»Bad Art« für eine gute Sache
Alternative Künstler wollen an Opfer des Torpedoangriffs auf die »Ciudad de Barcelona« vor 80 Jahren erinnern
junge Welt, Aus: Ausgabe vom 02.08.2017, Seite 15 / Antifa
Von Peter Rau Ein Denkmal macht, obwohl gerade erst in der Planung, bereits länderübergreifend von sich reden. Es geht um ein Mahnmal zur Erinnerung an den Untergang des spanischen Motorschiffes »Ciudad de Barcelona« vor der Küste Kataloniens am 30. Mai 1937.Die »Ciudad de Barcelona« wurde Opfer des heimtückischen Torpedoangriffs eines italienischen U-Bootes. Dieses gehörte zu dem gigantischen Arsenal, mit dem Italiens Faschistenführer Benito Mussolini, ebenso wie sein deutsches Pendant Adolf Hitler, den Kumpanen um den spanischen Putschistenführer Francisco Franco Schützenhilfe leistete. Das unter der Flagge der Spanischen Republik fahrende Fracht- und Passagierschiff hatte am Vortag im französischen Mittelmeerhafen von Marseille nicht nur Lebensmittel geladen, sondern auch 250 bis 300 Männer an Bord genommen, die als Freiwillige in den Internationalen Brigaden zur Verteidigung der Republik beitragen wollten. Sie kamen aus den USA und Großbritannien, Australien, Neuseeland und Skandinavien. Auch einige Deutsche, Franzosen und Italiener waren darunter.Obwohl die »Ciudad de Barcelona« wegen wiederholter U-Boot-Warnungen sich nahe der französischen bzw. spanischen Küste hielt, geriet sie auf Höhe von Malgrat de Mar 60 Kilometer nördlich von Barcelona ins Visier eines italienischen U-Bootes. Ohne Vorwarnung schlug das todbringende Geschoss hinter dem Maschinenraum ein. Innerhalb weniger Minuten sank das Schiff; nur zwei Rettungsboote konnten noch zu Wasser gelassen werden. Jack Freeman aus den USA, einer der Überlebenden, schilderte später in einem Brief an seinen Bruder die Situation: »Im Wasser schwammen aber so viele Holzteile, dass die meisten Kameraden sich festklammern konnten. Als ich zum Schiff blickte, befand sich für Sekunden nur noch ein Teil von dessen Bug über Wasser …« Nach späteren Recherchen überlebten vermutlich 62 Passagiere, eingeschlossen in Kabinen im hinteren Teil des Schiffes, das Inferno nicht. Wie Jack Freeman weiter berichtete, vernahm er noch den Gesang der »Internationale«; angesichts des drohenden Todes hatten die Eingeschlossenen die Hymne des Sozialismus angestimmt.Den Überlebenden kamen Fischerboote zu Hilfe, deren Besatzungen an der nahen Küste den Untergang der »Ciudad de Barcelona« beobachtet hatten. Einwohner des Hafenstädtchens Malgrat de Mar versorgten die gestrandeten Internationalisten mit dem Nötigsten; weitere Hilfe wurde von Lluis Companys, dem Präsidenten Kataloniens, organisiert. Bis auf eine Ausnahme schlugen die Freiwilligen dessen Angebot zur Rückkehr in ihre Heimatländer aus und nahmen noch im Juni 1937 wie selbstverständlich ihren Dienst in einer der Internationalen Brigaden auf.Für Jahrzehnte dem Vergessen anheimgegeben, rief der Vorgang unlängst eine Gruppe linksalternativer Künstler auf den Plan. Gemeinsam mit der örtlichen Initiative »Amics del Ciudad de Barcelona« (»Freunde der Ciudad de Barcelona«) und inspiriert von einem in spanischen Archiven wiederentdeckten Aufruf der Internationalen Brigaden aus dem Jahr 1938, den Männern des Schiffes am Strand von Malgrat ein Denkmal zu errichten, nahm sich das internationale Netzwerk »Bad Art« der Sache an. Der Name Bad Art lässt sich einerseits mit »schlechte Kunst« übersetzen, verweist aber auch auf die Herkunft der Künstlergruppe, die aus Badalona, einem Vorort von Barcelona, stammt und sich im bewussten Gegensatz zur etablierten Kunstszene sieht. »Gute Kunst im Kapitalismus ist das, was sich verkauft, was in den Mainstreammedien angenommen wird. Die Kategorien ›gut‹ und ›schlecht‹ unterliegen dabei der Einschätzung der Herrschenden. (…) Eine freie Kunst gibt es nur, wenn der Kapitalismus abgeschafft ist«, resümierte René Kiesel, einer der Initiatoren von Bad Art, in einem in der aktuellen Ausgabe der Melodie und Rhythmus publizierten Gespräch über die Vernetzung der politisch aktiven und der trotzkistischen Internationale verbundenen Künstler.
Zu dieser Gruppe gehört auch der in Spanien lebende Bildhauer Rob MacDonald, der sich insbesondere der Gestaltung dieses Denkmals verpflichtet fühlt – umso mehr, seit er erfuhr, dass eines der Opfer des Torpedoangriffs vor 80 Jahren ein Namensvetter war. »Es traf mich, dass jener Rob es nicht nach Spanien geschafft hat, um den Kampf zu unterstützen, aber ich hatte es geschafft. Danach war mit klar, dass ich eine Statue für ihn machen muss. Bei weiteren Nachforschungen sei ihm bewusst geworden, dass »eigentlich die gesamte Geschichte so bekannt wie möglich« gemacht werden müsse. Die Brigadisten seien nicht nur nach Spanien gekommen, um gegen den Faschismus zu kämpfen, sondern um für ein besseres Leben, für echte Gleichheit, Solidarität und eine sozialistische Welt einzustehen. »Für mich ist das Grund genug, ein Denkmal zu errichten – als Leuchtfeuer für die Menschlichkeit.«
Die Vorarbeiten sind bereits fortgeschritten, wie der Bildhauer vor einigen Wochen während einer Promotiontour für eine auch vom deutschen Spanienkämpferverein mitgetragene Spendenaktion unter anderem in Berlin erklärte. Er stellte Details des künftigen »Solidarity Park« am Strand von Malgrat de Mar vor und informierte über die Einbeziehung örtlicher Schulen. »Es gibt viel zu tun, wenn man aus dem Kalkstein, der in einem nahegelegenen Steinbruch gewonnen wird, rund 60 Skulpturen gestalten will, von denen jede einen halben Meter hoch sein soll. Auf diesem Weg erschaffen wir das Denkmal gemeinsam.«