»Hundert Sprachen, doch ein Wille« Ein einzigartiges Symposium befasste sich in Graz mit den österreichischen Interbrigadisten. Von Werner Abel.

Titelfoto: Stellvertretend für alle Internationalisten: Österreichische Interbrigadisten 1937 in Pozo Rubio
Foto: CEDOBI (UCLM-IEA)

»Hundert Sprachen, doch ein Wille«
Ein einzigartiges Symposium befasste sich in Graz mit den österreichischen Interbrigadisten
Von Werner Abel

»Ihr habt Geschichte geschrieben!« rief die spanische Kommunistin Dolores Ibárruri am 28. Oktober 1938 in Barcelona den abziehenden Internationalen Brigaden nach. Diesen Satz wählte Almudena Cros, Vorsitzende der Asociación de Amigos de las Brigadas Internacionales (Madrid), um an die internationalen »Voluntarios de la Libertad«(»Freiwilligen der Freiheit«) zu erinnern, die von 1936 bis 1939 an der Seite der Spanischen Republik gegen die Franquisten und den internationalen Faschismus kämpften. Sie berichtete von eindrucksvollen Zeugnissen der Erinnerung, von Denkmälern, aber auch von Akten eines reaktionären Vandalismus, denen diese Stätten wiederholt ausgesetzt sind. Der Vortrag von Almudena Cros war der krönende Abschluss eines internationalen Symposiums, das vom 5.–7. Oktober 2016 in Graz stattfand. Organisiert wurde es von Prof. Georg Pichler von der Universidad de Alcalá bei Madrid als Veranstaltung des Vereins »Prenninger Gespräche« in Zusammenarbeit mit dem Clio – Verein für Geschichts- und Bildungsarbeit sowie dem Graz-Museum, das auch die Räume zur Verfügung stellte. Das außerordentlich gut besuchte Symposium trug den Titel »Camaradas. Österreicherinnen und Österreicher im Spanischen Bürgerkrieg 1936–1939«. Gewiss, im Mittelpunkt standen damit vordergründig die Österreicherinnen und Österreicher. Aber ihr Engagement und ihre Lebenswege als Internationalisten stehen stellvertretend auch für die anderer Freiwilliger, die aus mehr als 50 Ländern nach Spanien kamen.
Gegenwart der Diktatur
Der Einführungsvortrag von Georg Pichler über »Aktualität des Spanischen Bürgerkriegs und der Franco-Diktatur« musste ohnehin auf das Interesse aller stoßen, die sich mit diesem Krieg und den Internationalen Brigaden beschäftigen. Mehr noch: In der komplizierten politischen Situation Spaniens wird es sicher auch von Bedeutung sein, wie der noch längst nicht abgeschlossene Kampf um die Rehabilitierung der Opfer dieser Diktatur, um die »Wiederaneignung des historischen Gedächtnisses«, um die Ahndung der Verbrechen und die Auslöschung der Symbole des Franquismus entschieden wird. Auch in Deutschland wird bei Veranstaltungen zum Spanischen Krieg in der Regel gefragt, in welchem Zustand sich die Erinnerungskultur in Spa¬nien befindet und welche Kämpfe um Deutungshoheiten stattfinden. Aus diesem Grund muss hier mit Nachdruck auf das bereits 2013 erschienene Buch Pichlers »Gegenwart der Vergangenheit. Die Kontroverse um Bürgerkrieg und Diktatur in Spanien« hingewiesen werden, in dem er die verschiedenen Sichtweisen auf dieses einschneidende, noch immer kontrovers diskutierte Ereignis in der spanischen und europäischen Geschichte protokollierte.
Es ist freilich schwer, die 18 Vorträge und die Diskussionen so zu würdigen, wie sie es allesamt verdient hätten. Um so verdienstvoller muss alleine schon der Vorsatz gewertet werden, alle Konferenzbeiträge in einem Band zusammenzufassen, der im kommenden Jahr erscheinen soll.
Beeindruckend war die Pluralität des Symposiums. Karl Wimmler (Graz) wies u. a. auf die erstaunliche, übrigens auch in Deutschland zu beobachtende Erscheinung hin, dass die bürgerliche Presse in Österreich ihr Herz für die libertäre Linke jener Jahre entdeckt, um ihre antikommunistische Sicht auf die Geschichte zu unterstreichen. Wahr ist allerdings auch, und das ließe sich als Fazit aus dem Beitrag Wimmlers ziehen, dass sich die Linke von stereotypen Interpretationen lösen und endlich auf das eingehen muss, was nach der Öffnung der Archive ans Tageslicht kam.
