Afroamerikanische Antifaschisten im Spanischen Bürgerkrieg. Von Peter N. Carroll, USA.

Afroamerikanische Antifaschisten im Spanischen Bürgerkrieg

Der antifaschistische Freiwillige Canute Frankson erläutert 1937 in einem Brief nach Hause seine Motivation: „Wir werden uns eine neue Gesellschaft bauen – eine Gesellschaft des Friedens und Wohlstands. Es wird keine Grenzen für die Hautfarben geben, keine diskriminierenden Züge, keinen Lynchmord. Deshalb, meine Lieben, bin ich hier in Spanien.“
2. Mai. 2018 Peter Carroll BLACKPAST.ORG

Circa 90 Afro-Amerikaner kämpften während des Bürgerkriegs in Spanien, der das Land von 1936 bis 1939 heimgesucht hatte. Der Krieg wurde zu einem Stellvertreterkrieg für die europäischen Großmächte, da die Sowjetunion die neu entstandene Zweite Spanische Republik unterstützte, während Nazi-Deutschland und das faschistische Italien den antirepublikanischen Konservativen unter Führung von General Francisco Franco halfen. Obwohl offiziell neutral, kamen aus den Vereinigten Staaten circa 2.800 Freiwillige als Lincoln-Brigade, um die Republik zu unterstützen. In dem nachfolgenden Artikel erzählt der Historiker Peter N. Carroll die Geschichte des kaum bekannten afroamerikanischen Freiwilligen Canute Frankson, der die Beweggründe seines Kampfes im Spanischen Bürgerkrieg hinterließ.
Niemand außer seinen Freunden hatte 1937 jemals von dem 47-jährigen Canute Frankson gehört. Er wurde am 13. April 1890 in der Gemeinde St. Catherine auf der Insel von Jamaica geboren. Uns ist über sein frühes Leben wenig bekannt, doch 1917 emigrierte er mit seiner Frau Rachel in die Vereinigten Staaten, wo er sich für eine Weile in Wilkes Barre, Pennsylvania, niederließ und als Maschinist arbeitete. Später zog er nach Detroit weiter, wo er sich in Automobilfabriken weiter qualifizierte. Hier führte ihn die Große Depression 1934 in die Arbeiterbewegung. Drei Jahre später war er Hauptmechaniker in der KFZ-Werkstatt im Hauptquartier der Internationalen Brigaden in Albacete, Spanien, die im Spanischen Bürgerkrieg den Faschismus bekämpften.
Wie konnte es einen afroamerikanischen Mann mittleren Alters in einen Bürgerkrieg in einem weit entfernten Land verschlagen? Die Geschichte von Canute Frankson ist bestimmt außergewöhnlich, doch nicht ganz einzigartig, da er sich gemeinsam mit ungefähr neunzig weiteren Afroamerikanern, einschließlich einigen afrikanischen Abkömmlingen aus Kuba und Puerto Rico, vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs dem Kampf um Demokratie anschloss. Die amerikanischen Freiwilligen in Spanien waren als Lincoln-Brigade bekannt geworden, benannt nach dem Präsidenten, der die Unabhängigkeit verkündet hatte und die rechtmäßige Regierung der Vereinigten Staaten in unserem eigenen Bürgerkrieg repräsentierte.
Der Spanische Bürgerkrieg begann am 18. Juli 1936 und erfuhr sofort internationale Aufmerksamkeit. Als aufständische Armeeoffiziere unter Führung von General Francisco Franco einen Staatsstreich gegen die gewählten Führer der Republik Spanien unternahmen, fanden sie in Nazi-Deutschland und dem faschistischen Spanien ihre Hauptverbündeten. Die Diktatoren Adolf Hitler und Benito Mussolini sahen in Spanien eine Gelegenheit zur Erprobung neuer Waffen sowie der Ausdehnung ihrer Macht in Europa. Großbritannien und Frankreich, Verbündete im Ersten Weltkrieg, fürchteten einen zweiten Krieg und hofften, eine Neutralitätspolitik könnte die Ausweitung des spanischen Krieges verhindern. Die USA unter Präsident Franklin D. Roosevelt folgten ihrem Herangehen. Doch benötigte die rechtmäßige spanische Regierung Unterstützung zum Überleben und bat andere Länder um Hilfe. Sowjet-Rußland, in den 1930-iger Jahren eine kleinere Macht, stimmte schließlich zu, Spanien Waffen zu liefern. Bedeutender war noch, dass die Kommunistische Internationale Männer und Frauen dazu aufrief, ihre Heimatländer zu verlassen und sich dem Kampf gegen die Ausbreitung des Faschismus anzuschließen.
In den 1930-iger Jahren zählte die US-Bevölkerung 130 Millionen, doch nur 2.800 Bürger reagierten auf den Aufruf Spaniens nach Unterstützung. Was war der Grund dafür, dass sich Afroamerikaner wie Canute Frankson aufmachten, die Spanische Republik zu retten? Zwei Monate nach seiner Ankunft in Spanien griff Frankson nach Stift und Papier, um den Leuten daheim seine Motive zu erläutern.
„Ich bin mir sicher, dass Ihr immer noch auf eine gründliche Erklärung dafür wartet, was dieser internationale Kampf mit meinem Hiersein zu tun hat“, begann er. „Angesichts dessen, dass dies ein Krieg zwischen Weißen ist, die uns über Jahrhunderte in Sklaverei gehalten und jede Art von Erniedrigung und Missbrauch über uns gebracht haben, Rassentrennung und Diskriminierung; warum bin ich heute, ein Neger, der all diese Jahre für die Rechte meines Volkes gekämpft habe, in Spanien?”
“Weil wir,” fährt Frankson fort, „keine isolierte Minderheit mehr sind, die hoffnungslos gegen einen Giganten kämpft. Weil wir, liebe Leute, Teil einer großen fortschrittlichen Kraft geworden sind, auf deren Schultern die Verantwortung für die Rettung der menschlichen Zivilisation vor der geplanten Zerstörung durch eine kleine Gruppe in ihrem Machtstreben Degenerierter ruht. Weil die Zertrümmerung des Faschismus hier unser Volk in Amerika und anderen Teilen der Welt vor teuflischer Verfolgung, massenhafter Einkerkerung und Gemetzel retten wird, worunter das jüdische Volk unter dem Stiefel des Hitlerfaschismus litt und leidet. Wir müssen nur an die Lynchjustiz gegen unser Volk denken. Schauen wir nur zurück auf die Seiten der amerikanischen Geschichte, die mit dem Blut der Neger besudelt sind; auf den Gestank der brennenden Körper unserer Leute an den Bäumen; denken wir an das schmerzhafte Stöhnen unserer gequälten Liebsten, denen bei lebendigem Leib Ohren, Finger und Zehen als Souvenirs abgeschnitten wurden, an die Leiber, in die rotglühende Schürhaken geschoben wurden. All dies, weil in den Köpfen von Männern und Frauen durch ihre Herren ein Hass geschürt wurde, mit dem sie uns alle unter ihrer Knute hielten, während sie unser Blut saugten und uns wohlgefällig ausbeuteten ….“
