Teniente-Colonel HANS, ein Militär spricht für die deutschen Schriftsteller. Von Werner Abel

Teniente-Colonel HANS, ein Militär spricht für die deutschen Schriftsteller. Von Werner Abel.

Nach dem 1. Schriftsteller-Kongress zur Verteidigung der Kultur in Paris (Juni 1935) fand der 2. Kongress vom 4. Bis zum 18. Juli 1937 in Valencia, Madrid, Barcelona und wegen der Bombardierung dieser Städte zuletzt in Paris statt. Als Vertreter Deutschlands sprachen in Spanien Anna Seghers, Ludwig Renn, Erich Weinert, Theodor Balk, Hans Kahle, Willi Bredel, Egon Erwin Kisch, Maria Osten und in Paris Heinrich Mann, Madame Maddalena (Frau des inhaftierten und später von den Nazis hingerichteten KPD-Funktionärs Max Maddalena) und Bertolt Brecht.

Eine der erstaunlichsten Reden hielt am 6. Juli 1937 in Madrid Hans Kahle. Im Konferenzprotokoll steht (in Spanisch): „Hans, für die deutschen Schriftsteller“.  Eigenartig ist zunächst, dass er nur als „HANS“ erwähnt wird, mit seinem nom de guerre, seinem Kampfnamen. Aber mit diesem Namen unterzeichnete er auch seine vielen Artikel in Zeitungen und Zeitschriften, aber auch seine Befehle als Kommandeur einer Brigade oder einer Division. Hans Kahle war neben Wilhelm Zaisser der ranghöchste deutsche Offizier in der Spanischen Volksarmee. Seine Rede ist deshalb erstaunlich, weil er, zu dieser Zeit schon Kommandeur der 45. Division und somit Befehlshaber von ca. 14 000 Soldaten (etwa 10 000 Spanier und 4000 Internationale), nicht allein über militärische Probleme und Erfolge sprach, sondern über die Notwendigkeit der Kultur auch in der Armee und gerade zu Zeiten des Krieges. Das bringt die große Humanität dieses Mannes zum Ausdruck, der mit vielen der Redner und Rednerinnen des Kongresses befreundet war und als Militär und als Intellektueller von ihnen geachtet wurde. W.A.

Grafik von Ramón Gaya. Gaya war schon einer der „Großen“. Er war auch der offizielle Zeichner des II Internationalen Schriftstellerkongresses 1937. Quelle: Archiv Werner Abel (AWA).

II. Internationaler Schriftsteller-Kongress zur Verteidigung der Kultur, Madrid,

6. Juni 1937, Beitrag von Hans Kahle,
Hans, für die deutschen Schriftsteller
Hans (Deutschland)

Kameraden und Freunde, im Namen des unbesiegbaren Volksheeres Spaniens, das der wahre Spiegel der großen spanischen Volksfront ist, und im Namen der 5. glorreichen Internationalen Brigade, die Ausdruck der internationalen Solidarität, der europäischen Volksfront ist, überbringe ich als Chef der Spanischen Division und als antifaschistischer deutscher Schriftsteller dem II. Kongress der antifaschistischen Schriftsteller die herzlichen und brüderlichen Grüße.

Dieses glorreiche reguläre spanische Heer ist ein Element, das den Faschismus zermalmen wird. Dieses Volksheer, das für die Freiheit des spanischen Volkes kämpft, dieses ruhmreiche Heer Spaniens rückt heute vor auf Madrid. (Ovationen)

Der Weg dieses Volksheeres bis zum heutigen Tag war ein schwieriger Weg, weil innerhalb von sehr kurzer Zeit das ganze spanische antifaschistische Volk, alle Parteien der Volksfront dieses hervorragende Heer geschaffen haben, das ein hervorragendes Symbol für den Antifaschismus nicht nur Spaniens, sondern der Welt ist. (Applaus)

Die Aufgabe, dieses Heer zu organisieren, war eine gewichtige Aufgabe, aber mit der Unterstützung des ganzen Volkes, mit der Hilfe der Arbeiter, der Bauern, der Intellektuellen ist es uns gelungen, dieses Heer mit seinen Divisionen, mit seinen Brigaden, mit seinen Geschwadern aufzustellen. Ein Heer, das natürlich die Garantie für unseren Sieg ist, die Garantie für unseren Triumph. (Applaus)