Joachim Gatterer (Innsbruck) zeigte, wie Lokalgeschichte zur Weltliteratur werden kann, am Beispiel des Tiroler Kleinbauern Max Bair, der, um nach Spanien zu gelangen, seine drei Kühe verkaufte und dessen Geschichte Egon Erwin Kisch aufgriff und weltbekannt machte. Dem Biographischen und der Literatur wandte sich auch Erich Hackl zu, der der Legendenbildung in der autobiographisch geprägten Novelle »Der Mantel« des Spanienkämpfers Josef Toch nachspürte. Weitere Biographien stellten Linda Erker (Wien) vor, die über relegierte Studenten der Universität Wien sprach, die später in Spanien kämpften. Erstaunlich war, wie viele aus der Steiermark nach Spanien zogen, wovon Heimo Halbrainer und Günter Eisenhut (Graz) berichteten. Hier konnte Reinhard Müller (Graz) anschließen; er führte aus, dass Graz ein Zentrum der anarchistischen Bewegung in Österreich war und welche Resonanz der Spanienkrieg in deren Untergrundzeitungen fand.
Kampf der Frauen
Insgesamt hatten sich wohl 1.400 Österreicher für die Spanische Republik engagiert, unter ihnen waren 34 Frauen, die im Sanitätsdienst der Interbrigaden oder in der Presse der Republik tätig waren. Viele von ihnen gehörten später dem antifaschistischen Widerstand an, einige überlebten den Krieg nicht und wurden ermordet. Diesen Frauen gewidmet war der Vortrag von Irene Filip (Wi en), die heute die Spanien-Abteilung im Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands leitet. Konstantin Kaisers (Wien) Vortrag beschäftigte sich exemplarisch mit der Lebensgeschichte der anfangs unpolitischen US-Amerikanerin Irene Goldin, die den österreichischen Interbrigadisten Harry Spiegel heiratete und zur Kämpferin gegen den Faschismus wurde.
Zählt man die marokkanischen Söldner dazu, dann kämpften vier- bis fünfmal mehr Ausländer auf seiten Francos als auf seiten der Republik. Zu denen, die sich als Freiwillige Franco zur Verfügung stellten, gehörten auch mehrere hundert Österreicher, von denen Jakob Matscheko (Graz) berichtete.
Barry McLoughlin (Wien) sprach über die zunehmend ins Zentrum der geschichtswissenschaftlichen Betrachtung geratenden Zusammenhänge zwischen der Außen- und Innenpolitik der Sowjetunion, der Kommunistischen Internationale und den Internationalen Brigaden. Daran schloss Werner Abel (Freiberg) mit einem Bericht über die Kommission für ausländische Kader beim Zentralkomitee der KP Spaniens an, die für die Internationalen eine wirkungsmächtige Institution war, bisher aber noch nicht die gebührende Beachtung gefunden hat. Michaela Wolf (Graz) fragte unter dem Titel »Hundert Sprachen, doch ein Wille« danach, wie sich die Freiwilligen unterschiedlichster Nationalität überhaupt untereinander verständigten, vor allem aber, welche Kommandosprache in den Interbrigaden gefunden wurde.
Dass Nazideutschland den Franquisten Menschen und Material zur Verfügung stellte, ist wohl zum Beispiel durch die Zerstörung Guernicas besser bekannt als die von Benito Bermejo (Madrid) am Beispiel des KZ Mauthausen dargestellte Tatsache, dass die Nazis Franco auch durch die Inhaftierung und Ermordung seiner republikanischen Landsleute außerhalb Spaniens unterstützten.
Christoph Kugler (Frankfurt am Main), der die wohl größte private Sammlung über den Spanischen Bürgerkrieg in Deutschland besitzt, stellte historische Dokumente vor, wie sie weltweit wohl nur noch in wenigen Exemplaren vorhanden sein dürften.
Eine solche Veranstaltung kann natürlich nur durch die Unterstützung verschiedener Vereine und Institutionen und durch aufwendige Organisation zustande kommen. Der Aufwand wurde belohnt. Selbstverständlich gab und gibt es auch in Deutschland Veranstaltungen zum 80. Jahrestag des Spanischen Krieges, aber eine solche wie die in Graz, das muss neidvoll anerkannt werden, fehlte bislang. Der Spanische Krieg endete im Frühjahr 1939. Es bleibt die Hoffnung, dass über einige Aspekte, die ihn einmalig machten, auch noch in Deutschland geredet werden wird.

Echo:
Universität Insbruck – Rückschau
5./7.10.2016, Graz
Internationales Symposium über den Spanischen Bürgerkrieg
Joachim Gatterer: Lokalgeschichte und Weltliteratur. Überlegungen zur Historisierung von Interbrigadisten am Beispiel von Egon Erwin Kischs literarischer Reportage „Die drei Kühe“
Eine Veranstaltung von Verein „prenninger gespräche“ in Zusammenarbeit mit CLIO – Verein für Geschichts- und Bildungsarbeit und GrazMuseum
  junge Welt v. 11.10.2016, Nr.237

Redaktion KFSR

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