15 Jahre KFSR – eine Standortbestimmung
Von Kerstin Hommel
Vor 80 Jahren begann in Spanien mit dem Putsch der reaktionären Generäle gegen die demokratisch gewählte Volksfrontregierung ein grausamer Bürgerkrieg, der sich bald zu einem internationalen Krieg ausweitete. Die Hoffnungen der sozialen Revolution wurden im Keime erstickt. Ca. 35000 Freiwillige verschiedener Weltanschauungen und Religionen aus 53 Ländern kämpften für die Verteidigung der 2. Spanischen Republik, darunter etwa 3500 uns bekannte deutsche Antifaschisten, 2800 als Freiwillige in den Internationalen Brigaden, zumeist in der XI. Brigade mit den Bataillonen Thälmann, Etgar André, Hans Beimler, 12. Februar. Für viele bedeutete dies die Fortsetzung ihres antifaschistischen Kampfes, um einen sich anbahnenden Weltkrieg aktiv verhindern zu helfen. Am 3. Oktober 2016 jährt sich zum 80. Mal die Gründung der Internationalen Brigaden. Auch wir begehen einen Geburtstag – 15 Jahre „Kämpfer und Freunde der Spanischen Republik 1936 – 1939 e.V.“ – der Name wurde mit gutem Grund gewählt: Wir vertreten das Vermächtnis aller Deutschen, die an der Seite des spanischen Volkes für die Verteidigung von Demokratie, gegen Faschismus und Krieg gekämpft haben, nicht nur in den Internationalen Brigaden. Der Weg von einer Arbeitsgruppe der VVN bis zur Vereinsgründung im September 2001 im Beisein von Spanienkämpfern war kein geradliniger, davon können die Gründungsmitglieder, insbesondere der langjährige Vorsitzende des KFSR Harald Wittstock, konkret Auskunft geben, u.a. nachzulesen in der „No pasarán“ 2/2016.
Jahrestage sind nützlich für Standortbestimmungen: Historische Fakten, die unzählige Bücher füllen, in jetzt offenen Archiven einzusehen sind, harren der Aufarbeitung. Braucht es da noch eine Organisation? Was kann und soll diese in der Gegenwart bewirken? Internationale Brigaden – ist das Thema unter Linken nicht hinlänglich bekannt? Und haben wir nicht andere, aktuelle Themen: neue Flüchtlingsströme, ansteigende ausländerfeindliche, rassistische Tendenzen? Wie gestalten wir als kleiner Verein mit 120 Mitgliedern unsere Arbeit auf Bundesebene sowie in internationalen Bündnissen?
Es bleibt unsere Aufgabe, das Andenken der Kämpfer von damals in der Öffentlichkeit bewusst zu machen, an das einzigartige Beispiel der völkerverbindenden, internationalen Solidarität in Form der Internationalen Brigaden zu erinnern. Weltweit sind nur wenige noch lebende internationale Kämpfer bekannt: Joseph Almudever, Virgilio Fernández, Stanley Hilton, Juan Miguel de Mora, Antoine Pinol, Aurelio Grossi, hinzu noch Kämpfer in den Reihen der Republikanischen Armee wie Vincent Almudever – mit beiden Brüdern, Ehrenmitgliedern des KFSR, sind wir oft zusammengetroffen. Erinnerungsarbeit ohne Zeitzeugen – darauf müssen wir unsere Arbeit anpassen. In diesem Jahr haben wir zahlreiche, bundesweite Anfragen von lokalen Initiativen erhalten, auch dank der Zusammenarbeit mit der VVN-BdA. Davon konnten sich die Teilnehmer am Bundeskongress in Bochum überzeugen. Erfreulich die gewachsene Hinwendung zu den Kämpfern selbst, mit der Frage, wer waren diese Menschen? Einen wertvollen Beitrag leistet dazu das Lexikon „Sie werden nicht durchkommen. Deutsche an der Seite der Spanischen Republik und der sozialen Revolution“ (W. Abel, E. Hilbert), mit 3531 Einträgen, der 2. Band mit zahlreichen Fotos und Zeitdokumenten steht vor der Fertigstellung. Die Frauen im Spanienkrieg werden demnächst in einer Publikation des KFSR von I. Schiborowski & A. Kochnowski in das gegenwärtige Bewusstsein geholt. Noch stärker wollen wir die Angehörigen der Kämpfer von einst, insbesondere auch die Generation der Enkel und Urenkel zu unseren Veranstaltungen und in die bundesweite Arbeit einladen.
