Titelfoto: Stolze britische Interbrigadisten, 1937 in Albacete Foto: United Archives
A las armas! An die Waffen!
Vor 80 Jahren wurden die Internationalen Brigaden in Spanien gebildet.
Von Werner Abel
Außer dem Denkmal mit der Aufschrift »A las voluntarios de la Libertad« (Für die Freiwilligen der Freiheit) auf der Plaza de la Universidad sowie dem Centro de Estudios y Documentación de la Brigadas Internacionales« (Forschungs- und Dokumentationszentrum der Internationalen Brigaden), das zur Universität gehört, erinnert heute in Albacete nicht mehr viel daran, welche Bedeutung dieser Ort im Spanischen Bürgerkrieg hatte.
Seit dem 14. Oktober 1936, als die ersten internationalen Freiwilligen den Ruf »A las armas!«, »Zu den Waffen!« folgend hier ankamen, glich die Stadt, folgt man der Schilderung von André Malraux in seinem berühmten Roman »Die Hoffnung«, einem aufgewühlten Ameisenhaufen. Albacete – durch das 5. Regiment, die ursprüngliche Volksmiliz der KP Spaniens, von den antirepublikanischen Putschisten freigekämpft – war von der spanischen Volksfrontregierung als Ort der Aufstellung neuer Divisionen der eben entstehenden Spanischen Volksarmee unter der Regie von Martínez Barrio, des Präsidenten der Cortes, ausersehen. Die Stadt mit ihren damals 42 000 Einwohnern brachte einige Vorteile mit sich, die sich auch begünstigend auf die Aufstellung der Internationalen Brigaden auswirken sollten. Es gab eine Eisenbahnanbindung, einen kleinen Flugplatz, vor allem aber die riesige Kaserne der Guardia Nacional. Der linkssozialistische Zivilgouverneur Justo Martínez Amutio war zwar kein Freund der Kommunisten, unterstützte aber, angehalten durch seine schon vor dem Krieg bestehende Freundschaft mit Hans Beimler, die Internationalen materiell und ideell. Albacete war eine Stadt im Hinterland, aber nicht zu weit entfernt von der Zentralfront.
Am 27. September 1936 hatte das Präsidium der Kommunistischen Internationale (KI) beschlossen, die spanische Republik mit einem bewaffneten Freiwilligenkorps zu unterstützen. Wohl befanden sich in der republikanischen Zone schon Tausende Freiwillige, aber diese waren verteilt auf die verschiedenen Milizen, die in der Konfrontation mit dem vom deutschen und italienischen Faschismus modern ausgerüsteten regulären Truppen der Franquisten bald an ihre Grenzen stieß.
Am 22. Oktober wandten sich dementsprechend auf Anraten von José Diaz, dem Generalsekretär der KP Spaniens, der Italiener Luigio Longo, der Pole Stefan Wisniewski und der Franzose Pierre (Philippe) Rebiére an Manuel Azaña, den Präsidenten der Spanischen Republik, und an dessen Ministerpräsidenten Largo Caballero. Letzterer war – und seine Meinung teilten das Verteidigungsministerium und der Generalstab – mehr interessiert an Waffen als an Männern. Auch befürchtete er, dass eine von der KI organisierte Armee den Einfluss der ohnehin an Selbstbewusstsein zunehmenden KP Spaniens über Gebühr steigern könnte. Schließlich aber stimmte er zu und schickte die Abgesandten der KI nach Albacete. Was folgte, war eine der erstaunlichsten Leistungen der Militärgeschichte. Innerhalb kürzester Zeit entstand, wie Luigi Longo, unter dem Namen »Gallo« Generalinspekteur und Generalkommissar der Internationalen Brigaden, später schrieb, »eine Militärorganisation aus dem Nichts.« Buchstäblich eine Handvoll Männer schaffte es in wenigen Tagen, nicht nur ein Verwaltungszentrum mit Stab, Ausbildungssektor, Intendanz, Personalabteilung, Post- und Zensurdienst, Sanitätsdienst, Presse, Abwehrabteilung usw. aufzubauen, sondern auch die erste bewaffnete Einheit zu formieren, die schon am 4. November an die Front von Madrid ging. Geleitet wurde das Ganze einerseits durch ein Organisationskomitee mit den Italienern Giuseppe Di Vittorio (Nicoletti) und Luigi Longo (Gallo), dem Deutschen Hans Kahle, dem französischen Arzt Dr. Jacob Kalmanovitch (Calman) und andererseits durch ein Militärkomitee unter dem Vorsitz der Franzosen André Marty und Vidali Gayman (Vidal). Letzterer war zunächst Stabschef und dann der erste Kommandant der neu geschaffenen »Base orgánica de las Brigadas Internacionales« in Albacete.
