Hans Beimler – der erste deutsche Ehrenstaatsbürger Spaniens [A]
Mit dem Königlichen Dekret 39/1996 vom 19. Januar 1996 erhielten die noch überlebenden Spanienkämpfer die Möglichkeit, die spanische Staatsbürgerschaft zu erwerben. Damit wurde auch der Aufforderung von Dolores Ibárruri entsprochen, die in ihrer Rede während der Verabschiedung der Internationalen Brigaden am 28. Oktober 1938 den Freiwilligen zugerufen hatte: „Wenn die Olivenbäume der Freiheit blühen und sich mit den Lorbeeren des Sieges verweben: Kommt zurück!“ Obwohl die Internationalen mit ihrer Eingliederung in die Spanische Volksarmee pro forma spanische Staatsbürger wurden, war das de jure nur bei wenigen Auserwählten der Fall. Das Angebot von 1996 aber gilt für alle und definiert sich als Verleihung ehrenhalber. Weniger bekannt ist vermutlich, dass schon 59 Jahre zuvor ein Deutscher diese Auszeichnung erhielt. Am 1. Dezember, dem Jahrestag seines Todes, wurde Hans Beimler die spanische Ehrenstaatsbürgerschaft verliehen.
Es war eine bewegende Manifestation, die im Hause der Interbrigaden in der Calle Velazques 63 in Madrid stattfand. Wie auch schon ein Jahr zuvor bei der Totenfeier für Hans Beimler in Madrid hielt auch dieses Mal Francisco Antón, jüngstes Politbüromitglied der KP Spaniens und nunmehr Kriegskommissar der Volksarmee, die Laudatio für den Gefallenen. General José Miaja, der Chef der Zentrumsarmee, schickte vertreten durch den Capitán José Maria Estrugo eine Grußbotschaft. Es sprachen Rafael Henche, Bürgermeister von Madrid, der Sozialist Antonio Trigo Mairal, Zivilgouverneur der Region Madrid und viele andere. Bedauert wurde, dass das Hans-Beimler-Bataillon der 11. Brigade nicht teilnehmen konnte, weil es in der ersten Frontlinie lag und dort dringend gebraucht wurde. Für seine Kameraden sprach aber Heinz Roth (Heinz Hoffmann), der verwundete Kriegskommissar des Beimler-Bataillons mit den Worten: „Hans Beimler hat mit seinem Blut einen Teil der großen Schande abgewaschen, die der Volksverderber Adolf Hitler durch seine kriegerische Intervention in Spanien auf das deutsche Volk abgewälzt hat.“
Die Reden wurden vom Sender Madrid in verschiedenen Sprachen übertragen. So konnten auch die Nazis, die Beimler die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen hatten, erfahren, dass er nunmehr mit der spanischen Staatsbürgerschaft geehrt wurde. Die Verleihung nahm kraft seines Amtes Antonio Trigo vor, der sie mit bewegenden Worten begründete und u.a. sagte: „Ich bin gekommen in meiner Eigenschaft als Zivilgouverneur von Madrid, um in dem Kameraden Beimler den Menschen von internationalen Namen mit spanischen Bürgerrechten zu ehren. Wo so viele Spanier ihr Vaterland im Stich ließen und Spanien den Eindringlingen überlassen haben, verdient Hans Beimler, der bis zum Tod die Freiheit unseres Volkes vertrat, sehr wohl den Namen eines spanischen Bürgers. Indem ich den gefallenen Kameraden ehre, ehre ich alle Kämpfer, die zu uns kamen und die Solidarität aller Völker der Welt vertreten.“ Trigos Worte geben das wieder, was Hundertausende Spanier empfunden haben müssen, die in Madrid, Valencia, Albacete und vor allem in Barcelona an den Beisetzungsfeierlichkeiten für ihn teilnahmen, denn anders lässt sich diese gewaltige Welle der Sympathie nicht erklären. Gewiss, sein Bild war bekannt, das hagere Gesicht unter der Mütze mit dem roten Stern, seine betont zivile Gestalt an der Spitze der Centuria „Thälmann“ nach deren Aufstellung in Barcelona. Aber Beimler hatte entgegen der um ihn verbreiteten Legenden keine militärische Funktion, er war auch nicht Politkommissar einer Internationalen Brigade. Beimler war der Vertreter der KPD in Spanien und der politische Verantwortliche der deutschen Kommunisten. Diese Funktion nahm er ernst, nicht so sehr im Interesse der Partei, sondern vielmehr in dem seiner Genossen. Er war nicht der typische Funktionär, dafür hatte er zu viel Ärger mit seiner Partei und sie mit ihm. Und nun hatte er den Ärger mit den Kommandeuren der Interbrigaden. Sie warfen ihm vor, er mische sich zu sehr in die militärischen Angelegenheiten ein. Den gradlinigen, hartschädlichen, impulsiven und leicht erregbaren Beimler aber rührte das nicht. Der Jugoslawe Peter Merin, der mit Beimler entlang der Front fuhr, berichtete, wie Beimler immer wieder das Auto verließ, um die Interbrigadisten zu fragen, wie es ihnen gehe, was sie benötigten und wie er helfen könne. Es blieb nicht bei den Fragen, er stritt mit den Offiziellen, half, wo er konnte und überschritt seine Kompetenzen. So auch am 1. Dezember 1936 an der Front von Madrid. Entgegen allen Warnungen wollte er die unter Beschuss marokkanischer Scharfschützen liegende vorderste Frontlinie inspizieren. Begleitet von Louis Schuster (Franz Vehlow), Politkommissar des Thälmann-Bataillons, Richard Staimer, Kommandeur des gleichen Bataillons, seinem Fahrer und seinem Dolmetscher Max Gayer fuhr er in die Nähe des von der Universität betriebenen Musterguts „Palacete“ und lief mit Staimer und Schuster in einen besonders gefährdeten Hohlweg. Kurze Zeit später kehrte Staimer erregt zurück und berichtete, Beimler und Schuster seien tödlich verletzt worden. Der Tod Beimlers wird bis heute kontrovers diskutiert. Tod durch den Feind oder durch die eigenen Genossen, weil er unbequem war? Völliger Unsinn ist die Behauptung Walter Jankas, Erich Mielke und Wilhelm Zaisser hätten Anteil am Tod von Beimler gehabt.