Es war nicht leicht, Kommandeure für dieses Heer zu finden, aber die gegenwärtigen Chefs sind aus allen Berufen gekommen. An der Seite eines bescheidenen Bäckers, der heute Chef eines Heereskorps ist, kämpft Durán. In meiner Division ist ein Schriftsteller Chef, einer ist Maler, ein Dritter Komponist. Die Drei sind ausgezeichnete Soldaten, die sich in vielen Kämpfen bewährt haben. Es ist ein Heer, das seine tiefe Verankerung im ganzen Volk hat, und so wird es siegen, wird es triumphieren. Und ein Heer, dass mit dem ganzen Volk verbunden ist, und das außerdem nicht nur auf dem Felde kämpft, sondern das auch eine große kulturelle und soziale Arbeit leistet, muss triumphieren.

Eines der größten Momente in meinem militärischen Leben in Spanien war es, als in einem kleinen Dorf in der Nähe von Guadalajara, in einem Dorf, das vorher unter der Herrschaft der Italiener war, innerhalb von 4 Wochen nach unserer Machtübernahme die Schulen für die Kinder dieses Ortes geöffnet wurden. Dieses Beispiel beweist, dass im Volksheer Spaniens neben der militärischen Arbeit die kulturelle Arbeit vorankommt. Und unsere Siege auf den Schlachtfeldern wären nicht möglich gewesen, wenn es nicht die Kultur- und Sozialarbeit in unserem Heer gegeben hätte. (großer Applaus)

Im Volksheer gibt es keine Brigade, die nicht ihre eigene Zeitung hätte, die nicht wenigstens einmal in der Woche erscheint; und in dieser Zeitung der Brigaden werden nicht nur militärische oder politische Probleme behandelt, sondern auch kulturelle Probleme. Die Soldaten schreiben in den Schützengräben, einige machen Gedichte, die sie in den Brigadezeitungen veröffentlichen. Das ist die Kulturarbeit, die sie für die Soldaten unserer Streitkräfte machen.

In diesem spanischen Volk gibt es viele Talente. Wenn man eine spanische Versammlung sieht, ein militärisches Fest irgendeiner spanischen Brigade, wird man sehr überrascht sein, dort Kameraden zu sehen, die Gedichte vortragen, die sie selbst geschrieben haben und die die Kunst sehr gut kennen, eine Kunst, die sehr eng verbunden ist mit dem Volk. Diese kulturelle Erziehungsarbeit passt gut zur militärischen Instruktion unserer Brigaden.

Auf diese Arbeit sind wir stolz, aber wir wissen sehr gut, dass nicht nur dieser Weg zum Siege, zum Triumph führt. Wir brauchen Soldaten, die die Maschinengewehre und die Granatwerfer bedienen können, aber wir brauchen auch Soldaten, die gute Propagandisten unserer Kunst sind. Auf diese Weise haben wir die militärische, kulturelle, geistige und moralische Grundlage unseres Heeres gelegt, und ich, der dieses Heer gut kennt, ich, der Bataillone und Brigaden von Spaniern geführt habe, ich bin hier und sage allen antifaschistischen Schriftstellern, dass dieses Heer fest und unerschütterlich ist. (großer Applaus)

Dieses Heer wird innerhalb von kurzer Zeit die verräterischen Generäle und ihre Verbündeten, die deutschen und italienischen Invasoren, zerschmettern. (Applaus)

Diese Haltung ist die Garantie unseres Sieges über den Faschismus, nicht nur in Spanien, sondern in der ganzen Welt. (große Ovationen)

Übersetzung: Angelika Becker. 27. August 2017.

Quelle: Archiv Werner Abel (AWA). Die Rede von HANS ist dem 1987 von der GENERALITAT VALENCIANA. Conselleria de Cultura, Educació i Ciéncia herausgegebenen Band „Actas, Ponencias, Dokumentos y Testimonios. II Congreso internacional des escritores para la defensa de la cultura“ entnommen. Es sind insgesamt 3 Bände mit Materialien des Kongresses und über ihn. Die 3 Bände stammen aus der Bibliothek Walter und Charlotte Janka.

 

 

Redaktion KFSR