In Frankson’s Gefühlen spiegelten sich die Stimmen anderer afroamerikanischer Freiwilliger wider. Vaughn Love, ein hellhäutiger Afroamerikaner, der in Tennessee geboren wurde und in Harlem in New York City, New York, lebte, als er vom Kampf in Spanien erfuhr. „Ich hatte Hitlers Buch gelesen, wusste von den Nürnberger Gesetzen,” sagte er mir in einem Interview, “und mir war klar, wenn man den Juden nicht das Recht zu leben zugestand, dann würden die Neger dem nicht entgehen, sondern würden an vorderster Stelle der Liste stehen. Ich wußte auch, dass die Gemeinschaft der Neger quer durch die Vereinigten Staaten das gleiche tun würde wie ich, hätte sie die Gelegenheit dazu.“ Der in Mississippi geborene Eluard Luchelle McDaniels zog die gleiche Schlussfolgerung: „Ich sah, dass die Eindringlinge Spaniens die gleichen Leute waren, gegen die ich mein ganzes Leben gekämpft habe. Ich sah Lynchmord und Hunger und ich kenne die Feinde meines Volkes.“
Die meisten Afroamerikaner, die den Weg nach Spanien fanden, waren Mitglieder der Kommunistischen Partei oder einer verbündeten Organisation, doch waren ihre politischen Ansichten eng mit ihrer Rassenidentifikation verbunden. Von allen Aktivistengruppen im Amerika jener Zeit war die kommunistische Bewegung diejenige mit den klarsten Positionen gegen Rassenvorurteile- und Diskriminierung. Folgerichtig war die Abraham Lincoln Brigade der erste vollständig integrierte Militärverband in der amerikanischen Geschichte. In allen vorangegangenen Kriegen dienten schwarze Soldaten unter dem Kommando weißer Offiziere, in Spanien jedoch trafen die Afroamerikaner auf keine Vorurteile und viele von ihnen wurden geachtete Offiziere. Unter ihnen befand sich Oliver Law aus Chicago mit dem höchsten Rang eines Bataillonskommandeurs. Er fiel in einem Kampf, in dem er eine ethnisch gemischte Armee beim spanischen Brunete 1937 anführte.
Der berühmte Schriftsteller und Dichter, Langston Hughes, ging als Berichterstatter für die afroamerikanische Presse nach Spanien und schrieb über das Heldentum von Männern, wie Kommandeur Law, Milton Herndon, Walter Garland und anderen Freiwilligen, von denen viele im Kampf starben oder verwundet wurden. Er interviewte auch den Zahnarzt aus Harlem, Arnold Donowa, der in den medizinischen Einheiten diente und dort einer jungen Schwester namens Salaria Kea begegnete. In Georgia geboren und Akron, Ohio, aufgewachsen, erfuhr sie früh von Rassentrennung und Rassenvorbehalten. Doch in Spanien blühte sie in einer antirassistischen Atmosphäre auf, in der Rassenvorurteile unter Amerikanern fast wie ein Verbrechen angesehen wurden. Als der zu Besuch weilende Autor Ernest Hemingway beiläufig ein herabwürdigendes Wort benutzte, schlug ihm ein amerikanischer Arzt mit der Faust ins Gesicht.
Nachdem die ausländischen Freiwilligen 1938 aus den Internationalen Brigaden demobilisiert wurden, drängten die Afroamerikaner nicht danach, nach Hause zu fahren. „Spanien war der erste Ort, an dem ich mich je als freier Mensch fühlte,“ erinnerte sich der Veteran Tom Page, ein geborener New Yorker. Der aus dem Süden stammende Crawford Morgan beobachtete, dass in Spanien “die Menschen nicht mit Hass in den Augen auf mich herabblickten, weil ich schwarz war, und mir nicht dies und jenes verweigerten, weil ich schwarz…, und wenn man schon längere Zeit auf der Welt ist und von den Menschen schlechter behandelt wurde, als deren Hunde, da ist es ein schönes Gefühl, irgendwo hinzugehen und sich wie ein menschliches Wesen fühlen zu können.“
Die Spanische Republik verlor den Kampf gegen den Faschismus und Franco würde noch bis 1975 als Diktator regieren. Doch der gleiche Kampfesgeist, der afroamerikanische Freiwillige in den Kampf gegen den Faschismus in Spanien führte, inspirierte sie zur Fortsetzung ihres Kampfes während des Zweiten Weltkriegs und später. Fast zwanzig schwarze Überlebende aus Spanien dienten in der US-Armee, der Handelsmarine oder im Sanitätsdienst. Nach Pearl Harbor trat Vaughn Love gleich am nächsten Tag der Armee bei, obwohl im Militär noch strikte Rassentrennung herrschte. „Ich wusste, hier gehöre ich hin,” sagte er. “Ich wusste seit dem Ende des Spanienkrieges, dass wir uns selbst diesen Mistkerlen entgegenstellen mussten. „Nichtsdestoweniger protestierten sowohl weiße, als auch schwarze Spanienveteranen energisch gegen die Rassenvorbehalte in der Armee.
Am erfolgreichsten war Sergeant Edward Carter II, dem es gelang, gegen Ende des Krieges zu einer Kampfeinheit in Deutschland zu stoßen. Im März 1945 griff er einen feindlichen Trupp an, tötete mindestens sechs und nahm zwei gefangen, wobei er selbst viele Verletzungen davontrug. Die Armee ehrte ihn mit dem Verdienstkreuz, der höchsten Ehre, die je einem Afroamerikaner im Zweiten Weltkrieg zuteilwurde. Fünfzig Jahre später fügte Präsident Bill Clinton während einer Zeremonie im Weißen Haus Carters Ehrung postum die Ehrenmedaille hinzu.
Obwohl die Niederlage Italiens und Deutschlands 1945 die Totenglocken für den internationalen Faschismus erklingen ließ, waren sich die Veteranen des Spanischen Bürgerkrieges, weiße und schwarze gleichermaßen, darin einig, dass der Kampf für Gerechtigkeit fortgesetzt werden müsse. Vielen von ihnen waren in den Reihen der Bürgerrechtsbewegung aktiv und kämpften bis ans Ende ihres Lebens für Rassengleichheit in Bildung, Arbeit und bei Bürgerrechten.
Canute Frankson beendete seinen Brief 1937 mit den Worten: „Wir werden uns eine neue Gesellschaft bauen – eine Gesellschaft des Friedens und Wohlstands. Es wird keine Grenzen für die Hautfarben geben, keine diskriminierenden Züge, keinen Lynchmord. Deshalb, meine Lieben, bin ich hier in Spanien.“