Die erste aufgestellte Brigade war gemäß der Nummerierung der Einheiten der Spanischen Volksarmee die XI. Internationale Brigade, kommandiert von Manfred Stern (General Kléber). Sie bestand ihre Feuertaufe in der Schlacht um Madrid gegen Francos Truppen und deren marokkanischen Söldnern mit Bravour, erlitt jedoch erhebliche Verluste. Am 1. Dezember fielen auch Hans Beimler, der Verantwortliche der KPD in Spanien, und Louis Schuster (Franz Vehlow), Politkommissar des Ernst-Thälmann-Bataillons der XI. Brigade.
Immer mehr Freiwillige erreichten Spanien. Sie kamen zumeist über Frankreich, wo in Paris die FKP mit Hilfe der Gewerkschaft CGT in der Rue Lafayette ein Rekrutierungsbüro eingerichtet hatte, das u. a. die Transporte nach Spanien organisierte. Das konnte wegen der zögernden Haltung der französischen Regierung, die vor allem unter dem Druck Großbritanniens oft die Grenzen sperrte, nicht immer legal geschehen. Andererseits fürchteten auch die spanischen Anarchosyndikalisten, die viele Grenzübergänge kontrollierten, dass der große Zustrom kommunistischer Freiwilliger, die auf die Volksfrontpolitik eingeschworen waren, sich negativ auf die Vertiefung der sozialen Revolution auswirken könnte.
Die Freiwilligen waren also häufig auf abenteuerliche Wege angewiesen. Sie kamen auf eigenen Entschluss oder delegiert von ihren Parteien mit der Bahn, dem Schiff oder zu Fuß. Der erste Sammelpunkt war in der Regel die alte Festung der Stadt Figueras, von wo aus sie zu einer kurzen Ausbildung und Eingliederung in die militärischen Einheiten nach Albacete geschickt wurden. Schon am 9. November stand die XII. Internationale Brigade, kommandiert vom ungarischen Schriftsteller Máté Zalka (»General Lukacz«). Auch sie ging an die Front vor Madrid.
Mit dem Aufbau der XIII. Brigade wurde der Deutsche Wilhelm Zaisser, ein erfahrener Weltkriegsoffizier, betraut. Er befehligte diese dann als »General José Gómez« beim (erfolglosen) Versuch, die strategisch wichtige Stadt Teruel einzunehmen. Unter dem Kampfnamen »General Walter« kommandierte der Pole Karol Swierziewski die XIV. Internationale Brigade, die XV. Brigade wurde vom Ungarn Janosz Galicz (»General Gal«) angeführt. Im März 1937 entstand die 86. Brigada Mixta (Gemischte Brigade), deren Kommandeure der Italiener Aldo Morandi und der Deutsche Ernst Dudel waren. Viel später, nämlich im Dezember 1937, entstand dann noch die von dem Polen Wacek Komar geführte 129. Internationale Brigade. Nicht vergessen werden dürfen die vier Internationalen Artillerieeinheiten, die über Flug- und Panzerabwehrbatterien sowie schwere Artillerie verfügten.
