Von Bochum nach Spanien: Vor 80 Jahren: „No Pasaran!” – Internationaler antifaschistischer Kampf in Spanien. Von Günter Gleising.

Im folgenden dokumentieren wir den Beitrag der Antifaschistischen Bochumer Blätter der VVN-BdA, Nr. 2/2016, Information der VVN – Bund der AntifaschistInnen (Herausgegeben: 8. November 2016).

Vor 80 Jahren: „No Pasaran“ – Internationaler antifaschistischer Kampf in Spanien
In diesem Jahr erinnert die demokratische Weltöffentlichkeit an den Putsch der reaktionären Generäle, der vor 80 Jahren stattfand und knapp drei Jahre später mit der Vernichtung der 2. Spanischen Republik endete.

Von Bochum nach Spanien: Vor 80 Jahren: „No Pasaran!” – Internationaler antifaschistischer Kampf in Spanien
In der Mitte der 30er Jahre war Spanien immer mehr in den Mittelpunkt des internationalen Interesses gerückt. Spanien verwandelte sich zum ersten Kriegsschauplatz des von Hitler angeführten internationalen Faschismus. Putschende Generäle hatten im Juli 1936 von Marokko aus eine Junta mit General Franco1 an der Spitze gebildet. Diese stützte sich auf Teile des Militärs, zahlreiche Großgrundbesitzer und Industrielle.
Die Franco-Junta versuchte, die demokratische aus Sozialisten, Republikanern und Kommunisten gebildete Regierung, die mit großer Mehrheit aus Wahlen als Sieger hervorgegangen war, zu stürzen, um eine faschistische Diktatur zu errichten. Die Ereignisse mobilisierten große Teile der Volksmassen. Bewaffnete Arbeitermilizen verteidigten die Städte, nach kurzer Zeit wäre der Putschzurückgeschlagen worden. Doch Hitler und Mussolini erkannten die Franco-Junta im Gegensatz zu fast allen anderen Staaten an, unterstützten sie politisch und militärisch und wollten so den Faschisten in Spanien zum Durchbruch verhelfen. Hitler nutzte diesen Bürgerkrieg, um Waffen, Soldaten und Aus-rüstungen für den geplanten „Revanchekrieg” zu testen.
Am 22. Oktober bildeten sich dieInternationalen Brigaden aus tausenden von Freiwilligen, die aus allerWelt zur Unterstützung des spani-schen Volkes im Kampf gegen den Faschismus kamen. Drei Jahre kämpfte die spanische Volksarmee gemeinsam mit den internationalen Freiwilligen gegen den Faschismus. Auf den Fahnen der internationalen Brigaden stand: „No Pasaran!”2
Die fortschrittlichen Kräfte der ganzen Welt wussten: Nur in Spanien hätte der Vormarsch des Faschismus noch gestoppt werden können. Der Bürgerkrieg in Spanien wurde von Seiten der Franco-Junta mit äußerster Härte geführt. Die faschistischen Regierungen Deutschlands und Italiens nutzten ihn für die Vorbereitung ihrer späteren Angriffskriege. Zu erwähnen ist hier vor allem der Einsatz der Legion Condor und die Bombardierung der baskischen Stadt Guernica, die den Maler und Sozialisten Picasso zur Schaffung seines berühmten Bildes veranlasste (oben), das lange in New York bei der UNO ausgestellt war und nach Beendigung der Franco-Herrschaft an Spanienübergeben wurde. Der Kampf wurde schließlich ungleich. Mangelhafte internationale Unterstützung für die Republikaner, die schlechte militärische Bewaffnung, auch interne Richtungskämpfe und die schlechte Versorgungslage der Bevölkerung trugen dazu bei. Madrid konnte nicht mehr gehalten werden. Als schließlich am 28. März 1939 die Stadt von den Franco-Truppen besetzt wurde, war der Krieg beendet.
