»Sei stolz, du Jugend …« – Einzigartig: Werner Abel veröffentlichte im Reprint die Zeitung »Paseremos« der XI. Internationalen Brigade. Von Karlen Vesper.

Titelfoto: Nicht nur Spanier hoffen, dass nicht wie vor 80 Jahren in Barcelona Barrikadenkämpfe ausbrechen. Foto: akg

»Sei stolz, du Jugend …«

Einzigartig: Werner Abel veröffentlichte im Reprint die Zeitung »Paseremos« der XI. Internationalen Brigade. Von Karlen Vesper.

Es ist Krieg in Spanien. Und dann bricht auch noch ein Krieg im Kriege aus. Die Zentralregierung in Madrid schickt Truppen nach Barcelona, um dort wieder »Ruhe und Ordnung« herbeizuschießen. Nach fünf Tagen sind 400 Tote zu beklagen.

Nein, das ist keine düstere Vision einer womöglich kommenden militärischen Konfrontation in Katalonien. Das ist so geschehen. Im Mai 1937, als sich Kommunisten und Sozialisten mit Anarchosyndikalisten und Linksmarxisten bekriegten. Weil die einen den Sieg über die von Hitler und Mussolini unterstützten Franco-Faschisten für wichtiger als die sofortige soziale Revolution erachteten. Die 1939 obsiegenden Putschisten machten dann keine Unterschiede in ihrer blutigem Rachefeldzug gegen die linken und andere demokratische Verteidiger der Volksfrontregierung.

In Numero 14 vom 16. Mai 1937 der Zeitschrift »Pasaremos« der XI. Internationalen Brigade schreibt deren Kriegskommissar »Heiner« unter der beschwörenden Überschrift »Unverbrüchliche Treue zur Volksfront«: »Die Faschisten haben seit Monaten in ihren militärischen Aktionen an allen Fronten Spaniens Misserfolge und Niederlagen zu verzeichnen … Die Aktien Francos sinken. Mussolini und Hitler sehen ihre Felle davonschwimmen … In dieser Situation ist es keineswegs überraschend, dass die 5. Kolonne, die Trotzkisten und alle volksfeindlichen Elemente, ihre verbrecherische Tätigkeit verstärken.« Und zwar durch »Zersetzung«, »Sabotage und demagogische Agitation«. Abgesehen davon, dass hier die Angehörigen der Durruti-Brigade, benannt nach dem in der Schlacht um Madrid im November 1936 von einer tödlichen Kugel getroffenen legendären Anarchisten benannt, zu »Trotzkisten« mutieren – jene gar als maskierte Faschisten zu diffamieren, war starker Tobak.

Man kann nur hoffen, dass die heutige spanische Linke sich der tragischen, mörderischen Folgen des Zerwürfnises der Linken seinerzeit erinnert, sich nicht selbst zerfleischt, kühlen Kopf in der heißen Konfrontation zwischen Madrid und Barcelona bewahrt und erkennt, dass der gemeinsamen Feind die Ultrarechten und Neoliberalen sind.

Eine einzigartige Edition verdankt sich dem Historiker, Intimkenner des Spanienkrieges und leidenschaftlichen Sammler bibliophiler Schätze Werner Abel. Außer der von Vittorio Vidali 1973 besorgten Ausgabe der »Milicia popular« des 5. (italienischen) Regiments ist bis dato keine weitere Brigade-Zeitschrift der internationalen Freiwilligen nachgedruckt worden. In keiner deutschen Bibliothek, in keinem Archiv findet sich ein vollständiger Bestand der »Pasaremos«, auch von keiner anderen Brigade-Zeitung. Dieser von der Rosa-Luxemburg-Stiftung geförderte Reprint in knallrotem Einband ist einzigartig.

Zu den 35 000 Interbrigadisten gehörten 3000 Deutsche. Sie formierten sich vornehmlich in der XI. Brigade, in deren Reihen auch Österreicher, Schweizer, Niederländer und Skandinavier kämpften. »Die Internationalen benötigten nicht nur Waffen, Munition, Kleidung und Verpflegung, sie benötigten auch Informationen«, schreibt Abel einleitend. Zuständig dafür war in Albacete, dem Headquarter, eine spezielle Presseabteilung. Recht bald nach der Konstituierung der Internationalen Brigade erschienen die ersten Zeitungen und Zeitschriften, anfangs wegen des dominanten Einflusses der französischen Kommunisten und Kommandeure in Französisch. Das änderte sich, nachdem die Militärs und Kommunisten Spaniens die Landessprache im Interesse effektiverer Kommunikation und Koordination in allen Einheiten als verbindlich bestimmten. In »Pasaremos« (Wir werden durchkommen), deren erste Nummer am 2. März 1937 herauskam, überwogen zunächst Artikel in Deutsch, denen sukzessive französische und mehr noch spanische Übersetzungen respektive Originalbeiträge beigestellt wurden. Dankenswerterweise hat der Verlag Abels Vorwort auch auf Englisch, Spanisch und Französisch übersetzt, was die Aufmerksamkeit und den Nutzwert des Bandes über deutsche Grenzen hinaus steigern dürfte.