Quellen:
Peter N. Carroll, Die Odyssey der Abraham Lincoln Brigade: Amerikaner im Spanischen Bürgerkrieg (Stanford, CA: Stanford University Press, 1994);
Danny Duncan Collum, ed., Afroamerikaner im Spanischen Bürgerkrieg: “Das ist nicht Äthiopien, doch es reicht (NY: G.K. Hall, 1992);
Peter N. Carroll, Von Guernica zu den Menschenrechten: Essays über den Spanischen Bürgerkrieg (Kent, OH: Kent State University Press);
Peter N Carroll, et. al, eds., Der gerechte Kampf geht weiter: Weltkrieg II Briefe aus der Abraham Lincoln Brigade (New York: NYU Press, 2006).

Peter N. Carroll ist Vorsitzender a.d. des Abraham-Lincoln-Brigade-Archivs, einer gemeinnützigen Bildungsorganisation (http://www.alba-valb.org/). Er ist auch Dozent an der Stanford Universität und Autor von Die Odyssee der Abraham Lincoln Brigade: Amerikaner im Spanischen Bürgerkrieg (Stanford University Press). Weitere relevante Veröffentlichungen umfassen Von Guernica bis zu den Menschenrechten: Essays über den Spanischen Bürgerkrieg und Der gerechte Kampf geht weiter: Weltkrieg II Briefe aus der Abraham Lincoln Brigade.

Übersetzung: JOWI – übersetzungen.de

Redaktion KFSR

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