Spanien wurde eine klerikale faschistische Militärdiktatur. Der „kalte General”, wie ihn der britische Historiker Thomas nannte, regierte vier Jahrzehnte einen Militärstaat, der mit Teilen seines Volkes im Kriegszustand lebte. Die Freiwilligen wurden, soweit sie nicht irgendwie fliehen konnten, meist in Frankreich interniert, wohin die meisten zusammen mit rund 500.000 Spaniern geflüchtet waren. Dort, zum Beispiel in Le Vernet und Gurs, entstanden jetzt zahlreiche Internierungslager.Später sind viele Deutsche auf Betreiben der Nazis ausgewiesen worden und landeten meist in Konzentrationslagern und Gefängnissen. Andere, denen die Flucht gelang, kämpften weiter auf Seiten der Anti-Hitler-Koalitionin verschiedenen Armeen oder Widerstandsbewegungen. Zahlreiche Schriftsteller, Künstler, Politiker haben in Spanien auf Seiten der Interbrigaden gekämpft. Zu ihnen gehörten Willy Brandt, Arthur London, George Orwell, Roman Rolland, Erich Weinert. Ernest Hemingway machte die Ereignisse in Spanien mit seinem Roman „Wem die Stunde schlägt” bis heute weltbekannt. Unter den Kämpfer*innen waren auch 4.000 deutsche Frauen und Männer mit unterschiedlichen politischen und weltanschaulichen Überzeugungen, von denen Hunderte bei den Kämpfen ihrLeben gaben. Die Antifaschist*innen auf der Seite der spanischen Republik vertraten das andere Deutschland, dieMenschen, die Hitler Widerstand leisteten und den Krieg verhindern wollten.3
Auf Seiten der Internationalen Brigaden kämpften auch Antifaschisten aus Bochum und Wattenscheid wie zum
Beispiel:
Wilhelm Ohr (1905 – unbekannt),
der KPD-Funktionär entging Anfang 1933 knapp der Nazi-Folter in der SA-Kaserne Niederwestermann in
Langendreer und konnte über Minden nach Holland und Frankreich flüchten. Am 23. Juli 1936 trat er in die republikanische Volksarmee und nahm am antifaschistischen Kampf in Spanien teil. In Frankreich schloss sich Ohr der französischen Widerstandsbewegung an, erlebte 1944 die Befreiung von Paris und kehrte Ende 1946 nach Bochum-Werne zurück.
Otto Schliwinski (1904 – 1981),
Bergmann auf der Zeche „Centrum” in Wattenscheid, seit 1930 Mitglied der KPD, wurde 1933 von der SA verfolgt und floh über das Saargebiet nach Frankreich. Im Herbst trat er in die Internationalen Brigaden ein, war an der Verteidigung von Madrid und der Schlacht bei Guadalajara beteiligt. Konnte Ende 1939 in die Sowjetunion emigrieren und kehrte 1946 nach Deutschland zurück, wo er in der DDR lebte.
Giesbert Mietze (1909 – unbekannt),
Mitglied der SPD-Schutzorganisation Reichsbanner, konnte im Mai 1933 nach Holland fliehen. Ging mit einer Gruppe holländischer Genossen nach Frankreich und trat am 1. Januar 1937 in das „Ernst-Thälmann-Bataillon” der Internationalen Brigaden ein. Wurde Kompanieführer einer Aufklärungseinheit. 1939 in Gurs interniert, 1941 ausgeliefert, in der Dortmunder Steinwache inhaftiert und ins KZ Sachsenhausen überführt. 1945 in Bochum für die KPD tätig. Zog nach Herne und führte über viele Jahre die Gaststätte „Haus Mietze” in der Rottstraße in Herne-Baukau.
Hans Weyers (1902 – unbekannt),
1933 von den Nazis wegen „Vorbereitung zum Hochverrat” verurteilt und bis 1934 im KZ Sonnenberg inhaftiert. Er konnte über das Saarland nach Frankreich fliehen und sich 1936 den Internationalen Brigaden anschließen. 1939 in Frankreich im Lager Le Vernet interniert und anschließend in ein Konzentrationslager überstellt. Weyers war 1945 der erste Kreissekretär der KPD-Bochum.
Robert Schreiber (1907 – 1979), in Bochum-Werne geboren,
arbeitetenach der Volksschule als Maurer und wurde in den 20er Jahren Mitglied des KJVD und von „Rot-Sport-Langendreer”. Nazis war er deshalb verhasst. Zusammen mit seinen Freunden und Genossen Bruno Preus und Willi Grafenhain emigrierte er im März 1933 ins Saargebiet und schlug sich über Frankreich nach Spanien durch. Zuletzt im Rang eines Hauptmanns, wurde er dreimal verletzt. Im Oktober 1938 mit einem Verwundetentransport nach Frankreich geschickt, war er nun auf Seiten der französischen Antifaschisten aktiv und hielt u.a. Vorträge über den Kampf in Spanien. Von den französischen Behörden interniert wurde er am 21. Oktober 1941 von der Gestapo in Handfesseln zur Steinwache nach Dortmund gebracht. Zur lebenslänglichen Haft verurteilt, wurde Robert Schreiber in das KZ Sachsenhausen überstellt. Im April 1945 gelang ihm während des sogenannten Todesmarsches bei Schwerin die Flucht und konnte nach Werne zurückkehren. Er war als Kohlenhändler in Werne tätig und weiterhin in der kommunistischen Bewegung aktiv.