Zweifel am Tod Beimlers durch marokkanische Scharfschützen hegte vor allem seine Freundin Antonia Stern, die nach seinem Tod von Paris nach Barcelona gereist war und Kontakt zu Max Gayer aufnahm. Gayer war außer Richard Staimer der Letzte, der Beimler und Schuster lebend gesehen hatte. Mit beiden, mit Antonia Stern und Max Gayer, beschäftigte sich auch Alfonso Laurencic, Agent des katalanischen Geheimdienst Servicio Secreto Inteligente. Auch Laurencic nährte die These, dass Beimler von den eigenen Leuten bzw. von einem sowjetischen Dienst umgebracht worden wäre. Dadurch, dass er seine Auffassung an Max Sievers, dem exilierten Vorsitzenden des Deutschen Freidenkerverbands weitergab, der sie in seiner Zeitung „Das freie Deutschland“ veröffentlichte, wurde diese These europaweit bekannt. Antonia Stern wurde aus Spanien ausgewiesen und Max Gayer von der KPD-Abwehr verhaftet. In der Haft unterschrieb er eine Erklärung, in der er alle Aussagen über einen Mord an Hans Beimler widerrief. Antonia Stern verteidigte ihre Auffassung dann in einer 1939 im Pariser Exil verfassten Biographie, die den Titel „Hans Beimler: Dachau-Madrid“ trägt, aber nie erschienen ist.[1] 1974 veröffentlichte Justo Martínez Amutio, der ehemalige Zivilgouverneur von Albacete, seine Erinnerungen an den Bürgerkrieg. Er hatte Beimler schon vor dem Krieg gekannt und sich in Spanien oft mit ihm unterhalten. Als der Leichnam Beimlers unter großer Anteilnahme der Bevölkerung von Madrid nach Barcelona gebracht wurde, machte der Trauerzug auch in Albacete Halt. Dort fand ebenfalls ein Trauerakt statt. Der tote Beimler blieb eine Nacht in der Totenhalle aufgebahrt und wurde von dem Amtsarzt der Stadt untersucht. Dieser ging, so berichtete Martínez Amutio, nicht davon aus, dass Beimler aus der Ferne durch Gewehrgeschosse umgekommen sei.[2] Da aber auch dessen Protokolle nicht erhalten geblieben sind und Martínez Amutio überdies kein Freund der Kommunisten war, muss davon ausgegangen werden, dass Hans Beimler tatsächlich durch eine faschistische Kugel fiel. Interessant ist nur, dass Walter Janka, als er seine Mordthese formulierte, das Buch von Juso Martínez Amutio bereits gekannt hatte. Janka hatte das Buch in seiner Bibliothek und genau diese Stelle ist mit seinen Marginalien versehen.
Wahr ist und bleibt aber, dass die deutschen Genossen mit Hans Beimler einen großen Menschen verloren, und richtig war die von Francisco Antón, Politbüromitglied der KP Spaniens, damals gestellte Frage, ob es sich die kommunistische Bewegung leisten könne, in Spanien ihre besten Kader zu opfern.
Um Mithlife gebeten:
Max Gayer wurde vermutlich im November 1937 mit der Auflage aus der Haft entlassen, sich im Einsatz für die Republik zu bewähren. Der Vorschlag über die Haftentlassung ist das letzte Dokument, das ein Lebenszeichen von ihm gibt. Es ist nicht bekannt, ob er danach Spanien entlassen hat. Da er Jude war, könnte er, wenn er den Deutschen in die Hände gefallen ist, in der Shoa umgekommen sein. In Yad Vashem ist sein Name allerdings nicht verzeichnet. Unsere Hoffnung ist, dass uns doch noch jemand Auskunft geben kann. Für die Erinnerung an Hans Beimler wäre das ein wichtiger Fakt.
Bitte wenden Sie sich/ wendet Euch an Werner Abel via redaktion@spanienkaempfer.de Stichwort Beimler/Max Gayer.
Die noch immer beste Beimler-Biographie stammt von Friedbert Mühldorfer und ist 2012 in Köln als Anhang zu Beimlers „Im Mörderlager Dachau“ erschienen.
Anmerkung der Online-Redaktion: Siehe auch: Ehrung für Hans Beimler und Rezension zu Mühldörfer.
[A] Dieser Beitrag erschien in der Zeitschrift des KFSR „NO PASARÁN“, Ausgabe 3/2016, Dezember 2016. Er wurde für die Internetseite vom Autor bearbeitet.
[1] Kopie im Besitz des Verfassers. Das Urmanuskript liegt im IISG Amsterdam, zu Antonia Stern vgl. auch: http://www.doktorbrauns.de/Hans_Beimler__A.Stern_.htm
[2] Justo Martínez Amutio, Chantaje a un pueblo, Madrid 1974, S. 305