Den Internationalen Brigaden gehörten auch Spanier an, Rekruten und Freiwillige. Damit wurde die Zugehörigkeit der Brigaden zur Spanischen Volksarmee unterstrichen und sollte der Kontakt zum spanischen Volk enger gestaltet werden. Zudem konnten die Spanier von den Erfahrungen der ausländischen Freiwilligen, die vielfach an den verschiedenen Fronten des Ersten Weltkriegs gekämpft hatten, profitieren. Ab Sommer 1938, als kaum noch Freiwillige nach Spanien kamen, bestanden die Internationalen Brigaden zu über 80 Prozent aus Spaniern.
Ein erstaunliches Phänomen war die Verständigung in den Brigaden, in denen über fünfzig Nationalitäten und Menschen vereint waren, von denen die meisten über keine Fremdsprachenkenntnisse verfügten. Trotzdem gab es kaum gravierende Probleme, denn man hatte einen gemeinsamen Gegner. Natürlich versuchte man, die Brigaden nach Sprachgruppen zu organisieren, so dass es mit der XI. Brigade eine mehrheitliche »deutsche« (dazu zählten neben den Deutschen die Österreicher, Schweizer, Niederländer und Skandinavier), mit der XIII. Brigade eine mehrheitlich slawische und mit der XV. Brigade eine anglo-amerikanische Brigade gab. Die hohen Verluste wirbelten diese Einteilung oft wieder durcheinander.
Durch ihre hohe Kampfmoral wurden die Interbrigaden quasi zu Eliteeinheiten der Volksarmee. Über die Anzahl der Interbrigadisten gibt es keine absolut zuverlässigen Angaben. Einem Bericht des Sicherheitsdienstes der Interbrigaden vom Herbst 1937 zufolge lagerten in der Kaderabteilung in Albacete 35 000 personenbezogene Akten. Obwohl es nach dem Abzug der Internationalen Brigaden von den Fronten im September 1938 gelang, den größten Teil der Akten nach Moskau zu evakuieren, ist es durchaus möglich, dass während der überstürzten Auflösung der Base Albacete im Juni 1938 viele Dokumente verloren gingen. Am 11. März 1938 hatte Zaisser, nunmehr Kommandeur der Base, an das spanische Verteidigungsministerium gemeldet, dass bis dato 31 369 Interbrigadisten erfasst seien, von denen 5062 wieder in ihre Herkunftsländer zurückgereist, 4575 gefallen und 5740 vermisst sind. Geht man davon aus, dass bis zur Auflösung der Interbrigaden noch weitere Freiwillige nach Spanien kamen, ist die Zahl 35 000 wohl realistisch. Die franquistische Propaganda hatte, um ihren antikommunistischen »Kreuzzug« und die deutsche und italienische Hilfe zu legitimieren, von hunderttausend Ausländern fabuliert, die auf der Seite der »Roten« gekämpft hätten.
Die Internationalen Brigaden hatten an allen Fronten des Spanischen Kriegs gekämpft, an der Zentralfront um Madrid, an der Córdoba-Front, am Jarama und Guadalajara, um Brunete und Teruel, am Ebro und im Aragón. Als sie am 17. Oktober 1937 in Albacete ihren ersten Jahrestag begingen, waren die »Freiwilligen der Freiheit« noch voller Zuversicht, den Kampf gegen die Faschisten zu gewinnen. Die Niederlage der Republik und den internationalen Verrat an ihr konnten aber auch sie nicht aufhalten.
»Ihr kamt zu uns als unsere Brüder«, sagte Dolores Ibárurri anlässlich der Verabschiedung der Internationalen Brigaden am 28. Oktober 1938 in Barcelona zu den Interbrigadisten: »Ihr habt Geschichte geschrieben.« Und diese Geschichte sollte in der Erinnerung der Völker wach gehalten werden.
Quelle: neues deutschland, nd, Berlin-Ausgabe vom Samstag, 15. Oktober 2016, Seite 25