Erlebnisse von Emil Sander: Wie Willi Grafenhain starb
„Wir suchten den Weg zum republikanischen Spanien und fanden ihn: Über Paris, über die Pyrenäen, nach Barcelona und von da aus nach Albacete. An jedem Bahnhof standen die Bauern, die Bäuerinnen mit Körben voll Obst, Flaschen mit Wein, Brot und riefen: ‘Wir sehen, ihr wollt uns helfen, daß diese unsere Früchte unser Eigentum werden.’4 Am Nachmittag des 27. Novembers (1937) war es verhältnismäßig ruhig. Trotzdem hörte man vereinzelt immer wieder Schüsse. Die Franco-Soldaten hatten gute Scharfschützen. So wurde Willi Grafenhain, der Schütze unseres schweren Maschinengewehres, tödlich getroffen. Als ich zum Maschinengewehr kam, ich war erst eine Viertelstunde vorher dort gewesen, lag er dort, durch einem Herzschuß getroffen. Wir kamen aus einer Bergarbeitersiedlung in Langendreer, hatten im Kampfbund gegen den Faschismus und in der Parteigruppe (KPD) jahrelang zusammen gearbeitet und in unserer Siedlung den Nazis jedes Eindringen verwehrt. Nun lag er vor uns. Ich war traurig, dachte an seine Familie, die er nun nie mehr wiedersehen würde, an den Menschen, den Kameraden, den wir verloren hatten.”
Bochumer und Wattenscheider bei den Internationalen Brigaden:
Bochum
Ertel, Werne; gefallen
Gändke, Johann; Werne
Grafenhain, Willi; Werne; gefallen
Gronski, Emil;Werne; gefallen
Hübner, Nikolaus
Lehmann, Werner; Bochum; Gestapohaft in Berlin, getötet
Mietze, Gisbert; Bochum
Ohr, Wilhelm; Werne
Pawlowski, Paul; Langendreer; gefallen
Preus, Bruno; Werne; gefallen
Sander, Emil; Langendreer
Schade, Heinrich; Hordel; gefallen
Schreiber, Robert
Schulte, Paul; Bochum
Stangl, Johann; Werne; auf derFlucht umgekommen
Sommerfeld, Hans; Bochum
Stern, Walter; Bochum; gefallen
Strübe, Somborn; gefallen
Szesny, Heinrich; Bochum
Weber, Otto; Werne; gefallen
Weyers, Hans; Bochum
Zindel; Werne; gefallen
Wattenscheid
Hoffmann, Richard; als Partisan erschossen
Kays, Ernst
Repping, Heinrich; gefallen
Salenga; gefallen
Schliwinski, Otto
Sutor, Karl
Wahl, Robert; gefallen
Aus Tiroler Bauern wurdenInterbrigadisten
Einen der wohl unwahrscheinlichsten Kämpfer für die Freiheit beschrieb der „rasende Reporter” Egon Erwin Kisch. Es war der katholische Bergbauer Max Bair, der seine drei Kühe verkaufte, für den Erlös vier Karten nach Paris kaufte, angeblich um die Weltausstellung in Paris zu besuchen. Doch er reiste mit seinen Freunden weiter nach Spanien. Bair war „voller Angst, die würden merken, dass der Tiroler kein Kommunist ist und mich nicht nehmen.”
Doch sie nahmen ihn. Der mutige Tiroler wurde später sogar Bataillonskommandeur und verteidigte mit anderen österreichischen Freiwilligen in den Guadarrama-Bergen die spanische Republik.
1
Francisco Franco (1892 – 1975), Generalund Diktator, war von 1939 bis zu seinem Tod Staatschef von Spanien. „El Caudillo”, der Führer, verband seine traditionell konservativen und religiösen Grundlagen mit faschistischen Prinzipien. Seine franquistische Partei „Movimiento Nacional”, die Falange, wurde zur Staatspartei. Demokratische und regionalistische Tendenzen wurden gewaltsam unterdrückt.
2
No Pasaran: Sie werden nicht durchkommen.
3
Im Unterschied zu Deutschland werden in Frankreich, Luxemburg, Belgien und anderen Ländern die republikanischen Kämpfer geachtet und geehrt. In Frankreich sind sie den Resistance-Kämpfern gleichgestellt. Das Königreich Spanien verlieh 1996 allen noch lebenden ausländischen Kämpfern für die spanische Republik die Ehrenstaatsbürgerschaft. In Deutschland ist es an der Zeit, mit der politischen Praxis zu brechen, die jahrzehntelang den Angehörigen der Legion Condor materielle Anerkennung und Würdigung bescherte, aber die deutschen Freiwilligen, die auf der Seite der spanischen Republik kämpften, nicht zu beachten.
4
Ruhr Echo Archiv: Sander, Emil; Augenzeuge im spanischen Bürgerkrieg, Dortmund 20.04.1974 (unveröffentlichtes Maschinenskript).

Redaktion KFSR