Ehrung für einen Retter spanischer und deutscher Antifaschisten: GILBERTO BOSQUES VOLKSHOCHSCHULE.
Von Dr. Winfried Hansch.
Am 29. Juni 2016 erhielt die Volkshochschule Friedrichshain – Kreuzberg den Namen des ehemaligen Generalkonsuls Mexiko in Frankreich, Gilberto Bosques. Die feierliche Namensgebung erfolgte in Anwesenheit der Bürgermeisterin von Friedrichshain – Kreuzberg, Frau Monika Herrman und der Botschafterin Mexikos Frau Patricia Espinosa Cantellano, des Vertreters der Botschaft Israels, Herrn Rogel Rachmann,
Damit wurde die Rettung von über 45 000 Menschen durch Mexiko und von über 200 000 Verfolgten des deutschen und spanischen Faschismus durch viele Länder Lateinamerikas in der Zeit nach 1939 anerkannt. Argentinien nahm über 40 000 und Brasilien etwa 22 000 Verfolgte auf. In. Uruguay erhielten von 1933 – 1945 über 10 000 Juden Zuflucht (siehe: Sonas Wegner „ Zuflucht in einem fremden Land“, Berlin, 2013). Leider war dieses Kapitel über die Flucht so vieler Deutscher nach Lateinamerika lange Zeit in Vergessenheit geraten.
Unter den Geretteten aus Deutschland waren bekannte Persönlichkeiten wie Anna Seghers, Ludwig Renn, Gustaf Regler, Franz Werfel, Alfred Döblin, Bodo Uhse, Steffi Spira, Jeanne und Kurt Stern, Paul Merker, Hans Eisler, Charlotte und Walter Janka, Kurt Stavenhagen, Rudolf Feistmann und Paul Westheim. Für alle war es ein „Visum ins Paradies“. Mit dem Bund „Freies Deutschland“ entwickelte sich in Mexiko das neben Moskau das wichtigste Widerstandszentrum der antifaschistischen deutschsprachigen Bewegung (Hans Modrow,“Exil in Mexiko“, S. 3, Mexiko – Stadt, November 2011).
Das Leben von Gilberto Bosques, 1892 in Chiautla deTapia im Bundesstaat Puebla geboren, war in der ersten Etappe eng mit der mexikanischen Revolution verbunden. Das manifestierte sich 1911 in der Verteidigung des Hafens von Veracruz gegen die US- Invasion, in seiner Tätigkeit als Parlamentarier, Bildungsexperte, Schriftsteller und ab 1936 als Presse- Verantwortlicher der Regierungspartei des nationalrevolutionären Präsidenten Lazzaro Cardenas, der mit progressiven sozialen Programmen und der Nationalisierung des Erdöls eine neue Etappe in der Geschichte Mexikos einleitete. Ab April 1938 gehörte Bosques dem Förderkommitee “Liga pro cultura Alemana en Mexico“ (B. Behrens in „Letzte Zuflucht Mexiko“, S. 292, Berlin, 2012
Präsident Cardenas entsandte Ende 1938 Gilberto Bosques nach Europa mit dem vordringlichen Ziel, das nach der Nationalisierung gegen Mexiko verhängte Boyktott zu durchbrechen und mit ausdrücklicher Unterstützung des Präsidenten, möglichst viele Flüchtlinge und vom Faschismus Bedrohte zu schützen und zu retten. Bosques wurde Diplomat im Range eines Generalkonsuls und später Leiter der Botschaft Mexikos in Frankreich. Über diese 2. Etappe seines Lebens bis 1945 wird hier berichtet. Sein späteres Wirken als Botschafter Mexikos ab 1953 in Cuba hat Weltgeschichte beeinflusst (Siehe: Winfried Hansch „ Gilberto Bosques 1892 – 1995“ in Mitteilungen der Kommunistischen Plattform, Heft 7/2015, S.25ff)
Das Wüten des Faschismus in Spanien nach der Niederlage der Republikaner, die Kriegshandlungen des deutschen Faschismus gegen die Tschechoslowakei, Österreich und Polen und die Verfolgung der Juden verlangten von der übrigen Weltgemeinschaft Schutz, Asyl und Fluchthilfe in wahren positiven Sinne. Mexiko gehört zu den Staaten, sich in dieser Zeit ehrenvoll in die Geschichte der Menschheit eingetragen haben.
In Paris und nach der Invasion der Deutschen in Frankreich in Marseille wurden vom Generalkonsulat unter Gilberto Bosques Hilfe an Alle gewährt, die nach Mexiko flüchten wollten. Das betraf Tausende Soldaten und Zivile der Spanischen Republik. Dabei ging es nicht nur um Visa und Geleitbriefe, sondern auch um Schiffspassagen, Unterbringung der Flüchtlinge, Verpflegung und medizinische Versorgung. Das unter dem Schutz Mexikos stehende Landgut Castillo de Reynard beherbergte ca. 850 und Montgrand ungefähr 500 Personen, die auf eine Fortsetzung der Flucht warteten. Unter ihnen waren Frauen und Kinder, Akademiker, Arbeiter, Bauern, Soldaten und Offiziere der Republikanischen Armee sowie der Internationalen Brigaden, italienische Partisanen, jugoslawische Anarchisten und viele andere. In den Pyrienäen wurde ein „Kinderhaus“ eingerichtet, um möglichst viele Kinder und Jugendliche zu retten. Besondere Unterstützung und Schutz erhielten Juden, die aus Deutschland, Polen und anderen Länder nach Frankreich geflohen waren.
