Erinnerung an Freiheitskämpfer: Internationales Workcamp auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde
Von Berit Müller
Neun junge Berlinbesucher aus Europa und Asien haben auf dem Zentralfriedhof Gräber von Antifaschisten gepflegt und Biografien erforscht. Foto.
Neun junge Berlinbesucher aus Europa und Asien haben auf dem Zentralfriedhof Gräber von Antifaschisten gepflegt und Biografien erforscht. Foto. (Foto: Berit Müller)
Friedrichsfelde. Friedhofspflege statt Faulenzen, keine Partynächte, sondern tägliche Geschichtsexkurse: Für neun junge Berlinbesucher sahen zwei perfekte Ferienwochen so aus. Die internationale Gruppe hat sich im Rahmen eines Sommercamps um Gräber von Antifaschisten auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde gekümmert.
Nein, sagt die 18-jährige Ipek aus Istanbul, das Berliner Nachtleben sei überhaupt nicht ihr Ding. „Wir waren bisher ja nur einmal unterwegs“, räumt sie ein. „Das war in Friedrichshain, nahe der Warschauer Brücke – und es war furchtbar!“ Die Italienerin Uma und Gemma aus Katalonien (beide 20) verdrehen bei der Erinnerung an den Abend die Augen. Sonderlich enttäuscht zeigt sich aber keines der Mädchen.
Weder die junge Türkin noch ihre neuen Freundinnen sind nach Berlin gereist, um hier Party zu machen. Vielmehr führte alle drei das Interesse an europäischer Geschichte in die deutsche Hauptstadt. Und der Wunsch, in den Ferien nicht bloß auf der faulen Haut zu liegen, sondern etwas Sinnvolles zu tun.
Gemeinsam mit sechs Gleichgesinnten aus Hongkong, Korea, Russland und der Ukraine hat das Trio an einem zweiwöchigen Workcamp der Vereinigung junger Freiwilliger (VjF) teilgenommen. Zum Programm zählten neben Arbeitseinsätzen auf dem Friedhof in Friedrichsfelde diverse Begegnungen, informative Stadttouren und sehr viel Beschäftigung mit der Vergangenheit.
Initiiert hat das Sommercamp zum zweiten Mal der Verein „Kämpfer und Freunde der Spanischen Republik 1936-1939“ – kurz KFSR. Der Zusammenschluss von ehemaligen Interbrigadisten, ihren Freunden, Kindern, Enkeln hat sich im Jahr 2001 gegründet. Erklärtes Ziel ist es, das Erinnern und Gedenken an die Internationalen Brigaden wach zu halten – so hießen damals die in Spanien freiwillig gegen die Faschisten kämpfenden Truppen aus aller Welt.
„Im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern passiert bei uns nicht viel, wenn es um die Anerkennung und Ehrung von Antifaschisten geht“, sagt Harald Wittstock, der 13 Jahre lang Vorsitzender des Vereins war. „Das ist nicht nur sehr schade. Das Erinnern wäre auch wichtig, um neuen nationalsozialistischen Tendenzen entgegenzuwirken.“ Vereinigungen wie die KFSR gibt es in etlichen Ländern, sie pflegen untereinander enge Kontakte.
Jugendliche mit den historischen Ereignissen konfrontieren, damit diese nicht gänzlich in Vergessenheit geraten, will auch Charlotte Hahn, die sich sowohl in der VjF als auch bei den „Spanienkämpfern“ engagiert. Sie hat das Sommercamp und die jungen Teilnehmer begleitet. Jeden Tag besuchte sie die Gruppe, verbrachte viel Zeit mit ihnen, war bei den meisten Terminen dabei. „Mich hat überrascht, wie wissbegierig, aufmerksam und aufgeschlossen sie sind“, so ihr Fazit. „Und obwohl die Arbeit auf dem Friedhof nicht besonders spannend oder abwechslungsreich war, haben sie sich auch dort richtig ins Zeug gelegt.“
Die Ruhestätte in Friedrichsfelde, die inzwischen immer mehr internationale Besucher empfängt, profitierte mit gesäuberten Grabanlagen und gepflegteren Beeten. Die jungen Leute entfernten Gehölz, harkten Laub, reinigten und erneuerten Inschriften auf Gedenksteinen. Außerdem erforschten sie die Biografien der in Friedrichsfelde begrabenen Interbrigadisten und lernten den KFSR kennen.
Nicht zuletzt beteiligten sie sich am internationalen Projekt „Spanish Civil War Memorials” (Denkmäler des Spanischen Bürgerkriegs), das anlässlich des 80. Jahrestages der Gründung der Internationalen Brigaden gestartet wurde. Es dokumentiert Gedenksteine und Gräber von Interbrigadisten anhand von Fotos auf einer interaktiven Weltkarte.
„Viele Leute gingen damals nach Spanien, um dort für die Freiheit zu kämpfen“, sagt die 21-jährige Jin aus Südkorea. „Das war im Korea-Krieg in den 1950er-Jahren ähnlich.“ Jin findet Europa so spannend, dass sie gleich hierbleiben und im Herbst ein Studium beginnen will.
Alex aus Hongkong ist mit 24 Jahren der älteste Teilnehmer und für das zweiwöchige Camp nach Berlin geflogen. „Ich interessiere mich besonders für die Rolle Spaniens im Zweiten Weltkrieg“, erklärt er. „Zu diesem Thema habe ich schon einmal ein Camp mitgemacht – und ich würde ein drittes Mal herkommen.“
Auch Ipek, Gemma und Uma wollen sich weiterhin mit dem Vermächtnis der Spanienkämpfer beschäftigen. bm
Quelle: Berliner Woche, Lichtenberg, Friedrichsfelde, KW 37, 10.09.2017