Über die zahlreichen nationalen und internationalen Veranstaltungen sowie Presseartikel gibt unsere Webseite www.spanienkaempfer.de einen umfassenden Überblick.
Einen Beitrag mit inhaltlichem „Zugewinn“ können wir nur leisten, wenn wir offensiv Fragen wie nach dem Kräfteverhältnis aller linken politischen Strömungen in der damaligen Zeit, ohne Ausgrenzung stellen, auch nach der Rolle der Anarchisten, des POUM, zum Einfluss der Volksfront und des Stalinismus auf den antifaschistischen Kampf in Spanien. Die Öffnung der Archive hat zu einer gewachsenen Zahl von Publikationen geführt. Neben der Hinwendung zu den IB als einzigartiges Beispiel für die internationale Solidarität muss der Fokus stärker auf die 1936 in Spanien begonnenen gesellschaftlichen Veränderungen gerichtet werden. Welche Hoffnungen für die Arbeiter und Bauern bedeuteten Agrarreform, Kollektivierung von Betrieben, Formierung von Räten aus sozialen Bewegungen von unten als Möglichkeit der uneingeschränkten Beteiligung des Volkes an der Gestaltung der Gesellschaft? Damit können wir uns in die Suche nach gesellschaftlichen Alternativen einbringen – ein Thema, was nicht nur die junge Generation bewegt. Das erfordert Bildungsarbeit, auch in den eigenen Reihen, auf Veranstaltungen wie den monatlich durchgeführten Spanientreffs, in Publikationen – u.a. in unserer „No pasarán“ (3 Ausgaben im Jahr). So können wir nicht nur dem Anspruch nach umfassender Forschungs- und Bildungsarbeit gerecht, sondern auch im wissenschaftlichen Diskurs wahrgenommen werden. Das braucht Mitstreiter – so die Rosa-Luxemburg-Stiftung. Wissenschaftliche Forschungen dazu an Lehrstühlen deutscher Universitäten sind leider (noch) eine Seltenheit.
Stärker muss uns beschäftigen, wie sich Jugendliche diesem Thema nähern. Zur Zeit begleiten wir ein Schülerprojekt an einem Berliner Gymnasium. Unlängst sind junge Antifaschisten von einer Katalonien-Reise mit Zivilcourage vereint e.V. und Gesine Lötzsch (MdB) zurückgekehrt, im Pinienhain von La Fatarella gedachten sie Interbrigadisten wie Wilhelm Zaisser und Dragutin Bilić. Erstmals findet ein internationales Workcamp gemeinsam mit dem Verein junger Freiwilliger zur Pflege der Gräber von Spanienkämpfern in der Gedenkstätte Berlin Friedrichsfelde statt.
Neben nationalen gibt es viele internationale Bündnispartner, einige stellen sich in dieser Ausgabe vor. In der letzten Zeit sind Partner in Osteuropa – Prag, Warschau und Belgrad – hinzugekommen. Neben gegenseitigem Besuch zu Veranstaltungen leisten wir internationale Solidarität, z.B. beim Kampf um den Erhalt des Madrider Denkmals für die IB oder der Dombrowski-Straße in Warschau. National wie international wächst die Zusammenarbeit dort, wo wir an gemeinsamen Projekten arbeiten, uns austauschen – etwa zur Bildungs-, Biografie- und Jugendarbeit. Unser nächstes großes Zusammentreffen wird die Internationale Reise Ende Oktober nach Paris – Benicàssim – Albacete – Madrid sein. Hierzu laden wir Euch ebenso ein wie zu unserem zur Tradition gewordenen Internationalen Jahrestreffen am 1./2. Oktober in Berlin mit der Ehrung am Spanienkämpferdenkmal und einer Festveranstaltung „80 Jahre Internationalen Brigaden“. Hier wollen wir auch die Umsetzung des gemeinsamen Aufrufs starten, die Kämpfer an Gedenkstätten und Gräbern bundesweit zu ehren.
Wir setzen uns weiterhin für eine staatliche Ehrung der Spanienkämpfer auf kommunaler, Landes- und Bundesebene ein.
Wir fordern den Bundestag auf, entschieden die deutschen Verbrechen in Spanien ebenso zu verurteilen wie die Rentenzahlungen an die faschistischen Kollaborateure der „Blauen Division“.
Das werden wir nur gemeinsam im Bündnis mit allen Antifaschisten erreichen: Pasaremos!
Dieser Beitrag wurde in der antifa: Magazin der VVN-BdA für antifaschistische Politik und Kultur, Sept./Okt. 2016, Spezial, gekürzt veröffentlicht.