Die Diplomaten Mexikos holten Hunderte Personen aus Flüchtlingslagern oder Konzentrationslagern der Vichy – Regierung in Südfrankreich. Die Mitarbeiter des Konsulats suchten auch in Detektivarbeit nach Verfolgten in den Gefängnissen. Nach der Errichtung eines Juristischen Büros wurden zahlreiche republikanische Spanier beraten, die von einem Auslieferungsersuchen der Franco – Regierung bedroht waren.
Gilberto Bosques stellte besonders gefährdete Personen unter seinen direkten Schutz und begleitete sie unter den Augen der Vichy – Polizei und der Gestapo bis auf das Schiff, die hasserfüllt diese Rettungsaktionen zu behindern versuchten.
Nach dem Kriegseintritt Mexikos auf Seiten der Alliierten im Mai 1942 wurden Bosques und die 40 Mitarbeiter des Konsulats von der Vichy – Polizei verhaftet und der Gestapo übergeben. Die Gestapo verschleppte sie nach Deutschland. Bis zum Februar 1944 waren sie in Bad Godesberg interniert und wurden dann gegen Gefangene der Alliierten ausgetauscht.
Das humanistische Wirken von Gilberto Bosques geriet nach seinem Ausscheiden aus dem diplomatischen Dienst im Jahre 1964 lange Zeit in Vergessenheit. Umso wichtiger waren die folgenden Ereignisse. Anlässlich des 100. Geburtstages von Gilberto Bosques fand im November 1993 eine Konferenz über das deutschsprachige Exil in Mexiko statt, an der ehemalige Mexiko-Exilierte wie Charlotte und Walter Janka und Lenka Reinova teilnahmen. Am 10. November 1993 wurde im Institut für das Recht des Asyls im Museum „Leon Trotsky Haus“ in Mexiko-Stadt eine Büste mit folgender Inschrift enthüllt: Für Gilberto Bosques; Dank an Mexiko; Die Exilierten Deutschlands und Österreichs
Später wurde das Wirken von Gilberto Bosques in mehreren Ländern geehrt. In Mexiko erhielt im Jahr 2000 das Parlament des Bundesstaates Puebla seinen Namen. Am 14. Dezember 2011 beschloss der Nationale Senat Mexikos die Schaffung eines „Zentrum für Internationale Studien Gilberto Bosques“ und einige Schulen tragen seinen Namen. Seit Juli 2015 steht auf dem Juarez-Platz in Mexiko-Stadt eine Büste von Bosques, die vom Außenminister Jose Antonio Meade enthüllt wurde. Dieses Denkmal ist ein Geschenk des Interkulturellen Instituts Mexiko-Israel.
Die Regierung Österreichs benannte in Wien am 4. Juli 2003 eine Straße in der Nähe des UNO-Zentrums in „ Gilberto Bosques Promenade“.
In Deutschland, auch in der 1990 größer gewordenen Bundesrepublik Deutschland wurde Bosques lediglich von der DDR geehrt. Er erhielt 1980 den „Stern der Völkerfreundschaft“ in Gold. Für die großartige humanistische Haltung Mexikos gab es nach 1990 lange Zeit keine Öffentlichkeit.
Das änderte sich mit einer Konferenz in Mexico Stadt im November 2011 des „Instituts für Interkulturelle Studien Mexiko-Deutschland“ unter Leitung von Dr. Renata von Hanffstengel und der Rosa Luxemburg Stiftung, auf der Dr. Hans Modrow, Ministerpräsident a.D. zum Thema „Exil und Politik“ sprach und mit der Ausstellung „Letzte Zuflucht Mexiko“ in der Akademie der Künste ab Dezember 2012.
Im Februar 2013 präsentierten die Alexander-von-Humboldt-Gesellschaft und Dr. Hans Modrow den Vorschlag zur dauerhaften Ehrung von Gilberto Bosques. Bei über 30 Veranstaltungen in 12 Städten Deutschlands wurden über 1200 Unterschriften von Unterstützern gesammelt und eine Reihe von Veröffentlichungen in Deutschland und Mexiko erreicht. Großen Anklang fand dabei der Film von Lilian Liebermann „Visa al paraiso“.
Dieses Projektwurde von zahlreichen Institutionen unterstützt. Besonders von : Aktives Museum Faschismus und Widerstand, Kämpfer und Freunde der Spanischen Republik, Berliner Vereinigung der Verfolgten der Naziregime.
Sehr früh gab es in Friedrichshain- Kreuzberg eine große Aufgeschlossenheit für eine Ehrung von Gilberto Bosques. Am 12. Februar 2016 fasste Bezirksverordnetenversammlung den Beschluss, die Volkshochschule Friedrichshain – Kreuzberg nach Gilberto Bosques zu benennen (DS/1992/IV). Es ging damals in Mexiko wie auch heute um eine Haltung bei der Hilfe für Menschen auf der Flucht, Hilfe für Menschen in größter Not. Es ging und geht um „die bedeutesten Werte der Menschheit“ (Gilberto Bosques, 7. November 1993).
Winfried Hansch ist Vorsitzender der Alexander-von-Humboldt-Gesellschaft. Im Diplomatischen Dienst der DDR war er vom 1977 bis 1982 in Argentinien und von 1985 bis 1990 in Mexiko tätig.