Romy Günthart/ Erich Günthart, Spanische Eröffnung 1936. Rotes Zürich, deutsche Emigranten und der Kampf gegen Franco, Zürich 2017 (Chronos), 203 S.
Am 14. Februar 1939 anerkannte die Schweiz als zweites europäisches Land nach Irland und zwei Wochen vor England und Frankreich diplomatisch die Franco-Regierung als einzige legitime Regierung Spaniens. Das war auch eine Konsequenz der seit 1936 gegenüber der rechtmäßig gewählten spanischen Volksfront-Regierung verweigerten Solidarität, die verschiedene Facetten trug. Das begann mit dem Verbot von Solidaritätsaktionen der Schweizer Antifaschisten über die versuchte Kriminalisierung und tatsächliche Observierung aller derer, die sich für eben diese Solidarität einsetzten, und endete mit der Inhaftierung von Schweizern, die der bedrängten Republik zur Hilfe kommen wollten. Diejenigen, die es dann geschafft hatten, kamen nach ihrer Rückkehr in die Schweiz vor das Divisionsgericht und mussten mit empfindlichen Strafen rechnen. Fürsorglich hatten die Schweizer Behörden schon am 3. November 1936 Gesetze gegen die kommunistische Partei und ihre Frontorganisationen, vor allem die Internationale Rote Hilfe, erlassen. Mit geheimdienstlichen Mitteln wurde gegen Schweizer vorgegangen, die in Verdacht gerieten, nach Spanien zu wollen, oder die den ohnehin in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkten, deutschen Emigranten halfen, auf illegalen Wegen nach Spanien zu gelangen. Vieles davon lässt sich nun in einem in Zürich erschienen Buch nachlesen, das vor allem auch in Deutschland auf besonderes Interesse stoßen sollte.
Alles hatte, so betont es auch das Vorwort, eigentlich mit einer privaten Recherche begonnen.
Erich Günthart, Sohn, und Romy Günthart, Enkelin des schweizer Arbeiters Walter Günthardt (1911-1971), hatten mit dessen spärlichem Nachlass auch eine Lithographie Heinrich Zilles geerbt, über die Walter nur erzählt hatte, er habe sie im Sommer 1936 von einem deutschen Emigranten als Dank dafür erhalten, dass sich dieser vor seiner Weiterreise nach Spanien bei ihm einquartieren durfte. Der geheimnisvolle Emigrant, über den Walter sonst nie mehr gesprochen hatte, war, so fanden seine Nachkommen heraus, der unter dem Namen „Klaus“ in der Schweiz lebende Ludwig Renn. Dieser sächsische Adlige und Weltkriegsoffizier, war nach seinem Welterfolg „Krieg“ in die KPD eingetreten und nach der Entlassung aus der Nazi-Haft im Februar 1936 in die Schweiz emigriert. Nach dem Putsch der Generäle in Spanien hatte er sich der rechtmäßigen Regierung zur Verfügung gestellt. Unter seinem Befehl kämpfte dann in Spanien mit Heinrich Bram auch ein Schweizer, der bei den Günthardts als Untermieter gewohnt hatte. Am Beispiel Ludwig Renns, Hans Kahles und Hans Marchwitzas wird hier durch die Veröffentlichung ihrer schweizer Geheimdienst-Dossiers ein weiteres Mal offenbar, wie repressiv die Behörden der Schweiz auch gegen die deutsche antifaschistische Emigration vorgingen. Diese hier im Buch enthaltenen Observierungs- und Verhörprotokolle waren bis dato der Öffentlichkeit nicht bekannt. Die drei genannten Deutschen hatten, nachdem sie aus der Schweiz ausgewiesen und nach Spanien gelangt waren, hohe Kommandofunktionen in der republikanischen Armee. Hans Kahle kommandierte mit der 45. Division eine der größten Einheiten, die zu dieser Zeit auf republikanischer Seite unter der Führung eines Deutschen stand. Zuvor hatte er eine Brigade kommandiert, in der Ludwig Renn sein Stabschef war. Renn hatte mit Walter Günthardt auf dessen selbstangefertigtem Brett Schach gespielt. Daran erinnerte er sich, als er am 31. Dezember 1936 mit Hans Kahle im Stabsquartier der XI. Internationalen Brigade am Schachbrett saß und sein Spiel mit der „Spanischen Eröffnung“ begann.
Zwanzig Jahre nach seiner Ausweisung aus der Schweiz durfte Ludwig Renn 1956 wieder einreisen, mit der für einen Schriftsteller befremdlichen Einschränkung, dass ihm „jede Vortragstätigkeit in der Schweiz ohne ausdrückliche fremdenpolizeiliche Bewilligung untersagt ist.“
Werner Abel