden. Vgl. auch RGASPI 545-6-675, S. 82
[16] Eine ähnliche Diskussion, in der es aber um das Verhältnis zu den Anarchisten und über Hodanns Anregung, auch über die Sexualität an der Front und über individualtherapeutische psychoanalytische Behandlung von Verwundeten zu reden, und die Konsequenzen dieser Diskussion gibt auch Peter Weiss wieder, indem er seinen Protagonisten sagen lässt: „Aus Hodanns Blick, der noch um eine Schattierung dunkler wurde, entnahm ich, dass er verstand, wie verdächtig seine Tätigkeit der politischen Leitung in Albacete war.“, in : Peter Weiss, Die Ästhetik des Widerstands, Berlin (Ost) 1983, Bd. 1, S. 265
[17] Hier handelte es sich um den jugoslawischen Staatsbürger polnischer Herkunft Dr. Joseph Hauptmann, Jahrgang 1910, der auf „zivile“ Krankheiten spezialisiert war und im Rang Teniente médico bis zu seiner Ablösung wegen „schlechter politischer Arbeit“ im August 1938 Ärztlicher Direktor des Sanitätskzentrums Dénia war.
[18] “Heinrich Haber“ war der Deckname des 1937 aus der UdSSR nach Spanien gekommenen Max Schiller.
[19] Dr. Oskar Telge, Direktor des Servicio Sanitario Internacional (SSI), war in Wirklichkeit der Bulgare Cvetan Angelov-Kristanov. Dr. Jaroslav Franek, ebenfalls Bulgare, hieß mit dem bürgerlichen Namen Petar Kolarov, war stellvertretender Direktor des SSI, zur genannten Zeit aber Direktor des SSI für die Provinz Albacete.
[20] RGASPI 545-3-701, S. 9-10. Stil und Grammatik wurden beibehalten.
[21] vgl. RGASPI 545-2-145, S. 172 u. 173
[22] RGASPI 545-3-55, S. 172
[23] RGASPI 545-3-55, S. 111
[24] RGASPI 545-3-55, S. 97 u. 98
[25] RGASPI 545-1-62, S.15 u. 144
[26] RGASPI 545-1-62, S. 14
[27] RGASPI 545-1-17, S. 149
[28] Ludwig Marcuse, Mein zwanzigstes Jahrhundert, Zürich 1975. S. 180
[29] Dieser Brief befindet sich in der Akte RGASPI 495-78, S. 94. Die Funktion des links oben handschriftlich erwähnten „Juzanovic“ konnte nicht ermittelt werden. Rätselhaft sind auch die russischen handschriftlichen Einträge links unten. Dort heißt es einmal: „Haben bestellt 7.100“, darunter „Buch von Busch 1000“.
[30] Die russische Abkürzung „Redisdat“ bildet sich aus Redakzija i izdatel´stvo
[31] vgl. hier „Mappe für die Verlagstätigkeit verschiedener Länder“, RGASPI 495-78-152, besonders die Seiten 11 – 15
[32] vgl. dazu den 1. Teil der Geschichte des Tschapaiew-Buches in EXIL 2/2015
[33] vgl. RGASPI 545-6-8, S.16. „Ernst Blank“, danach vom März 1938 bis zu seinem Tod im Januar 1939 Kommissar der XI. Brigade, der auch das Pseudonym „Ewald Blau“ benutzte, war in Wirklichkeit der KPD-Funktionär und aus der Sowjetunion nach Spanien delegierte Karl Thoma.
[34] Der Brief befindet sich in der Akte RGASPI 495-293-152. Bei dem im Brief von Bredel aufgeführten „Erich W.“ handelt es sich um den Schriftsteller und Rezitator Erich Weinert.
[35] Der Brief befindet sich in RGASPI 495-292-100, S.8
[36] vgl. RGASPI 495-293-158, S. 12
[37] Alfred Kantorowicz, Spanisches Kriegstagebuch, Köln 1966, S. 389
[38] Die Zeit, 6. November 1964
Anmerkung der Redaktion:
Dieser inzwischen aktualisierte Beitrag erschien zuerst in der Zeitschrift EXIL, Heft 1 / 2015. Der Verlag EXIL verlegt die Zeitschrift EXIL und Exilliteratur, die in den Jahren 1933 bis 1945 entstanden ist. Ferner veröffentlichte der Autor über Kantorowicz im „Argonautenschiff“ 24/2016 – Jahrbuch der Anna-Seghers-Gesellschaft Berlin und Mainz e.V. sowie im Biographischen Lexikon von Werner Abel, Enrico Hilbert & Harald Wittstock – ‚Sie werden nicht durchkommen‘, Deutsche an der Seite der Spanischen Republik und der sozialen Revolution. Bilder und Materialien unter Mitarbeit von Marguerite Bremer, Peter Fisch, Dieter Nelles und Karlen Vesper, Band 2, Verlag Edition AV.)