Die Startauflage der »Pasaremos« betrug 14 000 Exemplare, obwohl die XI. Brigade im März 1937 »nur« 1468 Kämpfer zählte; im April waren es dann schon derer 1744. Das Blatt war, wie Abel informiert, auch für andere Einheiten gedacht. Im Juli ’37 erschien die Publikation – in Kriegen wird Papier zu einem seltenen und kostbaren Gut – nur noch in einer Stückzahl von 7500, die im Oktober des Jahres auf 2500 sank; in dieser Auflagenhöhe verharrte »Pasaremos« bis Oktober 1938, bis zur feierlichen Entlassung der Interbrigaden in Barcelona, auf der Dolores Ibárruri, genannt »La Pasionaria«, ihre berühmten Dankesworte sprach. Die letzte Ausgabe berichtet mit zahlreichen Fotos und anrührenden Texten von Abschied und Abzug.

Für »Pasaremos« schrieben berühmte Schriftsteller und Journalisten, aber auch Freiwillige, die erstmals zur Feder griffen. Ein fleißiger Autor war Ludwig Renn, der eine eigene Rubrik, »Militärischer Briefkasten«, unterhielt, in dem er die Namensherkunft von »Tank« für Panzer und die Vorzüge der modernen Kriegsmaschine erläuterte. Eine andere Rubrik, »Ehrentafel«, würdigte Heldentaten und Helden. In Numero 7 vermeldet Kurt Stern unter der bei Goethe Anleihe nehmenden Schlagzeile »Und wir sind dabei gewesen« über die Abwehr der vierten Offensive Francos auf Madrid. Den fünften Geburtstag des KPD-Vorsitzenden Ernst Thälmann in NS-Haft beging die Zeitung mit einer Doppelseite, auf der auch das Lied der »Thälmannkolonne« abgedruckt wurde.

Es gibt Schilderungen von Fronterlebnissen und dem Frontalltag, vom 1. Mai »mit einem Sportfest und anschliessender Volksbelustigung« (zu der Handgranaten-Ziel- und -Weitwurf gehörten!), von Treffen mit Fabrikarbeitern, Hilfe bei »Ernteschlachten« sowie Patenschaften über spanische Kinder. Ein Anonymus erzählt, wie »plötzlich der Wettergott seine Schleusen« öffnete, die Schützengräben unter Wasser standen und »unsere spanischen Kameraden lustige Weisen« anstimmten: »Ich muss gestehen, dieser frohe Gesang, wenn ich auch seinen Inhalt nicht verstand, ueberbrueckte auch in unserem Graben die vom Wettergott heraufbeschworene miese Stimmung. Bald war alles wieder in bester Laune.« Witze werden kolportiert. Ab und an ist ein Gedicht abgedruckt, so in Numero 8 vom 2. April: »Sei stolz du Jugend von Gefahren umstellt/ Du drehst am ehernen Rad der Welt/Mit dir beginnt die neue Zeit/ Von Glueck, Frieden und Voelkerfreiheit.« Am 7. November, Tag der Oktoberrevolution, gibt es eine Numero Especial mit den Fotos von Lenin und Stalin und der Versicherung, dass die Sowjetunion die große Freundin des spanischen Volkes ist. Gefangene, vor allem Deserteure kommen zu Wort. Denn: »Abend für Abend kommen seit einigen Tagen Ueberlaufer aus den faschistischen Reihen zu uns.« Apropos: Erst zu Ende gab es Schreib- und Druckmaschinen mit deutscher Tastatur, mit Umlauten und dem »ß«. Kurzum, eine höllisch spannende Lektüre und ein unglaublicher Schatz.Werner Abel (Hg.): Pasaremos. Reprint der Zeitschrift der XI. Brigade. Unter Mitarbeit von Karla Popp und Hans-Jürgen Schwebke. Karl Dietz Verlag, 420 S., geb., 39,90 €.

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Redaktion KFSR