anläßlich ihres 80. Todestags am 16. September 2012 — von Dr. Werner Abel
„Der erste Dünger für die Ernte ist der billige Schweiß derer, die niemals ernten. Die Erde ist nicht für die fruchtbar, die sie mühsam bearbeiten. Die Körner, die aus dem Dreschkasten in Säcke rinnen, sind neuer geheimnisvoller Samen und bares Geld. Beides geht durch die riesigen rissigen Hände der Arbeiter. Sie werfen das Getreide in den Dreschkasten, hängen die Säcke ab, wiegen sie und stapeln die taubgewordenen Halme, das Stroh. Über das weitere Schicksal des Getreides wird auf der Börse entschieden, – nicht so, wie es die Menschen brauchten, sondern, wie es die Herrschenden brauchen, die verdienen wollen.“
Diese Sätze sind der legendären, 1932 im Malik-Verlag erschienenen Anthologie „30 Erzähler des neuen Deutschland“ entnommen und stammen von der 24-jährigen Maria Greßhöner, die seit 1926 im Verlag arbeitete und mit dem Verleger Wieland Herzfelde zusammenlebte. Schon 1927 war bei Kiepenheuer ihre erste Erzählung gedruckt worden. John Heartfield war von den Katzenaugen der jungen Frau derart fasziniert, dass er ihr Gesicht auf dem Schutzumschlag für Ilja Ehrenburgs „Die Liebe der Jeanne Ney“ verewigte.
Am 20. 3. 1908 in Westfalen geboren, verbrachte Maria ihre Kindheit in Westpreußen, wo ihr Vater ein Gut gekauft hatte. Nach dem Abbruch des Lyzeums nahm sie Zeichenunterricht bei Ludwig Meidner und Willy Jäckel. Hier bekam sie auch erste Kontakte zur Künstlerszene. 1927 war Maria der KPD beigetreten, arbeitete offensichtlich auch in deren Geheimapparat und wählte 1934 aus Sympathie für die Sowjetunion das Pseudonym „Maria Osten“. Nach einer kurzen Ehe mit dem sowjetischen Regisseur Jewgeni Tscherwiakow lebte sie ab 1932 mit dem bekannten sowjetischen Journalisten und „Prawda“-Redakteur Michail Kolzow zusammen. Im gleichen Jahr wurde sie auch Redakteurin der „Deutschen Zentral-Zeitung“ in der Sowjetunion.
Nach der Machtergreifung Hitlers arbeitete sie in der KPD-Emigration und engagierte sich nach 1935 in der Internationalen Schriftstellervereinigung zur Verteidigung der Kultur. Sie war befreundet mit Ilja Ehrenburg, Louis Aragon, mit der Familie Brecht, mit J.R. Becher, Egon Erwin Kisch und besonders mit Ernst Busch. Lion Feuchtwanger begleitete sie bei seiner berühmten Reise Ende 1936/Anfang 1937 in die UdSSR. Ernest Hemingway setzt ihr in seinem Weltbestseller „Wem die Stunde schlägt“ als Maria, der Freundin des Kämpfers Karkow (d. i. M. Kolzow), ein literarisches Denkmal.
1934 adoptierte Maria gemeinsam mit Kolzow nach einer Reportagenreise durch Frankreich und das Saarland Hubert L´Hoste, den Sohn eines kommunistischen saarländischen Bergarbeiters. Nach der triumphalen Reise von Hubert durch die Sowjetunion entstand das Buch „Hubert im Wunderland“, eine Montage, die die unterschiedlichen Lebenswelten des Sozialismus und Kapitalismus aufzeigte.
Während des Spanischen Krieges bereiste Maria im Auftrag der DZZ das Land und schrieb auch über die Internationalen Brigaden. Ihre Artikel erschienen auch in russischer Sprache unter dem Titel „Spanien-Reportagen“. Sie war eng befreundet mit Ernst Busch, dem sie bei den Aufnahmen der „Canciones de las Brigadas Internacionales“ half. Er dankte ihr dafür mit einer Widmung auf der Neuauflage dieser Lieder in der DDR. In Spanien gründete Maria Osten ein Kinderheim und adoptierte einen kleinen Jungen, der bei einem Bombardement der Faschisten seine Eltern verloren hatte. Die Pasionaria half ihr dabei, verlangte aber, dass der Junge Spanier blieb.
1938 übernahm Maria Osten die Pariser Zwischenredaktion der wichtigen, neu gegründeten Exilzeitschrift „Das Wort“, deren Leitung hauptsächlich bei Willi Bredel lag.
Als Kolzow, der u. a. auch einer der wichtigsten Vertrauten Stalins in Spanien war, offensichtlich auf Grund einer Denunziation André Martys am 14. 12. 1938 verhaftet worden war, reiste Maria trotz der Warnung von Freunden nach Moskau. Ihr Adoptivsohn Hubert weigerte sich, die „Frau eines Volksfeindes“ in die Wohnung zu lassen. In einem billigen Hotel lebend, pflegte sie die todkranke Margarete Steffin, die Brecht auf der Durchreise in die USA in Moskau lassen musste. Die Kaderkommission der KPD schloß sie dann am 14. 10. 1939 u. a. wegen ihrer „Verbindungen zur Malik-Clique“ aus der Partei aus. Am 24. 6. 1941 wurde sie vom NKWD verhaftet und am 16. 9. 1942 im Gefängnis von Saratov erschossen.
Maria Osten konnte nur 34 Jahre alt werden, wie viele andere unter falschen Anschuldigungen Hingerichtete wäre ihre Feder im Kampf gegen den Faschismus gebraucht worden. 1957 rehabilitiert, wurde 1988 anlässlich ihres 80. Geburtstags mit einer Gedenktafel auf dem Grab ihrer Eltern in Loitz (Kreis Demmin) an sie erinnert.