Leserbrief
Nachrichten aus Spanien
Wie in der letzten Ausgabe der antifa angekündigt, trafen sich am 21. Oktober Menschen aus verschiedenen Ländern in Paris, um an die Gründung der Internationalen Brigaden vor 80 Jahren zu erinnern. Die Veranstaltung im Hauptsitz der CNT war der Auftakt für eine Reise auf den Spuren der Interbrigadisten, von der ich – noch bevor wir die letzte Station in Madrid erreichen – schon ein paar Eindrücke schildern möchte: Schon die erste Zusammenkunft im Gewerkschaftshaus machte die Bedeutung von internationaler Solidarität sichtbar und erlebbar. Ach der Begrüßung durch die CGT und eine kommunistische Senatorin sowie einem knapp halbstündigen Film zweier französischer Filmemacher über die IB und die (fehlenden) öffentlichen Erinnerungsorte insbesondere in Albacete, meldeten sich zahlreiche Vertreter unterschiedlicher Nationen zu Wort, von denen ich hier nur den Repräsentanten aus Irland erwähnen will. Er hob nämlich die Besonderheit hervor, dass auf einer irischen Gedenkfeier auch der Präsident des Landes eine Rede gehalten habe, was wohl leider die einzige Würdigung der Interbrigaden durch ein Staatsoberhaupt an diesem 80. Jahrestag darstellte.
Aber alle Rednerinnen brachten auf ihre Weise zum Ausdruck, dass die Geschichte der IB nicht einfach als historisches Ereignis betrachtet werden kann, sondern dass diese tausenden und abertausenden Menschen, die aus den unterschiedlichen Ländern und Situationen nach Madrid gingen, um den Faschismus aufzuhalten, trotz aller Differenzen einen gemeinsamen Kampf ausfochten, der auch heute noch aktuell ist. Denn in vielen Ländern sind rechte und neonazistische Parteien auf dem Vormarsch, die die Werte und Ideale angreifen, für die die Interbrigadisten nach Spanien gegangen sind.
Am nächsten Morgen wurde unter der Schirmherrschaft der Bürgermeisterin Anne Hidalgo und des SNCF am Bahnhof Gare d´Austerlitz ein Denkmal eingeweiht, das daran erinnert, wie viele der internationalen Freiwilligen über diesen Bahnhof ihren Weg nach Spanien antraten.
In für deutsche Verhältnisse unvorstellbarer Offenheit kritisierte die Vertreterin der Bürgermeisterin (deren Vater spanischer Republikaner war) die Nichteinmischungspolitik Frankreichs, die mit dazu beigetragen habe, den Sieg des Faschismus in Spanien und damit seinen Erstarken in Europa zu ermöglichen. Danach machte sich ein Großteil der Gruppe über Valencia auf nach Benicàssim und Albacete, wo weitere Teilnehmerinnen und Teilnehmer dazu stießen.
Mich beeindruckten insbesondere die Gespräche zwischen den Veranstaltungen, in denen die Motive der Einzelnen zur Sprache kommen und die Geschichte und aktuelle Politik in Lebenswegen konkret wird: Rien aus den Niederlanden, dessen Vater in Spanien kämpfte, findet heraus, dass der Vater eines anderen, der ebenfalls in Spanien kämpfte, wo sie sich möglicher Weise nie begegnet sind, später in der selben Schuhfabrik des selben Konzentrationslagers Zwangsarbeit leisten musste. Eine junge polnische Künstlerin berichtet von den Aktionen in Warschau, die gegen die geplante Umbenennung der Dombrowskistraße protestieren. Wendy aus Wales, die in einem Solidaritätschor singt und überall mit ihrer leinen Gitarre und markanter Stimme präsent zu sein scheint, hat schon verschiedenen Reisen mitgemacht und berichtet von bewegenden Momenten, als sie Massengräber ermordeter Republikaner aushoben und die Einwohner mit DANN Test herauszufinden suchten, welche Angehörigen gefunden wurden. Hermann Drumm, Sohn zweier Interbrigadisten, berichtet in Albacete einem gebannten Publikum, wie seine Mutter damals in Paris noch eine Ausbildung zur Hilfskrankenschwester machte, um dann in Albacete unter den widrigsten Umständen den Patienten überwiegend mit Worten Trost zu spenden, da es an den nötigsten Materialien fehlte. Er wird bei seiner Suche nach dem Krankenhaus „Hospital Nr. 1“ in dem er 1938, drei Monate nachdem sein Vater gefallen ist, geboren wurde, von einem Antifaschisten und Gewerkschafter aus Thüringen begleitet. Auch eine Frau aus Puerto Rico ist dabei, die berichtet, einige sind aus ihrem Dorf damals nach Spanien gegangen, aber heute interessierten sich die meisten weder für die Geschichte des eigenen Landes und erst recht nicht für die jener, die in ein anderes gingen. Ein chinesisches Ehepaar, das in den USA lebt, zeigt mir ein von ihnen herausgegebenes Buch, das die Geschichte der chinesischen Spanienkämpfer behandelt, ein Kapitel, das mir vollkommen unbekannt ist, das aber einen jungen Katalanen, der Sinologie studiert (und dessen Großvater auf republikanischer Seite gekämpft hat), mit dazu ermuntert hat, diese Reise mitzumachen.
Einige dieser Gespräche scheinen Grundlage dafür zu sein, Verbindungen zu suchen und zu halten, um sich für spätere Aktionen in diesem oder jenen Land gegenseitig zu unterstützen. Aber nicht nur diese, auch die scheinbar unsichtbar bleibenden Verbindungen, die diese Gespräche knüpfen, werden die Einzelnen in ihren Orten selbst dann stärken, wenn sie den Gesprächspartnern nie wieder begegnen sollten.
Anne Waninger
Quelle: antifa, November/Dezember 2016, Leserbriefe, Seite 17